Ist die Rede Jesu vom Weltgericht eine Drohbotschaft?

kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun

Quelle

Salzburg, kath.net, 23. Oktober 2017

Jesus wollte uns nicht ein gruseliges Märchen erzählen. Sondern Er sprach so realistisch wie ein Physiker über die Gefahren eines Atomreaktors, mit dem man nicht leichtfertig umgehen darf.

kath.net-Klartext von Bischof Andreas Laun

Jesus war kein Professor, Er redet verständlich, entwirft, ja Er malt Bilder mit Worten für Seine Zuhörer, gewaltige Bilder, oder Er erzählt Geschichten, die man vielleicht verdrängen, aber nicht vergessen kann. Ein solches Bild vom Weltgericht hat Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle gemalt. Auch Atheisten bewundern es, aber mit Bewundern verfehlen sie das, was Jesus uns sagen und zeigen wollte: Jesus wollte uns nicht ein gruseliges Märchen erzählen, sondern die Wahrheit sagen über unser Leben, über unser Schicksal, das aber nicht einfach über uns hereinbricht wie eine Krankheit oder eine Naturkatastrophe hereinbricht, sondern das Schicksal, das in unsere Hand gelegt ist: Er sprach so realistisch wie ein Physiker über die Gefahren eines Atomreaktors, mit dem man nicht leichtfertig umgehen darf.

In der Geschichte, die Jesus erzählt, sind wir nicht Schafe oder Böcke, wie wir – gegen die Gender-Verrücktheit – unabänderlich Männer oder Frauen sind, sondern wir sind das, was wir aus unserem Leben machen bzw. gemacht haben!

Auch im AT gibt es eine Geschichte, die genau dasselbe erzählt: König Belschazzar liess die heiligen Gefässe, die sein Vater aus dem Tempel Gottes geraubt hatte, bringen und feierte damit mit seinen Freunden, Frauen und Nebenfrauen ein rauschendes Fest. Da aber erschien an der Wand eine Hand und schrieb etwas, was der König nicht verstehen konnte. Vom König heisst es dann: „Da erbleichte er, und seine Gedanken erschreckten ihn. Seine Glieder wurden schwach, und ihm schlotterten die Knie. Der König schrie laut“ um Hilfe, um jemand zu finden, der verstehen und erklären konnte, was die unheimliche Erscheinung bedeutete. Daniel wurde gerufen, er konnte die Schrift lesen und übersetzen: „Mene mene tekel u-parsi.n Diese Worte bedeuten: Mene: Gezählt hat Gott die Tage deiner Herrschaft und macht ihr ein Ende. Tekel: Gewogen wurdest du auf der Waage und zu leicht befunden. Peres: Geteilt wird dein Reich und den Medern und Persern gegeben.“

Eine solche schreibende Hand gibt es in anderer Gestalt im Leben vieler Menschen. Seelsorge könnte man auch so sehen: Einem Betroffenen helfen, die Mahnung des Himmels zu verstehen, umzukehren und anzunehmen je nach Botschaft! Aber zurück zum „Jüngsten Gericht, wie Jesus es beschrieben hat: „Drohbotschaft“, schreien viele oder lachen darüber, wobei offen bleibt, wie vielen von den Lachern das Lachen eigentlich nicht recht gelingt und doch im Hals stecken bleibt. Vielen geht es wohl so wie den Festspielbesuchern vom „Jedermann“ auf dem Salzburger Domplatz. Fröhlich plaudernd nehmen sie Platz, aber am Ende des Stücks (von Hugo von Hofmannstal) verlassen sie ernst und sogar schweigend den Platz.

Ist die Gerichtsrede also doch eine Drohbotschaft? Ja und Nein! Zunächst das Ja: Wenn sollte man von einer Warnungsbotschaft sprechen, nicht von Drohung. Warnung orientiert sich am Wohl des Gewarnten, Drohung verweist wohl eher in die andere Richtung! Die Warnung, in unlösbarer Verbindung mit dem Gewissen, kann und soll den Menschen in einen buchstäblich heilsamen Schrecken versetzen. Es ist für uns nicht leicht zu verstehen, dass zu dem köstlichen Geschenk unserer Freiheit auch die furchtbare Möglichkeit gehört, endgültig zu Gott nein zu sagen! Der hl. Papst Johannes Paul II. hat einmal die Mafiosi mit dieser Botschaft öffentlich konfrontiert. Solche Bedeutung einer Warnung setzt nicht ausser Kraft, dass Jesus dem Verbrecher neben ihm „heute noch das Paradies“ versprochen hat und dass der Kommandant von Auschwitz, gemäss der Lehre der Kirche, nach seiner Reue und Beichte vor der Hinrichtung wohl im Himmel sein wird.

Nein, nein, und nochmals nein. Der Glaube an das Gericht Gottes ist keine Drohbotschaft, sondern Frohbotschaft: Gott hat eine Antwort auf eine unserer schwersten Fragen: „Wie kann es sein, dass Gott all die grauenhaften Taten von Menschen ungerührt geschehen lässt und nicht eingreift?“ Eigentlich kann man die Antwort schon in den Psalmen finden. Dort heisst es: „Der Herr aber thront für ewig; er stellt seinen Thron auf zum Gericht. Er richtet den Erdkreis gerecht, er spricht den Völkern das Urteil, das sie verdienen. Die hier entscheidende Botschaft lautet: Gott ist gerecht, Er ist nicht senil und sagt am Weltende nicht: „Seid lieb miteinander, so schlimm war es doch nicht…“ sondern Er erinnert sich an das, was geschah, von Auschwitz bis hin zu jedem bösen Wort, das gesprochen wurde ohne Reue. Und darum, weil Gott sich erinnert und eine Antwort hat, dürfen sich die Seinen sogar freuen über Sein Gericht: „Endlich kommt eine Antwort!“ Im Psalm heisst es darum: „In festlichem Glanz sollen die Frommen frohlocken, auf ihren Lagern jauchzen: Loblieder auf Gott in ihrem Mund…“, wenn das Gericht kommt!

In seiner Enzyklika über die Hoffnung stellt sich Benedikt XVI. der Frage, indem er dem Einwand des Philosophen Adorno nachgeht, der sagt, dass Gerechtigkeit, wirkliche Gerechtigkeit, eine Welt verlangen würde, ,,in der nicht nur bestehendes Leid abgeschafft, sondern noch das unwiderruflich Vergangene widerrufen wäre’’. Der Papst antwortet und gibt ihm in seinem ersten Gedankenschritt recht: „Eine Welt, die sich selbst Gerechtigkeit schaffen muss, ist eine Welt ohne Hoffnung.“ Aber dann: „Ich bin überzeugt, dass die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche, jedenfalls das stärkste Argument für den Glauben an das ewige Leben ist: aber nur im Verein mit der Unmöglichkeit, dass das Unrecht der Geschichte das letzte Wort sei, wird die Notwendigkeit des wiederkehrenden Christus und des neuen Lebens vollends einsichtig.“ Darum zusammenfassend nochmals Papst Benedikt XVI.: „Das Bild des Letzten Gerichts ist zuallererst nicht ein Schreckbild, sondern Bild der Hoffnung, für uns vielleicht sogar das entscheidende Hoffnungsbild.“

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