Von zwei Mystikern eingerahmt

Impuls zum 25. Sonntag im Jahreskreis — 24. September 2017

Zenit.org, 22. September 2017, Peter von Steinitz

In diesem Jahr ist der 25. Sonntag eingerahmt von den Festen zweier grosser Heilige, die ganz in der mystischen Tradition der Kirche stehen. Es sind (am Samstag:) der hl. Pater Pio und (am Montag:) der hl. Niklaus von Flüe.

Was diese beiden grossen Heiligen uns heute zu sagen haben, deckt sich genau mit der Botschaft des Sonntags. Jesus erzählt wieder einmal ein Gleichnis, ein sehr populäres, das von dem Gutsherrn, der zu verschiedenen Zeiten des Tages auf den Markt geht, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben. Mit dem Tagelohn von einem Denar sind alle sehr zufrieden. Aber am Abend, wenn die Arbeiter ausgezahlt werden sollen, gibt es Ärger.

Diejenigen, die nur eine Stunde am späten Nachmittag gearbeitet haben, bekommen den gleichen Lohn wie diejenigen, die „den ganzen Tag die Last der Arbeit und die Hitze ertragen“ haben. Allerdings können letztere sich nicht beklagen, denn der Gutsherr hatte von Anfang an einen Denar mit ihnen ausgemacht.

Das Problem ist nach den Worten Jesu nicht ein arbeitsrechtliches, sondern es geht ihm um sehr viel mehr, nämlich darum, was die Menschen mit den ihnen vorgegebenen Voraussetzungen machen, also um das Leben als Ganzes. Scheinbar verstösst der Gutsherr gegen die soziale Gerechtigkeit. Jesus aber will uns zeigen, dass Gerechtigkeit nicht alles ist. Der Gutsherr stellt irgendwie den Herrn dar.

Christus gibt den Lohn, den er mit den Starken vereinbart hat. Dann kommen die Schwachen, denn dass sie erst später auf dem Markt erscheinen, spricht nicht für ihren Arbeitseifer, aber er gibt ihnen ebenfalls einen Denar. Warum tut er das? Offensichtlich nicht, um die anderen zu ärgern. Aber warum dann? Sie tun ihm leid. Er weiss, dass sie bei einem ihrer Arbeitsleistung entsprechenden Lohn nicht über die Runden kommen. Sein Motiv ist Mitleid, letztlich das, was das Arbeitsrecht nicht vorschreiben kann: Liebe. Liebe sieht die Dinge auch der Arbeit in einem übernatürlichen Licht. Oder, wie einmal der hl. Josefmaria gesagt hat: „Die von der Liebe geweiteten Pupillen sehen mehr.“

Der hl.Pater Pio war ein Kapuzinermönch, der zunächst sicher sämtliche Erfordernisse seiner Ordensberufung erfüllt hat. Dann aber kam der Herr, sah, dass er einer der Starken war, und gab ihm eine zusätzliche Arbeit – er sollte in sichtbarer Weise das Kreuz mit Christus tragen. Er protestierte nicht („Das haben die anderen doch auch nicht zu tragen!“), sondern nahm das Kreuz auf sich mit dem übernatürlichen Wissen, dass im Kreuz Heil ist.

Auch seine Ordensbrüder haben nicht protestiert („Warum darf der das auf sich nehmen und wir nicht?“). Sie haben auch nicht die Lauterkeit der Absicht infrage gestellt („Ist das Ganze vielleicht ein frommer Betrug?“), dazu war die Sache zu eingehend geprüft und für richtig befunden worden. Alle Beteiligten sahen die Wundmale des Paters mit übernatürlichen Augen, mit den Augen der Liebe, nicht nur der Gerechtigkeit. Mit der Liebe, weil klar wurde, dass das Mitleiden mit Christus einen tiefen Sinn hat und vielen Menschen zugute kommt.

Dass P. Pio ausserdem aussergewöhnliche mystische Gaben hatte, wie die Seelenschau, hat sein Wirken ungeheuer beflügelt. Im Letzten lief nämlich alles darauf hinaus, möglichst vielen Menschen die Segnungen des Beichtsakraments zukommen zu lassen.

Und wie war das beim hl. Niklaus von Flüe? Ist sein ungewöhnliches Leben nicht auch etwas, das man schwer akzeptieren kann? Gewiss, dass einer nach einem erfüllten Familienleben (zehn Kinder) Frau und Kinder verlässt, ist sicher eine deutliche Ausnahme, denn Gott will im allgemeinen, dass die Familie zu ihrem Recht kommt.

Aber auch hier können wir die Worte des bekannten Liedes ins Spiel bringen: „Was Gott tut, das ist wohl getan“, auch wenn wir es auf Anhieb nicht verstehen. Der hl. Niklaus hat in seiner Klause, die sich übrigens nicht weit von seinem Haus befand (und seine Frau Dorothea war auch einverstanden, weil sie erkannte, dass da Gott seine Hand auf diesen ‚Starken‘ gelegt hatte), eine solche innere Kraft aus Gott und dem alleinigen Empfang der Eucharistie gewonnen, dass er zu seinen Lebzeiten und bis heute als der grosse Friedensstifter angesehen wird.

Auch die nichtkatholischen Schweizer sehen in ihm den ‚Pater Patriae‘, der in der schweren Zeit des ausgehenden Mittelalters das Vaterland im Frieden erhalten hat.

Seit jener Zeit ist die Schweiz von jeder Art von Krieg bewahrt geblieben. Zufall?

In unserer Zeit hat Konrad Adenauer, der ein grosser Verehrer des hl. Klaus gewesen ist, sich, bevor er zu schweren Verhandlungen nach Moskau aufbrach, in die Klause im Ranft begeben und um  die Hilfe des Heiligen gebeten. Überraschenderweise gelang damals die Freilassung der in der Sowjetunion gefangenen deutschen Soldaten.

Versuchen wir, den Gedanken des Herrn zu folgen, und in jedem menschlichen Tun mehr zu sehen als nur das Äussere, Materielle und der Vernunft entsprechende.

Liebe muss dazu kommen.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.  Der Fe-Medienverlag hat einige ZENIT-Beiträge vom Autor als Buch mit dem Titel „Der Stein, den die Bauleute verwarfen“ herausgebracht.

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