Rechtsstaat und Fundamentalismus

Rechtsstaat und Fundamentalismus Diskussionsgrundlage zum Zusammenleben in der Schweiz

https://www.cvp.ch/sites/default/files/Rechtsstaat%20und%20Fundamentalismus.pdf

Herausforderung Fundamentalismus

Die Wahrung des religiösen Friedens und des guten Zusammenlebens der verschiedenen Religionen, Konfessionen und Kulturen in der Schweiz sind der CVP ein wichtiges Anliegen. Das Bewusstsein für die universellen Menschenrechte und die rechtsstaatlichen Grundsätze, gepaart mit ihren Werten Rechtsgleichheit, Freiheit und Eigenverantwortung aber auch Solidarität und Toleranz, ist in der Schweiz tief verankert. Dass wir in der Schweiz diese Grundsätze respektieren, hat uns Sicherheit, Freiheit und Wohlstand gebracht.

Unsere offene und rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung basiert auf einer herausragenden politischen Leistung. Sie ist Erbe unserer christlich-jüdisch geprägten Kultur wie auch unserer politischen Fähigkeit, die historischen religiösen Konflikte mit Vernunft zu überwinden, was uns zum Bundesstaat von 1848 geführt hat – einem der wichtigsten Schritte hin zur Gründung der Schweizerischen Eidgenossenschaft und zu ihrer modernen Organisation.

Das Ergebnis der Auseinandersetzung zwischen diesem kulturellen Erbe und der Aufklärung, verschiedener Auffassungen von Gesellschaft und Wirtschaft, insbesondere von Sozialismus und Liberalismus, sowie die Entwicklung der Naturwissenschaften, aber auch der Literatur, des menschlichen Denkens oder der Psychologie haben zu einem Wertepluralismus geführt, der unsere Gesellschaft und ihre Sitten heute prägt. So koexistieren heute mehrere Orientierungssysteme friedlich nebeneinander, auf die wir uns beziehen können, um die Welt zu verstehen und zu erklären. Es ist darum wichtig, dass Religionen und ihre Anhänger ihren Platz im Einklang mit unserer Gesellschaft suchen und finden, ohne zu versuchen, ihre eigenen Wertesysteme allen aufzuzwingen. Die CVP anerkennt, dass jede und jeder das Recht hat, seine Ansichten frei zu äussern, solange dies nicht die nationale Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die physische oder psychische Unversehrtheit anderer Menschen beeinträchtigt.

Aufgrund ihrer Geschichte ist die CVP immer für Religionsfreiheit eingestanden und betrachtet diese Freiheit als ein wesentliches Element des Rechtsstaates. Darum sind die Religionsfreiheit und die Art, wie sie in unserem Land zum Ausdruck gebracht wird, für die CVP generell keine rein private Angelegenheit.
Der Ausdruck einer Religionszugehörigkeit in der Öffentlichkeit sollte deshalb gewissen Regeln unterliegen, dies jedoch klar unter Wahrung der demokratischen Grundprinzipien und ohne die Grundrechte einzuschränken.
Die CVP versteht unter fundamentalistischen Bewegungen Strömungen, die ohne Nuancierung und Zugeständnisse versuchen, einer Gesellschaft ein einziges Wertesystem und eine einzige Denkweise aufzuzwingen, oder die versuchen, eine Religion zu monopolisieren und sie für ihre eigenen Zwecke zu instrumentalisieren.

In diesem Sinne stellen solche fundamentalistische Bewegungen für offene Gesellschaften eine ernste Bedrohung dar, da sie das friedlichen Zusammenleben, die Prinzipien des solidarischen Gemeinwohls sowie das politische System und die Regierungsführung, wie sie sich seit mehr als 150 Jahren bewährt haben, in Frage stellen. Wie uns die schweizerische und die europäische Geschichte gelehrt haben, bringen Einheitsdenken, konfessionelle Diskriminierungen oder Religionskriege katastrophale Folgen mit sich. Im letzten Jahrhundert brachten fundamentalistische Bewegungen grosses Unglück über unseren Kontinent. In einer Demokratie ziehen Gesetze die Grenze zwischen dem Zulässigen und dem Unzulässigen, dem Akzeptablen und Inakzeptablen. Sie gründen auf einer Reihe von Werten, die seit langer Zeit in unserem Land verankert sind. Aktuell kann der religiöse Fundamentalismus, im speziellen die Instrumentalisierung des Islams für politische Zwecke, dazu führen, dass unsere grundlegenden Rechte und Werte in Frage gestellt werden.
Im Zuge der Migration und der Flüchtlingswellen halten sich zunehmend Menschen bei uns auf, denen die Freiheits- und Gleichheitsrechte der westlichen Gesellschaft fremd sind. Das kann dazu führen, dass das Konzept der Toleranz, des friedlichen Zusammenlebens sowie des solidarischen Gemeinwohls strapaziert wird. Obwohl unsere Gesellschaft anderen Lebensweisen generell mit Offenheit und Toleranz begegnet, ist dieses Konzept zunehmend auf die Probe gestellt.
Die Instrumentalisierung des Islams für politische oder kulturelle Zwecke ist ein Phänomen und eine Herausforderung, die mittlerweile auch in der Schweiz angekommen sind. Augenfällig und öffentlich wird dies unter anderem durch die Intransparenz bei der Finanzierung von muslimischen Vereinen und den Lehren, welche Prediger dort verbreiten. Auf besorgniserregende Weise steigt die Zahl von Kinderehen und Zwangsehen an. Eine aufgeklärte Gesellschaft muss sich dieser Herausforderung stellen, um die gefährliche Entwicklung und Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern. Es geht um die Wahrung des religiösen Friedens und des friedlichen Zusammenlebens der verschiedenen Religionen, Konfessionen und Kulturen in der Schweiz.
Darüber hinaus stellen fundamentalistische Bewegungen auch sicherheitspolitische Herausforderungen dar. Diese Strömungen können gefährlich werden, wenn sie Zwang, Gewalt oder gar Terrorismus einsetzen, um ihre Ziele zu erreichen. Diese Problematik wurde von der CVP bereits in früheren Positionspapieren thematisiert (u.a. „Griffige Massnahmen gegen Gewaltextremismus“, September 2017; CVPAktionsplan zur Flüchtlingsproblematik, Mai 2015; Dschihadismus und Extremismus – Nein zu modernen Söldnern!“, September 2014).

Die CVP verurteilt und bekämpft folglich vehement alle Formen des gewaltsamen Fundamentalismus. Die Werte unserer Gesellschaft zu verteidigen, ist unser Recht und auch unsere Pflicht.
Die CVP hält fest, dass es in diesem Papier nicht alleine um den Islam und auch nicht um den Islam als Religion oder Kultur geht, sondern nur um die möglichen Auswirkungen seiner fundamentalistischen Strömungen, genauso wie bei anderen Religionen oder Ideologien der Fall sein kann. Wir sind uns der Bedeutung bewusst, die der Austausch mit allen hier lebenden und zum Dialog bereiten Gemeinschaften dabei hat.

Tabuthema und längst fällige Debatte

Es ist darum Zeit für eine grundsätzliche Diskussion zu diesem Thema. Die Verantwortlichen der westlichen Staaten tendieren dazu die Virulenz und die Verbreitung der islamischen Ideologie zu Missionierungszwecken zu unterschätzen. Die Debatte wird tabuisiert, was gefährlich ist. Gemäss einer Umfrage der Tamedia im August 2016 bekundeten 50% der Befragten in der Deutschschweiz und gar 55% in
der Westschweiz Angst vor Terrorakten religiös-fundamentalistischer Provenienz. Solche Ängste existieren und sind real. Die Politik, insbesondere auch die Mitteparteien, darf sich den Sorgen und Ängsten der Bevölkerung nicht verschliessen. Ihre Aufgabe liegt darin, heikle Aspekte zu beleuchten und Unbequemes anzusprechen. Toleranz gegenüber anderen Religionen und Kulturen bedeutet nicht Gleichgültigkeit gegenüber intoleranten Strömungen.
Die CVP will deshalb die Debatte über die zentralen gemeinsamen Werte unserer Gesellschaft führen. Die Resonanz, die wir erhalten, seit wir sie lanciert haben, zeigt uns, dass eine breite Öffentlichkeit sich mit den Werten unserer Gesellschaft auseinandersetzen will. Ohne einen Dialog über die Grundlagen, welche unserer offenen, toleranten, christlich-jüdisch geprägten und aufgeklärten Gesellschaft eigen sind, besteht die Gefahr, dass fundamentalistische Bewegungen sich unserer Freiheit bedienen, um diese letztlich einzuschränken. So wie in der Antirassismus-Strafnorm gefährliches rassistisches Gedankengut bestraft wird, soll aus der Sicht der CVP auch entschlossen gegen fundamentalistische Bewegungen, die Gewalt anwenden, vorgegangen werden.
Der bestehende Rechtsrahmen soll gestärkt werden, indem er verständlicher und verbindlicher gestaltet wird, um ein friedliches Zusammenleben der Kulturen und Religionsgemeinschaften zu gewährleisten. Dazu könnten beispielsweise klar nachvollziehbare und verbindliche Integrationsvereinbarungen mit Immigrantinnen und Immigranten dienen. Besonderes Augenmerk bei diesen Vereinbarungen soll den Gleichheitsrechten gelten. Unsere gesellschaftlichen Werte, unser Rechtsstaat und die Europäische Menschrechtskonvention sind zu respektieren.
So soll Parallelrechten vorgebeugt werden.

Unsere verfassungsmässig garantierten Grundrechte gelten für alle und schützen im Speziellen auch die Minderheiten. Mit Respekt für alle Kulturen und Religionen, jedoch ohne die Ursprünge unserer Geschichte zu verleugnen, vertritt die CVP die Auffassung, dass die Grund-sätze des Zusammenlebens, die durch die Schweizer Verfassung definiert sind, sowie die sich daraus ergebende Rechtsordnung
von allen Einwohnerinnen und Einwohner in der Schweiz bedingungslos zu akzeptieren sind.

Wir halten deshalb fest:Rechtsstaatlichkeit und Fundamentalismus betrifft alle politischen Instanzen

Unsere Verfassung bietet die nötige Rechtsgrundlage, um Fragen zu Rechtsstaatlichkeit und Fundamentalismus zu regeln.
Das Parlament und seine Kommissionen sollen sich darum bewusst mit diesen Themen befassen. <
Es ist hingegen insbesondere auch Sache der Kantone, ihre Gesetzgebung anzupassen, um die Grundprinzipien des Zusammenlebens zu gewährleisten.

Von religiösen Rechten sind keine zivilen Rechte abzuleiten:
Kein Parallelrecht und keine Parallelgesellschaften in der Schweiz

Die CVP besteht darauf, dass das christlich-jüdische Erbe und die daraus resultierenden zentralen gemeinsamen Werte unserer Gesellschaft die Grundlagen für das Zusammenleben bleiben. Die Religionsfreiheit wird durch unsere Verfassung und die Gesetze garantiert. Sie steht nicht zur Disposition.
Das heisst aber nicht, dass mit Berufung auf die Religion Rechte abgeleitet werden dürfen, die der Europäischen Menschenrechtskonvention und unserem Rechtsstaat widersprechen. Der Glaube ist zwar Privatsache. Aber Staat und Religion sind zu trennen. Darum hat sich religiöses Recht unseres Erachtens klar dem Rechtsstaat unterzuordnen.

Das bedeutet unter anderem: Wir lehnen das Schariarecht ab. Wir tolerieren keine Kinderehen, auch wenn sie in Ländern geschlossen wurden, wo solche Eheschliessungen erlaubt sind. Den Gefahren von Zwangsehen, welchen hier lebende Frauen und Mädchen ausgesetzt sind, treten wir entschlossen entgegen.

Es muss ausserdem frühzeitig der Entwicklung von Parallelgesellschaften entgegengewirkt werden.

Soziale Normen wie hiesige Umgangsformen, kulturelle Bräuche und Symbole bilden dabei die Grundlage für unser Zusammenleben und sind zu respektieren.
Um Parallelgesellschaften zu unterbinden, braucht es zielführende Integrationsmassnahmen. Eine entsprechend durchdachte raum- und städteplanerische Politik, wie wir sie in der Schweiz kennen, unterstützt das erfolgreiche Entgegenwirken zusätzlich.

Wir stellen uns gegen fundamentalistisches Gedankengut

Wir wollen keine Prediger in der Schweiz, die zu Hass und Gewalt aufrufen. Einreise, öffentliche Auftritte,
vorübergehende Besuche von Fundamentalisten sind ausgehend von den vorhandenen rechtlichen Regelungen zu vermeiden und Verstösse sind entsprechend zu bestrafen. Es liegt aber auch in der Verantwortung der betroffenen Religionsgemeinschaften, sich gegen eine gefährliche Radikalisierung ihrer Mitglieder einzusetzen. Es ist darum wichtig, dass diese Gemeinschaften transparent und
rechtsstaatlich organisiert sind sowie über eindeutige Ansprechpartner für die Behörden verfügen. Eine allfällige offizielle Anerkennung von muslimischen Organisationen – wie auch eine allfällige Imam-Ausbildung in der Schweiz – lehnt eine Mehrheit der CVP zum jetzigen Zeitpunkt ab. Eine solche allfällige Anerkennung liegt unserer Ansicht nach in der Kompetenz der Kantone und sollte zwingend die Überprüfung der Finanzierungsstrukturen der betreffenden Organisationen umfassen.

Wir stellen uns gegen Kleidervorschriften mit diskriminierendem Charakter

Wir sind grundsätzlich der Ansicht, dass in der Öffentlichkeit das Gesicht gezeigt werden soll, dies sowohl aus gesellschafts- als auch aus sicherheits- und integrationspolitischen Gründen. Die CVP stellt sich gegen Kleidervorschriften mit diskriminierendem Charakter, die auch Zwang und Unterdrückung symbolisieren. Solche Vorschriften können eine Integration in unsere Gesellschaft erschweren. Wir befürworten deshalb grundsätzlich ein „Gebot des Gesichtszeigens“ in der Öffentlichkeit. Selbstverständlich
gilt dies auch für den Kontakt mit Behörden.
Das Tragen des Kinderkopftuches an Kindergärten und Schulen wird in unserer Partei zum Teil unterschiedlich bewertet, wobei eine Mehrheit der CVP Schweiz dies ablehnt. Im Bewusstsein, dass diese Frage in gewissen Kantonen jedoch unterschiedlich bewertet wird und im ebensolchen Bewusstsein, dass das Bildungswesen den Kantonen unterliegt, sind die Kantonalparteien frei, entsprechende politische Forderungen einzubringen, sofern sie dies als notwendig erachten.

Gleiche Rechte und gleiche Bildungschancen für alle Kinder

Kindergärten und Grundschulen sind Orte der Freiheit und Gleichheit. Alle Kinder sollen aus unserer Sicht das Recht auf eine gleichberechtigte Entwicklung erhalten. Jedes Kind soll unbelastet von jeglichen Vorurteilen einen kritischen Geist entwickeln können. Die Teilnahme am obligatorischen Schulunterricht stellt für uns eine Selbstverständlichkeit dar, von welcher alleine aus religiösen Vorbehalten keine Ausnahmen geltend gemacht werden soll.

Frauen und Mädchen in Flüchtlingsfamilien spielen eine Schlüsselrolle bei der Integration

Frauen und Mädchen in Flüchtlings- und Migrantenfamilien stehen für die CVP im Fokus, wenn wir eine erfolgreiche Integrationspolitik gestalten wollen. Wir wollen der Diskriminierung, welcher viele Migrantinnen nicht zuletzt in patriarchalen Familienstrukturen ausgesetzt sind, entgegentreten. Insbesondere verurteilen wir Übergriffe auf die physische Integrität von Frauen und Mädchen aus religiösen Motiven.
Gleichstellung soll für alle Frauen und Mädchen in der Schweiz gelten.
Frauen und Mädchen kommt bei der Integration ihrer Familien in unsere Gesellschaft eine besondere Rolle zu. Sie sind deshalb bei Ausbildungs- und Integrationsprogrammen speziell zu fördern. Sie sollen über ihre gesellschaftlichen Rechte aufgeklärt werden. Damit sie von spezifischen Integrationsmassnahmen profitieren und so auch in den Arbeitsmarkt eingebunden werden können, sind entsprechende Rahmenbedingungen wie Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu gewährleisten.

Wir führen eine Debatte über die gemeinsamen Werte unserer Gesellschaft und über unsere kulturelle Identität

Ziel und Zweck dieser Debatte besteht darin, uns als Gesellschaft unserer zentralen gemeinsamen Werte bewusst zu werden, auf welche wir uns trotz unterschiedlicher Vorstellungen für das Zusammenleben verständigt haben. Die CVP Schweiz ist der Ansicht, dass diese gemeinsamen Werte von allen Einwohnerinnen und Einwohnern der Schweiz respektiert werden sollen.

Rechtsgleichheit, Freiheit und Eigenverantwortung aber auch Solidarität und Toleranz. Das sind die
politischen Werte, die zur Identität der modernen Schweiz und darum auch zur Identität der CVP gehören.

CVP. Schweizer Werte mit Zukunft.

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