Wenn Brandstifter Biedermann spielen
Wir leben in einer Zeit der verkehrten Frontstellungen
3. November 2017
Wir leben in einer Zeit der verkehrten Frontstellungen.
Die Augsburger Allgemeine Zeitung (AZ) brachte am 27.10.17 unter der Überschrift „Der Papst braucht Unterstützung“ ein Interview mit Christian Weisner. Im Untertitel heisst es : „Warum und wie Christian Weisner von „Wir sind Kirche“ Franziskus in seinem Reformkurs bestärken will“.
Christian Weisner und die Bewegung „Wir sind Kirche“ sind seit 1995, als sie das sogenannte „Kirchenvolksbegehren“ inszenierten, keine Unbekannten.
Dass ihr „Kirchenvolksbegehren“ 1995 mit seiner Unterschriftenaktion 1,8 Mio Stimmen erreicht hat, liegt an drei Umständen: Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hatte mit seiner Agitation für „Demokratie in der Kirche“ , unter Anette Schavan als Vorkämpferin, Jahre vorher den Weg dafür geebnet. Die religiöse Unwissenheit des Großteils der Katholiken und die fehlende Bereitschaft der Bischöfe über die wahren Absichten der „Kirchenvolksbegehrer“ aufzuklären, liess die Gläubigen ins Messer laufen.
Dieses Verhalten der Bischöfe ist auch deswegen unverständlich, weil im Jahr zuvor in Österreich dieselbe Unterschriftenaktion mit einem Ergebnis von rd. 500.000 Stimmen über die Bühnen ging und alle Diözesanbischöfe von einer Gegeninitative angeschrieben und um eine Hirtenwort gebeten wurden, um die Gläubigen aufzuklären. Es geschah nichts. Ein Frau schrieb damals: „Sollen die Schafe die Hirten hüten?“ Hinzu kam die mediale Unterstützung der „Kirchenvolksbegehrer“ Selbst in lokalen und regionalen Blättern wurde ihre Botschaft ins letzte Dorf getragen und die Stellen angegeben, in denen man sich in die Unterschriftenlisten eintragen konnte.
Die fünf Hauptforderungen der „Kirchenvolksbegeher“ lasen sich in Grossbuchstaben sehr menschenfreundlich: „Aufbau einer geschwisterlichen Kirche“, „Volle Gleichberechtigung der Frauen“, „Freie Wahl zwischen zölibatärer und nichtzölibatärer Lebensform“, „Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen“, „Frohbotschaft statt Drohbotschaft“. Wie immer wurden die eigentlichen Ziele im „Kleingedruckten“ angesprochen. Ziel der „Kirchenvolksbegehrer“ war eine andere Kirche. Jeder kann das im 40-seitigen Dossier von „Publik-Forum“ Nr.2 vom 26.Januar 1996 im Detail nachlesen.
Die Saat war gestreut und wirkt weiter im ZdK, in katholischen Verbänden wie im BdKJ, in den katholischen Frauenverbänden kfd und KDFB ect. Um das „Kirchenvolksbegehren“ selbst ist es ruhig geworden. Würde Christian Weisner als Sprecher des „Kirchenvolksbegehrens“ nicht immer dann, wenn Medien einen Angriff gegen die Kirche starten, aus der Mottenkiste geholt werden, wie im Interview mit der AZ, würde in dieser schnellebigen Zeit kaum noch jemand darüber sprechen.
Es mutet schon grotesk an , wenn Christian Weisner, angesichts dessen, was die „Kirchenvolksbegehrer“ in ihrem 40-seitigen Strategiepapier über Papst und Hierarchie der katholischen Kirche geäussert haben, sich nun als Unterstützer des Papstes aufspielt und für die Unterschriftenaktion „Pro Francis Pope“ wirbt. Ein Kostprobe aus dem Strategiepapier soll das verdeutlichen:
„So wird der Gehorsam gegenüber Rom zum eigentlichen Problem für einen Dialog zwischen einem demokratisch, freiheitlich gesinnten Kirchenvolk und einer hierarchischen , diktatorisch strukturierten Kirchenführung. Der Wert dieses Kadavergehorsams muss vom Kirchenvolk öffentlich in Frage gestellt werden und gleichzeitig seine Problematik in bezug auf Dialogmöglichkeiten bewusst gemacht werden“ (S. 16).
Christian Weisner spricht im Interview ganz enthusiastisch von Papst Franziskus:
„Ich hätte nicht gedacht, dass Franziskus die negative öffentlich Wahrnehmung der katholischen Kirche in so kurzer Zeit derart ins Positive wenden könnte“. Er vergass anzufügen, dass sich die Kirchenaustrittszahlen gegenüber früher wenig geändert haben. Weisner beschwört im Interview den „Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils“ und den „Wunsch nach Erneuerung“: „Wir versuchen , den damaligen Reformkurs am Leben zu erhalten“. Keine der konkreten Forderungen der „Kirchenvolksbegehrer“ ,die im Dossier genannt werden, lassen sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil legitimieren. Deswegen versuchen sie auch nicht entsprechende Quellen aus dem Konzil anzugeben. Es scheint vielmehr, dass die „Kirchenvolksbegehrer“ glauben, dass ihre alten Forderungen die Ortskirche zu verändern, durch Äusserungen von Papst Franziskus zur synodalen Kirche, die den Ortskirchen grössere Freiräume einräumen, nun doch reifen.
Hubert Gindert
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