Syrien – Jugend wird zum Segen
Kirche in Not unterstützt die Arbeit einer orthodoxen Jugendbewegung
Zwei- bis dreimal pro Woche treffen sich in einem kleinen Raum gegenüber der griechisch-orthodoxen Kirche St. Elias im Norden Aleppos über 100 Jugendliche und junge Erwachsene, die meisten von ihnen Studenten.
Ihr Erkennungszeichen ist ein rotes Polo-Shirt mit dem Logo der orthodoxen Jugendbewegung und der bekannten Darstellung des „Christus Pantokrator“, dem segnenden Jesus als Herrscher der Welt.
Auch die Arbeit der jungen Leute ist zum Segen geworden in der Stadt, die aus vielen Wunden des Krieges blutet, selbst wenn die Waffen schweigen. Etwa 4000 notleidende Familien versorgt die orthodoxe Jugendbewegung mit Kleidung, Lebensmitteln, Medikamenten – und das, obwohl die meisten der Freiwilligen selbst kaum das Nötigste zum Leben haben.
„Wir helfen vorrangig christlichen, aber auch muslimischen Familien. Neben den Dingen des täglichen Bedarfs versuchen wir auch, ausgebombten Familien ein Dach über dem Kopf zu verschaffen“, sagt Elias Faraj.
Er ist der „Senior“ unter den jungen Menschen – ein Bauingenieur in Rente, der mit seinem Fachwissen die sozialen Hilfen koordiniert. Der Bedarf ist riesig: Seit Ende 2016 schweigen zwar die Bomben über Aleppo, aber noch immer gibt es in der Stadt nur für wenige Stunden elektrisches Licht. Auch das Wasser ist knapp.
„Krise wird noch lange andauern”
„Unsere Zukunft ist alles andere als rosig. Ich fürchte, die Krise wird noch lange andauern“, bekennt Faraj. Er weiss, wovon er spricht: Während des Krieges wurde er von islamistischen Milizen entführt und drei Tage lang gefangen gehalten, bis seine Familie ein Lösegeld zahlte. Eine seiner Schwestern wurde auf der Strasse von einer Gewehrkugel am Bein verletzt.
„Aber ich verzeihe und setze meine karitative Arbeit fort. Es gibt Menschen, die mich deswegen für dumm halten, aber ich verzeihe. Das ist die wahre Freiheit, die Gott uns schenkt.“
Heute bekommt die Gruppe der jungen Freiwilligen Besuch von Dr. Andrzej Halemba. Der Priester koordiniert im Auftrag von Kirche in Not die Hilfen für den Nahen Osten. Unser Hilfswerk arbeitet seit 2015 mit der orthodoxen Jugendbewegung zusammen – ein Zeichen der Ökumene und ein Zeichen wirksamer Hilfe.
Monatliche Hilfe für 700 Familien
Das wird schon bei der Begrüssung deutlich: „Kirche in Not hat uns dabei geholfen, die Medikamentenversorgung zu sichern und finanziert jeden Monat die Hilfen für 700 Familien“, erklärt einer der Jugendlichen.
„Wir schätzen diese Hilfe sehr. Das gibt uns Hoffnung und Mut, mit unserer Arbeit weiterzumachen“, ergänzt eine junge Frau. Genau dieses Ziel verfolgt Andrzej Halemba mit seinem Besuch: Mut machen. „Ihr seid die Hoffnung Syriens, ein Licht mitten im Dunkel“, ruft er den Jugendlichen zu. Viele von ihnen haben Tränen der Rührung in den Augen.
„Die Hoffnung Syriens”
Die jungen Leute haben des Grauen des Krieges hautnah miterlebt. Die Bomben und die Schüsse waren die Hintergrundmusik ihres jungen Lebens. „Meine Familie und ich hätten nicht überlebt, wenn wir keine Hilfe bekommen hätten“, sagt Joseph Abdo, der an der Universität von Aleppo im dritten Jahr Medizin studiert.
Er habe sich der Jugendbewegung angeschlossen, „um das Gute zurückzugeben, das ich erhalten habe.“ Neben ihm steht die 22-jährige Gadan Naflek: „Ich unterstütze die Arbeit in einem Kindergarten. Ich bin sehr glücklich, anderen helfen zu können, denn so lerne ich zu lieben.“
Doch wie sehen junge Christen die Zukunft in ihrer Heimat Syrien? George Juri atmet tief durch und sagt: „Der Friede ist zerbrechlich. Wir brauchen Stabilität. Unsere Generation muss dieses Land wiederaufbauen.“ Dabei ist für ihn eine Zusammenarbeit zwischen Konfessionen, Religionen und allen gesellschaftlichen Gruppen wichtig. Der 24-Jährige hat gerade sein Ingenieur-Studium abgeschlossen.
„Wenn ich in die Kirche gehe, bete ich für den Frieden und die Nöte der Menschen“, ergänzt Rosa Iwas, die im zweiten Jahr englische Literatur studiert. Sie ist überzeugt: „Wenn man keinen Glauben hat, ist es sehr schwer weiterzumachen.“
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