„Die Angst ist noch immer allgegenwärtig”

Katholik erinnert sich an christenfeindliche Ausschreitungen in Indien vor zehn Jahren

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Katholik erinnert sich an christenfeindliche Ausschreitungen in Indien vor zehn Jahren. Der 23. August 2008 markiert für die christliche Minderheit im Osten Indiens eine Zeitenwende.

Nach dem Mord an einem radikalen Hindu-Führer tötete eine aufgebrachte Menschenmenge im Bundesstaat Odisha rund 1000 Christen. Über 50 000 Menschen wurden vertrieben; rund 6000 Häuser und 300 Kirchen gingen in Flammen auf.

Die meisten Christen im Staat Odisha gehören der Kaste der Dalits an, nach hinduistischer Überzeugung die niedrigste Klasse der Gesellschaftsordnung.

Polizei und Militär sprangen diesen „Unberührbaren“ nicht bei. Schon bei Angriffen vorher waren sie weitgehend tatenlos geblieben. Juristisch geahndet wurden nur Einzelfälle.

Zehn Jahre nach den Ausschreitungen leben die Christen im Osten Indiens noch immer in Lebensgefahr. Die Übergriffe nehmen sogar zu – vor allem, seitdem die hindu-nationalistische Partei BJP die politische Mehrheit im indischen Parlament erringen konnte und mit Narendra Modi den Premierminister stellt.

Strikte Antikonversionsgesetze schränken die Religionsfreiheit stark ein. Die „Gesellschaft für bedrohte Völker“ hat 2017 über 822 Übergriffe auf Christen und andere religiöse Minderheiten gezählt. 111 Menschen seien dabei getötet, 2384 verletzt worden.

Prägende Erinnerungen

Tarun Kumar Nayak war 2008 neun Jahre alt, als die Ausschreitungen begannen. Er hat das Morden gesehen, wurde mit seiner Familie vertrieben. Der 19-Jährige studiert heute Naturwissenschaften.

Die Erinnerungen an damals prägen sein Leben bis heute. Sie beginnen für ihn schon vor den flächendeckenden Ausschreitungen, nämlich an Heiligabend 2007. Tarun hat uns seine Geschichte erzählt:

In meinem Geburtsort Bamunigoan machen Christen und Hindus je die Hälfte der Bewohner aus. Wir lebten friedlich und harmonisch zusammen – bis zum 24. Dezember 2007. Wir Christen hatten die Hauptstraße weihnachtlich geschmückt, wie auch in den Vorjahren. Hindus hatten früher sogar dabei geholfen.

Plünderung von Geschäften

Diesmal war es anders: Eine Gruppe von etwa 200 Menschen kam zum Marktplatz. Sie forderten uns auf, den Weihnachtsschmuck zu entfernen. Außerdem sollten die Geschäfte der Christen sofort schließen. Als sich die Eigentümer weigerten, kam es zur Eskalation: Rund 20 Geschäfte von Christen wurden geplündert und zerstört. Dabei starb ein Mann. 

Da wir fürchten mussten, dass die Extremisten auch uns angreifen, mussten wir noch am Heiligabend fliehen: meine Mutter, meine Geschwister und ich zusammen mit vielen weiteren Gemeindemitgliedern.

Stundenlang rannten wir in absoluter Dunkelheit und großer Kälte. Es waren sogar neugeborene Babys in unserer Gruppe. Das Schlimmste war: Wir mussten unseren Vater zurücklassen. Er war Sprecher der Christen in unserem Dorf und hoffte darauf, mit den Angreifern verhandeln zu können. Er weigerte sich mitzukommen.

„Wir mussten unseren Vater zurücklassen”

Schließlich erreichten wir nach zwei Tagen ein Dorf, indem wir Unterschlupf und Obdach erhielten. Ich habe erlebt, wie sehr der Satz in der Bibel stimmt: ,Ist Gott für uns, wer ist dann gegen uns?῾ Über eine Woche blieben wir dort versteckt.

Von unserem Vater hörten wir nichts. Auch er hatte mittlerweile fliehen müssen. Mehr als 40 Kilometer war er durch den Wald gelaufen und fuhr dann mit einem Bus in die Stadt Berhampur zu Verwandten, weil er meinte, wir seien dort.

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