Motive der Christenverfolgung UPDATE
Blutzeugen des Heilshandelns Gottes in der Geschichte
Motive der Christenverfolgung: Die Religionstoleranz des antiken Rom konnte den Monotheismus der Christen nicht verdauen. Die Totalitarismen des 20. Jahrhunderts scheiterten an der Eroberung des Geistes. Der Islam stösst sich am Holz der Krippe wie am Holz des Kreuzes.
Von Stephan Baier
Die Tagespost, 19. Dezember 2014
“Da stand Josef in der Nacht auf und floh mit dem Kind und dessen Mutter nach Ägypten.” (Matthäus 2,14)
Wir leben – wieder einmal – in einem Zeitalter der Christenverfolgung. Trotz aller universell proklamierter und ratifizierter Menschenrechte, zu denen die Religionsfreiheit unzweifelhaft gehört, werden weltweit Millionen Christen gesellschaftlich, politisch und rechtlich diskriminiert, schikaniert, unterdrückt und verfolgt. Das wirft eine Vielzahl von politischen Fragen auf, aber auch einige theologische. Jesus sagte ja den Seinen voraus, sie würden gehasst und verfolgt werden: “Ihr werdet um meines Namens willen von allen gehasst werden“ (Mk 13,13; Mt 10,22; Lk 21,17), und: “Wenn sie mich verfolgt haben, werden sie auch euch verfolgen” (Joh 15,20). Aber warum? Worin besteht das Widerständige, den Mächtigen Verdächtige oder gar Gefährliche, das den Hass und die Vernichtungswut von Machthabern immer und immer wieder auf die Christen lenkt?
Der zutreffende Verweis darauf, dass auch andere Glaubensgemeinschaften und religiöse Minderheiten unter Verfolgung litten und leiden, relativiert die Schärfe dieser Frage in keiner Weise. Es ist ja augenscheinlich, dass es in der Geschichte immer wieder, so auch heute, zu gewaltsamen Übergriffen gegen Anhänger unterschiedlicher Religionen kommt. So werden – um nur zwei oft übersehene Beispiele zu nennen – in unseren Tagen etwa Muslime in Indien häufig Opfer radikal-hinduistischer Attacken, in Myanmar (Burma) Opfer buddhistisch motivierter Gewalt. Darin offenbart sich nicht nur die durch Kultur oder Manieren alleine kaum domestizierbare Neigung des Menschen zur Gewalt, sondern auch die fallweise in Aggression umschlagende Angst vor dem Anderen und dem Fremden.
Dennoch hat sich – um bei den genannten Beispielen zu bleiben – im Islam nie eine theologische Reflexion über den heilsgeschichtlichen Sinn des Leidens herausgebildet, die der christlichen Kreuzes-Spiritualität vergleichbar wäre. Mohammed war nämlich Religionsstifter, Gemeinschaftsgründer und Kriegsherr, nicht aber der leidende Gottesknecht, der die Sünden der gefallenen Menschheit auf sich nimmt. Darum gibt es im Islam – selbst in der leidgeprüften und am Leid der Söhne Alis orientierten Schia – keinen dem Christentum vergleichbaren Märtyrerbegriff. Der christliche Märtyrer stirbt letztlich nicht für eine Idee, ein Ideal oder ein Ziel, sondern für eine Person: für Jesus Christus. Wer um seines Christseins oder Muslimseins willen getötet wird, ist zunächst ein Opfer. Aber nur der, der in diesem Lebensopfer – wie Christus am Kreuz – selbst eine Entscheidung für den Glauben trifft, ist ein Märtyrer.
Ganz im Gegensatz zu den ideologisch oder religiös motivierten Selbstmordattentätern, die vielfach fälschlich als Märtyrer bezeichnet und stilisiert werden, ist der christliche Märtyrer in der Nachahmung Jesu ein Mensch der Gewaltlosigkeit und der Hingabebereitschaft: bereit zu sterben, aber nicht zu töten, zu lieben, aber nicht zu hassen. Warum zieht er dann Hass statt Mitleid, Aggression statt Barmherzigkeit auf sich? Warum hat der Märtyrer Feinde, obwohl er niemandes Feind ist?
Um einer Antwort näherzukommen, werfen wir knappe Schlaglichter auf drei Situationen von Christenverfolgung, die bei näherer Betrachtung augenfällige Parallelen zu unserer Zeit aufweisen. Da ist zunächst die Verfolgung der jungen Kirche im antiken Imperium Romanum. Das kaiserliche Rom war keineswegs eine totalitäre Diktatur, sondern ein in religiöser Hinsicht recht tolerantes Reich, das die Götterwelt eroberter Gebiete grosszügig integrierte. Der faktische Pluralismus an Sprachen, Kulturen und Religionen bekam durch das Imperium lediglich ein Korsett verpasst, das den Corpus zusammenhalten sollte. Rom interessierte sich wenig für die persönliche Frömmigkeit der Eroberten, legte aber Wert darauf, dem Ganzen eine Ordnung, ein Gefüge zu verleihen. Neue und fremde “Götter“ konnten in Roms Pantheon aufgenommen werden – aber sie durften es nicht sprengen.
Diese Handhabung des Religiösen setzt aber einen Verzicht auf die Wahrheitsfrage voraus: Wenn alle Religiosität sich dem politischen System ein- und unterordnet, um geduldet zu werden, verzichtet die Religion auf ihren inneren Wahrheitsanspruch und auf jede Verbindlichkeit. Dann aber zieht sich der Glaube ins Private zurück. An die Stelle Gottes treten Politik, Staatsidee oder Ideologie. Die Sakralisierung der Person des Kaisers war im antiken Rom darum nur mehr die innere Konsequenz der vorausgegangenen Sakralisierung des Staates und der ihn tragenden Idee.
Echter Monotheismus sprengt dieses Pantheon. Nicht nur, weil er die “Götter“ in ihrer Nichtigkeit und Nichtswürdigkeit entlarvt (Lev 26,30; Ps 115,4; Weish 15,15) und auf der Wahrheitsfrage besteht, sondern auch, weil er damit der Sakralisierung des Staates und seiner Autoritäten widerspricht. Das Judentum war für Rom tolerierbar, weil es zwar den einen Gott bekannte, aber keine missionarische Dimension entfaltete. Das Christentum aber bringt den Gott Israels “zu allen Völkern“ (Mt 28,19). In seinem 1971 publizierten Büchlein “Die Einheit der Nationen“ schrieb Joseph Ratzinger: “Nach römischer Auffassung ist die Religion eine Einrichtung des Staates, also eine Funktion des Staates und als solche diesem untergeordnet… Nach christlicher Auffassung hingegen geht es in der Religion nicht um Gewohnheit, sondern um Wahrheit, die absolut ist, also nicht vom Staat eingerichtet wird, sondern sich selbst eine neue Gemeinschaft eingerichtet hat, welche alle umgreift, die aus Gottes Wahrheit leben.“
Mit Blick auch auf unsere Zeit könnten wir sagen, dass die Christen in die römische “Diktatur des Relativismus“ nicht einfach integrierbar waren, weil sie an der Einzigkeit Gottes für alle festhielten. Dem Christen kann es nicht genügen, “seine“ Wahrheit und “seinen“ Gott für sich haben zu dürfen, weil Wahrheit nur dann Wahrheit ist, wenn sie universal gilt, und weil ein nur partikulär wirkender Gott eben nicht Gott sein kann.
Der Blick auf den einen Absoluten, den Schöpfer des Himmels und der Erde, den Ursprung und Richter aller Menschen, relativiert alle irdischen, von Menschen gemachten Absolutismen – und entlarvt die Diktatur des Relativismus in ihrer inneren Widersprüchlichkeit. Nicht die weltanschauliche Toleranz und die Profanität des Staates sind für den christlichen Glauben ein Problem, denn Jesus selbst unterscheidet die Sphären des Politischen und des Religiösen, des Profanen und des Sakralen (Mt 22,21). Die Christenverfolgung im Imperium Romanum hat ihre Wurzel vielmehr darin, dass diese Unterscheidung dem römischen Denken völlig fremd war. Unverständig lauscht deshalb Pilatus den Worten Jesu: “Mein Königtum ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36) und wiederholt nur unbeholfen seine Frage: “Also bist du doch ein König?“
Weder das damalige Judentum mit seiner grundsätzlich theokratischen Tendenz, noch seine Nachbarn im Orient, noch das Imperium Romanum kannten eine echte Unterscheidung von Politik und Religion. Entweder galt der Herrscher als Stellvertreter für einen Gott, der eigentlich regieren sollte, so dass Politik unter den Vorgaben religiöser Anschauungen stand, oder der Staat instrumentalisierte die Religion zu politischen Zwecken.
Die Christen jedoch konnten sich nicht damit zufriedengeben, Christus als eine weitere Gottheit ins römische Pantheon zu integrieren, und sie konnten dem Kaiser den geschuldeten Kult nicht leisten. Sie waren bereit, als loyale Staatsbürger dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist. Aber nicht mehr: Was Gottes ist, kann man als Christ nur Gott geben. Der Staat ist dann aber nicht mehr das “Totum“, er umfasst nicht das Ganze der menschlichen Existenz und repräsentiert nie das Absolutum des menschlichen Hoffens. Jesus befreit den Menschen vom Totalitätsanspruch des Staates, der Politik und aller diesseitigen Grössen. Er befreit zugleich den Staat von der Irrationalität sakralisierender Mythen und widerspricht der geschichtlich immer wieder sichtbar werdenden Versuchung des Staates, sich auf Überirdisches zu berufen. Er widerspricht damit zugleich der stetig wiederkehrenden Häresie, einen Paradies-Staat, ein Reich Gottes auf Erden zu errichten.
Hier sind wir bereits an der Wurzel der Christenverfolgungen des finsteren 20. Jahrhunderts, denn die totalitären Ideologien des Kommunismus wie des Nationalsozialismus beanspruchten genau das, was Christen keiner irdischen Wirklichkeit, keinem Staat und keiner Ideologie zugestehen können: Absolutheit. Der Nationalsozialismus machte aus einer die eigene Nation überhöhenden Ideologie eine Pseudo-Religion mit Reichsparteitagen als Liturgie, mit dem “Führer“ als sakraler Autorität, mit einem mythenschweren, radikal unwissenschaftlichen Blut-Kult als Credo, mit eigenen Dogmen.
Hellsichtiger als andere erkannte der jüdische Schriftsteller Joseph Roth bereits 1933 im rassistischen Antisemitismus der Nazis einen Anschlag auf den Gott Israels und somit auch auf das Christentum: “Indem man die Juden vernichtet, verfolgt man Christus. Zum ersten Mal werden die Juden nicht deshalb totgeschlagen, weil sie Jesus gekreuzigt haben, sondern weil sie ihn hervorgebracht haben.“ 1937 führte Roth diese Einsicht fort: “In den Augen der Hitlerischen Heiden sind nicht allein die Juden, sondern auch die Christen Kinder Israels – und augenscheinlich ist es jedem Klarsichtigen, dass der Antisemitismus ein Vorwand war und dass er eigentlich ein Antichristianismus ist. Man hat im Dritten Reich mit dem Boykott jüdischer Geschäfte angefangen, lediglich, um zu dem Boykott christlicher Kirchen vorzugehen. Man hat den Davidstern angespien, um das Kreuz anzugreifen.”
Das 19. Jahrhundert konnte sich über den Gottesglauben lustig machen, konnte ihn als billige Jenseitsvertröstung und “Opium des Volkes“ verhöhnen. Doch nicht ein im Jenseits verharrender Gott provozierte die geistigen Erben von Karl Marx zu Exzessen der Gewalt, sondern der Gott, der in der Geschichte fortwirkt, sie fortwährend in Heilsgeschichte wandelt und zu einem Ziel führt. Die Hybris des Kommunismus erschöpfte sich nicht darin, das äussere Leben des Menschen zu bestimmen und sein Denken zu formen. Er beanspruchte, der Sinn der Geschichte und damit die Antwort auf das Sehnen und Hoffen der Menschen zu sein. Es ist wahr, dass der Kommunismus im Äusserlichen geradezu eine Karikatur von Kirche war, wie Richard Coudenhove-Kalergi 1931 erkannte: “Der Kommunismus ist eine Religion in der Gestalt einer Partei… Diese neue Religion hat ihre Bibel: das alte Testament von Marx und das neue Testament von Lenin. Sie hat ihren Papst, ihre Kardinäle und Kirchenväter, ihre Theologen, Konzilien und Ketzergerichte, ihren Index und ihre Inquisition, ihre Zeremonien und ihre Dogmen, ihre Missionare und ihre Märtyrer, ihren Kult, ihre Symbole und ihre Organisation.”
Nicht zufällig richtete sich der Hass der Kommunisten auf die Gottgläubigen, denn die Ideologie Lenins zielte nicht bloss darauf, die Welt zu erobern, sondern einen neuen Menschen zu schaffen. Nicht “ex nihilo“, sondern aus Masse und Materie wollte der ideologische Materialismus einen anderen, gottlosen Menschen kreieren. Deshalb war sein eigentlicher Feind nicht “der Westen“, sondern der am “creator spiritus“ festhaltende Gläubige. Die Schüsse vom 13. Mai 1981 auf dem Petersplatz galten jenem Mann in Weiss, der zwar – um Stalin zu paraphrasieren – keine Divisionen hatte, aber dem Menschen die ihm eigene Würde neu verkündete.
Theologisch etwas waghalsig könnten wir sagen: Wenn die Christenverfolgungen im Imperium Romanum der Absolutheit des göttlichen Vaters galten, so galten die Christenverfolgungen des braunen und des roten Totalitarismus im 20. Jahrhundert der in dieser Welt wirklichen Wirklichkeit des Heiligen Geistes. Im Sinne dieser trinitarischen Deutung wenden wir uns nun einer Dimension von Christenverfolgungen zu, die in besonderer Weise am Sohn Anstoss nimmt: jener des Islam.
Die Muslime teilen mit gläubigen Christen den Glauben an einen und einzigen Gott, “den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat“, wie das Zweite Vatikanische Konzil in “Nostra aetate“ formuliert. Sie verehren auch, wie das Konzil referiert, Jesus als einen der Propheten und seine jungfräuliche Mutter Maria. Trotz aller inneren Pluralität der islamischen Welt, die mit dem Fehlen eines Lehramts, mit Spaltungen der Umma wie mit der heutigen Identitätskrise des Islam zu tun hat, lässt sich doch generalisierend sagen, dass der Islam strenger Monotheismus ist und Buchreligion im eigentlichen Sinn: Juden und Christen glauben, dass Gott sich in der Geschichte offenbart, während für den Muslim nicht die Geschichte, sondern der Koran – “das Buch, das er auf seinen Gesandten herabgesandt hat“ (Sure 4,137) – der Ort der Selbstoffenbarung Gottes ist. In christlicher Terminologie ausgedrückt: Der ewige Logos wurde nicht Fleisch (wie Christen gemäss Johannes 1,14 glauben), sondern Buch.
Der Islam sieht selbst eine Gemeinsamkeit mit Juden und Christen, denn auch sie haben Anteil an Gottes Wort, das durch die Propheten an sie erging. Deshalb heisst es in Sure 29,47: “Mit den Schriftbesitzern streitet nur auf die anständigste Weise, nur die Frevler unter ihnen seien ausgenommen, und sagt: Wir glauben an das, was uns, und an das, was euch offenbart worden ist. Gott, unser Gott und euer Gott, ist nur einer, und wir sind Ihm ganz ergeben.“
Die Botschaft aller Propheten von Adam über Noah, Abraham, Mose, Elia, Johannes dem Täufer und Jesus bis Mohammed ist nach islamischer Auffassung stets die Einzigkeit Gottes. Wie ein Refrain durchzieht dieses Bekenntnis den Koran: “Euer Gott ist ein einziger Gott. Es gibt keinen Gott ausser Ihm, dem Allbarmherzigen.“ (Sure 2,164). Genau darin wurzelt der muslimische Verdacht, die Christen seien vielleicht doch keine Gottgläubigen, sondern Polytheisten.
Bereits Mohammed verkannte das Geheimnis der Dreifaltigkeit und warf den Christen eine Verfälschung der Lehre Jesu vor: “Ihr Schriftbesitzer, überschreitet nicht die Grenzen eurer Religion und sagt nichts anderes von Gott, als was wahr ist. Wahrlich, der Messias Jesus, der Sohn Marias, ist ein Gesandter Gottes, und das Wort, das Er Maria niedersandte, eine Erfüllung Gottes und Sein Geist. Glaubt daher an Gott und Seinen Gesandten, sagt aber nichts von einer Dreiheit… Es gibt nur einen einzigen Gott. Fern von Ihm, dass Er einen Sohn habe.“ (Sure 4,172). Der Koran präsentiert Jesus (Isa) als Propheten, geboren von der Jungfrau, ja sogar als fleischgewordenes Wort: „O Maria, Gott verkündet dir das fleischgewordene Wort. Sein Name wird sein Messias Jesus, der Sohn der Maria. Herrlich wird er in dieser und in jener Welt sein und zu denen gehören, denen des Herrn Nähe gewährt wurde… Maria erwiderte: Wie soll ich einen Sohn gebären, da mich ja kein Mann berührte? Der Engel antwortete: Der Herr schafft, was und wie Er will.“ (Sure 3,46). So sehr dies an Lukas 1,26–38 erinnert: Der hochgerühmte und (wie Adam) ohne Zutun eines Mannes unmittelbar aus Gottes Willen geschaffene Prophet Isa ist doch Geschöpf und Mensch, nicht Gottessohn und schöpferischer Logos (Joh 1,1–3): “Das ist nun Jesus, der Sohn der Maria… Aber es ziemt sich nicht für Gott, dass Er einen Sohn hätte.“ (Sure 22,35–36).
Der Monotheismus des Islam, der den Alltag tief prägende Glaube an die Allmacht und die Barmherzigkeit Gottes macht es für Christen leicht, Muslime als Gottgläubige anzuerkennen, wie es das Zweite Vatikanum lehrt. Der Verdacht des Tritheismus macht es aber umgekehrt für Muslime schwer, die Christen als Gottgläubige anzuerkennen. So heisst es in Sure 5,73–76: “Wer Gott irgendein Wesen zugesellt, den schliesst Gott vom Paradies aus… Auch das sind Ungläubige, die sagen: ‘Gott ist der dritte von dreien‘, denn es gibt nur einen einzigen Gott… Christus, der Sohn Marias, ist nur ein Gesandter, so wie ihm Gesandte vorangegangen sind.“ So sehr die Einzigkeit, Allmacht und Barmherzigkeit Gottes eine gemeinsame Basis für Christen und Muslime bildet: Der christliche Glaube an die Trinität bleibt unter Häresieverdacht (“Sie haben Gott Geister zugesellt… in Unwissenheit haben sie Ihm Söhne und Töchter angedichtet“, Sure 6,101). Der christliche Glaube an die Inkarnation wie an den Erlösung wirkenden Kreuzestod Jesu bleibt für Muslime ein Ärgernis. Dieses Ärgernis ist der Humus, aus dem immer wieder Christenverfolgungen durch islamistische Regime oder Bewegungen erwachsen.
Christen können gegenüber Muslimen (wie Johannes Paul II. in Marokko) die Gemeinsamkeiten im Gottesglauben aufzeigen, sie können (wie Benedikt XVI. in Jordanien) dazu einladen, sich gegenseitig als Gläubige zu erkennen und anzuerkennen. Aber sie können den Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth nicht verleugnen, weil der allmächtige Schöpfer des Universums nicht in transzendenter Unerreichbarkeit verharren wollte, sondern sich in menschlicher Gestalt verletzbar und angreifbar gemacht hat. Es ist das Holz der Krippe und das Holz des Kreuzes, an dem Muslime Anstoss nehmen – und zu dem sich Christen heute bis ins Martyrium bekennen.
Die eingangs gestellte Frage, warum es in der Geschichte immer wieder zu Christenverfolgungen kommt, ist mit diesen Schlaglichtern nicht befriedigend beantwortet. Belegbar ist aber, dass psychologische und politische Erklärungsmuster alleine nicht ausreichen, dass also auch ein blosses Streben nach gesellschaftlichem Wohlverhalten und politischer Zurückhaltung Christen vor diesem Schicksal nicht bewahrt. Solange die Heilsgeschichte nicht an ihr Ziel gekommen ist, sondern sich in der Unheilsgeschichte der gefallenen Menschheit bewegt, werden Christen zu Verfolgten werden, weil sie nur Christen bleiben können, wenn sie vom Heilshandeln Gottes in der Geschichte Zeugnis geben.
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