Ein Seliger aus dem Erzbistum Prag

Gerhard Hirschfelder ist hierzulande wenig bekannt, doch in Polen wird er verehrt

Ein neuer Seliger aus dem Erzbistum Prag
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Die diesjährige Wallfahrt von Kirche in Not unter der Leitung von Prof. Rudolf Grulich vom Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien führte auch in die ehemalige Grafschaft Glatz.

In dieser Region weisen Plaketten und Gedenktafeln häufiger auf einen Mann hin, der in Deutschland nur wenig bekannt ist: den seligen Gerhard Hirschfelder. In Polen wird der 1942 gestorbene Priester dagegen sehr verehrt.

Gerhard Hirschfelder wurde am 17. Februar 1907 als uneheliches Kind in Glatz geboren. Seine Mutter ermöglichte ihrem einzigen Kind den Besuch des Gymnasiums und das Philosophie- und Theologiestudium an der Universität in Breslau als Priesteramtskandidat des Erzbistums Prag, zu dem die Grafschaft Glatz damals noch gehörte.

Bereits in der Gymnasialzeit engagierte sich Hirschfelder in der kirchlichen Jugendarbeit und erkannte früh seine Berufung zum Priester.

Seine nichteheliche Geburt brachte ihm jedoch einige Nachteile ein: Er konnte nicht zusammen mit seinem Weihejahrgang geweiht werden, da die in der damaligen Zeit noch notwendige römische Dispens vom Weihehindernis der unehelichen Geburt nicht rechtzeitig eintraf.

Hirschfelder kam ausserehelich auf die Welt

Ein Kollege seines Weihejahrgangs, Ernst Heinze, schrieb damals: „So konnte unser lieber Hirschfelder nur als Zuschauer die Weihehandlung seines Kurses miterleben; er soll bitterlich geweint haben. Wir alle litten mit ihm.“

Auch seine Primiz konnte er wegen seiner nichtehelichen Geburt nicht „in seiner schönen und vertrauten Heimatpfarrkirche St. Maria Himmelfahrt in Glatz“ feiern, sondern nur in dem sieben Kilometer entfernten Kloster in Bad Langenau seine erste heilige Messe zelebrieren.

Hirschfelder wurde am 31. Januar 1932 im Dom zu Breslau zum Priester geweiht und hatte als Motto seines Primizbildes das Wort gewählt: „Christus, unser Osterlamm ist geschlachtet, alleluja.“ Man fragt sich dabei, ob er ahnte, was dieses Wort in seiner ganzen Fülle und Tiefe für ihn bedeuten würde.

Er war als Kaplan in Grenzeck/Tscherbeney und später in Habelschwerdt beliebt und gewann als eifriger Seelsorger vor allem die Kinder und Jugendlichen, die lieber zu seinen Gruppenstunden kamen als zu den nationalsozialistischen Jugendverbänden. Dadurch geriet er schnell ins Visier der Gestapo und wurde als staatsgefährdend eingestuft.

Die Schikanen setzten ein: Überfälle, Hausdurchsuchungen, Bespitzelungen und Verhöre musste Hirschfelder aushalten. Ihm wurde angedroht, er werde bei weiteren Verstößen gegen die Auflagen „abgeholt“.

Unter Beobachtung der Gestapo

Da sich bei großen Wallfahrten damals mehr als 2000 Jugendliche versammelten, spitzten sich die Auseinandersetzungen zu. Jugendliche warnten Hirschfelder, aber seine Antwort war: „Kinder, ich kann nicht anders, wenn ich sehe, was sich gegen die Kirche und gegen die Menschenwürde tut, ich muss es von Herzen loswerden.“

Eines Tages sollen Mitglieder der Hitlerjugend einen barocken Sandsteinbildstock mit dem Bildnis der Krönung Mariens demoliert, dem Christusbild auf dem Bildstock beide Augen ausgeschossen, den Relieffiguren die Köpfe abgeschlagen und dann den Bildstock umgestoßen haben.

Dieses Ereignis verurteilte Hirschfelder in einer Predigt. Er sagte von der Kanzel: „Wer der Jugend den Glauben an Christus aus dem Herzen reißt, ist ein Verbrecher.“ Daraufhin wurde Hirschfelder am 1. August 1941 während einer verhaftet. Die versammelten Jugendlichen bat er, nach Hause zu gehen, und sagte zu einem Mädchen: „Bete für mich!“

Er sah sich als Werkzeug Gottes

Nach vier Monaten ohne Verhör im Gefängnis von Glatz kam Hirschfelder in das KZ Dachau. Er wurde im Priesterblock untergebracht und erhielt die Nummer 28972. Dort wurde er zu Arbeiten herangezogen, unter anderem auf einer Obstplantage.

Aber auch im KZ blieb er Priester. Er wollte anderen durch sein Leiden Kraft geben und sah sich als Werkzeug Gottes. So schrieb er an seine Verwandten: „Ich opfere alles für Euch auf.“ Hirschfelder ließ die Not seiner Mitgefangenen an sich herankommen und teilte sein Leben, seinen Hunger und seine Bedrängnis mit ihnen.

Hirschfelder schrieb: „Unseren wirklichen seelischen Reichtum kann ja die Welt nicht erkennen. Und so kann der Christ, besonders der Priester, der immer fröhliche Mensch sein, weil Christus, für den wir leben, nicht zu töten ist […]

So werden wir auch nie von der Welt verstanden werden; immer wird sie meinen, wir wären besiegt. In Wirklichkeit hat Christus den Sieg errungen.“

Als Hirschfelder an Paratyphus erkrankte, ließ ihn ein Aufseher zwei Stunden unter der kalten Brause stehen. Durch die Strapazen des KZ geschwächt, konnte er sich nicht mehr erholen, brach zusammen und starb am 1. August 1942. Im Jahr 2010 wurde er im Dom zu Münster seliggesprochen.

Hirschfelder wurde 2010 seliggesprochen

In seinem letzten Brief schreibt er: „Was ist doch alle Welt gegenüber der Herrlichkeit des Himmels, wo es kein Leid, nur Liebe ohne Hass gibt. So wollen wir halt Gottes Willen abwarten und ein starkes ‚Ja‘ dazu sprechen. Er wird es schon gut machen.“

Von Hirschfelder sind aus der Zeit im Gefängnis noch heute viele Texte, Zitate und Briefe erhalten. Bemerkenswerte Gedanken zum Priesterbild nach Paulus brachte er zu Papier und weitere Gebete. Auch verfasste er einen Kreuzweg, der in drei Sprachen zu lesen ist.

„Der Mann ist ein Heiliger”

Als 1946 Polen die Häuser und Wohnungen der ausgewiesenen Deutschen in Glatz bezogen hatten, sollen drei Männer und eine Frau im Wohnzimmer eines Hauses das Bild von Kaplan Hirschfelder gesehen haben. Ein Mann sei plötzlich ganz still und nachdenklich geworden. Er habe sich immer wieder das Bild angesehen und gesagt: „Der Mann ist ein Heiliger, mit dem war ich im KZ.“

Angelika Steinhauer, Institut für Kirchengeschichte von Böhmen-Mähren-Schlesien

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