Pamplona, Spanien, 8. Oktober 1967

Homilie des Gründers auf dem Campus der Universität von Navarra (Pamplona, Spanien, 8. Oktober 1967)

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Diese Predigt ist ein Schlüsseltext: Der hl. Josefmaria stellt den Geist des Opus Dei bündig vor.

Homilie des Gründers auf dem Campus der Universität von Navarra (Pamplona, Spanien, 8. Oktober 1967)

Gerade habt ihr die feierliche Lesung von zwei Stellen aus der Heiligen Schrift vernommen, die zum Messformular des 21. Sonntags nach Pfingsten gehören.

Durch das Hören des Wortes Gottes habt ihr euch bereits in den Bereich hineinversetzt, in dem sich meine Worte an euch bewegen möchten. Es sind Worte eines Priesters an eine grosse Familie von Kindern Gottes in der heiligen Kirche, Worte also, die übernatürlich sein sollen, die von der Grösse Gottes und der Grösse seines Erbarmens zu den Menschen sprechen und euch auf die eindrucksvolle Eucharistiefeier vorbereiten sollen, die wir heute auf dem Campus der Universität begehen.

Betrachtet einen Augenblick diese Tatsache, die ich gerade erwähnt habe. Wir feiern jetzt die heilige Eucharistie, das sakramentale Opfer des Leibes und Blutes des Herrn, jenes Geheimnis des Glaubens, das alle Geheimnisse des Christentums in sich vereint. Wir feiern die heiligste und erhabenste Handlung, die wir Menschen – dank der Gnade Gottes – in diesem Leben zu vollziehen vermögen. Denn wenn wir den Leib und das Blut des Herrn empfangen, dann entledigen wir uns dadurch in gewisser Weise bereits der Fesseln von Raum und Zeit und vereinigen uns mit Gott im Himmel, wo Christus selbst jede Träne unserer Augen trocknen wird, wo der Tod nicht mehr sein wird, noch Trauer, noch Klagen, denn die alte Welt ist ja vergangen (Offb. 21,4).

Diese tiefe und so tröstliche Wahrheit, der eschatologische Sinn der Eucharistie, wie die Theologen zu sagen pflegen, kann jedoch auch mißverstanden werden. Und in der Tat geschieht das immer dann, wenn man versucht, das christliche Leben rein geistig oder, besser gesagt, rein spiritualistisch aufzufassen; als ein Leben, das nur für jene makellosen, außergewöhnlichen Menschen bestimmt ist, die sich nicht mit den niedrigen Dingen dieser Welt einlassen oder sie allenfalls dulden als jenen Gegensatz zum Leben des Geistes, der nun einmal unvermeidlich ist, solange wir noch auf Erden weilen.

Bei einer solchen Sicht der Dinge wird das Gotteshaus zum einzig wahren Standort des christlichen Lebens. Christsein bedeutet dann, zur Kirche zu gehen, an sakralen Zeremonien teilzunehmen und sich in einer kirchlich geprägten Umgebung abzukapseln, in einer isolierten Welt, die sich als Vorhalle des Himmels darstellt, während die gewöhnliche Welt draußen ihre eigenen Wege geht. Die Lehre des Christentums und das Leben der Gnade würden so den mühsamen Gang der menschlichen Geschichte allenfalls streifen, ihm jedoch niemals wirklich begegnen.

Während wir uns an diesem Oktobermorgen darauf vorbereiten, das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung des Herrn zu feiern, wollen wir dieser verfälschten Form des Christentums ein klares Nein entgegensetzen. Achtet für einen Augenblick auf den äußeren Rahmen unserer Eucharistie, unserer Danksagung: Wir befinden uns in einem einzigartigen Gotteshaus: Das Kirchenschiff ist der Campus der Universität, das Altarbild die Universitätsbibliothek, dort stehen die Maschinen zur Errichtung neuer Gebäude, und über uns wölbt sich der Himmel von Navarra…

Bestätigt euch dieses Bild nicht in klarer und unvergeßlicher Weise, daß das alltägliche Leben der wahre Ort eurer christlichen Existenz ist? Dort, unter euren Mitmenschen, in euren Mühen, eurer Arbeit und eurer Liebe, dort ist der eigentliche Ort eurer tagtäglichen Begegnung mit Christus. Dort, inmitten der durch und durch materiellen irdischen Dinge müssen wir uns bemühen, heilig zu werden, indem wir Gott und allen Menschen dienen.

Ich werde nicht müde, diese Lehre der Heiligen Schrift zu wiederholen: Die Welt ist nicht schlecht, denn sie ist aus den Händen Gottes hervorgegangen. Sie ist Gottes Werk, und Gott betrachtete sie und sah, daß sie gut war (vgl. Gen 1,7ff. ). Wir Menschen mit unseren Sünden und Treulosigkeiten sind es, die sie schlecht und häßlich machen. Zweifelt nicht daran: Für euch, Männer und Frauen der Welt, steht jede Flucht vor den ehrbaren Wirklichkeiten des alltäglichen Lebens im Gegensatz zum Willen Gottes.

Macht euch in dieser Stunde mit neuer Klarheit bewußt, daß Gott euch aufruft, ihm gerade in den materiellen, weltlichen Aufgaben des menschlichen Lebens und aus ihnen heraus zu dienen. Im Labor, im Operationssaal eines Krankenhauses, in der Kaserne, auf dem Lehrstuhl einer Universität, in der Fabrik, in der Werkstatt, auf dem Acker, im Haushalt, in diesem ganzen, unendlichen Feld der menschlichen Arbeit wartet Gott Tag für Tag auf uns. Seid davon überzeugt: Jede noch so alltägliche Situation birgt etwas Heiliges, etwas Göttliches in sich, und euch ist aufgegeben, das zu entdecken.

Den Studenten und Arbeitern, die ich in den dreißiger Jahren um mich sammelte, pflegte ich zu sagen, sie müßten lernen, das geistliche Leben zu materialisieren. Ich wollte sie damit vor der damals wie heute so häufigen Versuchung bewahren, eine Art Doppelleben zu führen: auf der einen Seite das Innenleben, der Umgang mit Gott, und auf der anderen Seite, säuberlich getrennt davon, das familiäre, berufliche und soziale Leben, ein Leben voll irdischer Kleinigkeiten.

Nein! Es darf kein Doppelleben geben. Wenn wir Christen sein wollen, können wir diese Art von Bewußtseinsspaltung nicht mitmachen; denn es gibt nur ein einziges Leben, welches aus Fleisch und Geist besteht, und dieses einzige Leben muß an Leib und Seele geheiligt und von Gott erfüllt werden, dem unsichtbaren Gott, dem wir in ganz sichtbaren und materiellen Dingen begegnen.

Es gibt keinen anderen Weg. Entweder lernen wir, den Herrn in unserem alltäglichen Leben zu entdecken, oder wir werden ihn niemals finden. Es tut unserer Zeit not, der Materie und den ganz gewöhnlich erscheinenden Situationen ihren edlen, ursprünglichen Sinn zurückzugeben, sie in den Dienst des Reiches Gottes zu stellen und sie dadurch, daß sie zum Mittel und zur Gelegenheit unserer ständigen Begegnung mit Jesus Christus werden, zu vergeistigen.

Der echt christliche Geist, der ja die Auferstehung des Fleisches bekennt, hat sich zu allen Zeiten gegen eine falsche Spiritualisierung empört, ohne Furcht, deshalb als Materialismus verurteilt zu werden. Ja, es ist durchaus berechtigt, von einem christlichen Materialismus zu sprechen, der sich mutig allen geistverneinenden Materialismen entgegenstellt.

Was sind denn die Sakramente – Spuren der Menschwerdung, wie die Alten sagten – anders als eine klare Offenbarung dieses Weges, den Gott gewählt hat, um uns zu heiligen und zum Himmel zu führen? Seht ihr nicht, wie Gott sich in jedem einzelnen Sakrament der Materie als Werkzeug bedient, um uns seine Liebe in ihrer ganzen schöpferischen und erlösenden Kraft mitzuteilen? Was ist denn die Eucharistie, die wir in wenigen Augenblicken feiern werden, anders als der anbetungswürdige Leib und das Blut unseres Erlösers, die uns durch die unscheinbare Materie dieser Welt, durch Wein und Brot, die vom Menschen angebauten Früchte der Natur (Gaudium et Spes, 38), dargeboten werden, wie das letzte Ökumenische Konzil sagt?

Wie gut begreiflich ist es, daß der heilige Paulus schreibt: Alles gehört euch, ihr aber gehört Christus und Christus Gott (1 Kor 3,22-23). Er meint jene aufsteigende Bewegung, die der Heilige Geist, der in unseren Herzen wohnt, in der Welt hervorrufen will; eine Bewegung, die von der Erde aufsteigt bis zur Herrlichkeit Gottes. Und damit es ganz klar bleibt, daß diese Bewegung selbst die scheinbar prosaischsten Wirklichkeiten umfaßt, schreibt der heilige Paulus an anderer Stelle: Möget ihr also essen oder trinken oder sonst etwas tun, tut alles zur Ehre Gottes (Kor 10,31).

Diese Lehre der Heiligen Schrift, die, wie ihr wißt, zum Kern der Spiritualität des Opus Dei gehört, muß euch dazu führen, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu verrichten, Gott und eure Mitmenschen gerade dadurch zu lieben, daß ihr in die Kleinigkeiten des Alltags Liebe hineinlegt. So werdet ihr die Spur des Göttlichen entdecken, die in den kleinen Dingen verborgen liegt. Wie treffend sind jene Verse des Dichters: Despacito, y buena letra: / el hacer las cosas bien / importa más que el hacerlas (Wohlgesetzt und ohne Hast; es geht ums Tun, gut getan. A. Machado, “Poesias completas” CL VI. -Proverbios y cantares XXIV. Espasa-Calpe, Madrid 1940).

Ich versichere euch, wenn ein Christ die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags mit Liebe verrichtet, dann erfüllt sich diese Kleinigkeit mit der Größe Gottes. Das ist der Grund, warum ich immer und immer wieder betone, daß die christliche Berufung darin besteht, aus der Prosa des Alltags epische Dichtung zu machen. Himmel und Erde scheinen sich am Horizont zu vereinigen; aber nein, in euren Herzen ist es, wo sie eins werden, wenn ihr heiligmäßig euren Alltag lebt…

Heiligmäßig euren Alltag leben – mit diesen Worten meine ich die ganze Breite eures christlichen Schaffens. Laßt falschen Idealismus, Träume und Phantastereien beiseite, laßt beiseite alles, was ich Blechmystik (S. Anm.) zu nennen pflege: wenn ich doch ledig geblieben wäre, wenn ich doch einen anderen Beruf gewählt hätte, wenn ich doch eine bessere Gesundheit besäße, wenn ich noch jung wäre, wenn ich doch schon alt wäre…! Haltet euch vielmehr nüchtern an die ganz materielle und unmittelbare Wirklichkeit, denn dort ist der Herr: Seht meine Hände und meine Füße; ich bin es, sagt Jesus nach seiner Auferstehung. Rührt mich an und überzeugt euch: Ein Geist hat ja nicht Fleisch und Bein, wie ihr es an mir seht (Lk 24,39).

Wie viele Bereiche eures Lebens werden durch diese Wahrheit erhellt. Denkt zum Beispiel an euer Verhalten als Staatsbürger im öffentlichen Leben. Wer davon überzeugt ist, daß die Welt – und nicht nur das Gotteshaus – der Ort seiner Begegnung mit Christus ist, der liebt diese Welt wirklich; er bemüht sich um eine gute wissenschaftliche und berufliche Ausbildung, bildet sich in voller Freiheit seine eigene Meinung über die Probleme, die ihm begegnen, und trifft dementsprechend auch seine persönlichen Entscheidungen. Als Christ wird er seinen Entscheidungen eine persönliche Besinnung vorausgehen lassen, in der er sich demütig darum bemüht, den Willen Gottes in den kleinen und großen Ereignissen seines Lebens zu erkennen.

Einem Christen wird es jedoch niemals einfallen zu glauben oder gar zu sagen, daß er sich vom Gotteshaus zur Welt herabläßt, um dort die Kirche zu repräsentieren, oder daß seine Ansichten die einzig katholischen Lösungen für die entsprechenden Probleme darstellen. So etwas darf nicht sein! Das wäre Klerikalismus, offizieller Katholizismus, oder wie ihr es sonst nennen wollt. In jedem Fall würde so der wahren Natur der Dinge Gewalt angetan. Eure Aufgabe ist es, überall eine echte Laienmentalität zu verbreiten, aus der sich drei Schlußfolgerungen ergeben:

* man muß anständig genug sein, um die eigene Verantwortung auf sich zu nehmen;

* man muß christlich genug sein, um auch jene Brüder im Glauben zu respektieren, die in Fragen, die der freien Meinung überlassen sind, andere Ansichten vertreten als man selbst;

* und man muß katholisch genug sein, um sich der Kirche nicht für eigene Zwecke zu bedienen und sie nicht in rein menschliche Gruppeninteressen hineinzuziehen.

Es versteht sich von selbst, daß sich diese Vorstellungen von einem heiligmäßig gelebten Alltag kaum verwirklichen lassen, wenn man nicht im Besitz jener vollen Freiheit ist, die dem Menschen – auch nach der Lehre der Kirche – aufgrund seiner Würde als Ebenbild Gottes zusteht. Die persönliche Freiheit – wenn ich von Freiheit spreche, meine ich natürlich immer eine verantwortungsbewußte Freiheit – besitzt eine wesenhafte Bedeutung für das christliche Leben.

Versteht also meine Worte als das, was sie sind: als Aufforderung, tagtäglich und nicht nur in besonderen Notsituationen eure Rechte auszuüben, ehrlich eure staatsbürgerlichen Pflichten in Politik, Wirtschaft, Universität und Beruf zu erfüllen und mutig die Folgen eurer persönlichen Entscheidungen sowie die Bürde der euch zustehenden Autonomie auf euch zu nehmen. Diese christliche Laienmentalität wird euch dazu befähigen, jede Form von Intoleranz und Fanatismus zu meiden; oder positiv ausgedrückt: sie wird euch helfen, in Frieden mit all euren Mitbürgern zusammenzuleben und das friedliche Zusammenleben in den verschiedenen Bereichen der Gesellschaft zu fördern.

Ich weiß, daß es eigentlich überflüssig ist, an all diese Dinge zu erinnern, die ich seit so vielen Jahren immer von neuem wiederhole; die Hochschätzung der persönlichen Freiheit, des friedlichen Zusammenlebens und gegenseitigen Verständnisses ist ja ein wesentlicher Bestandteil der Botschaft, die das Opus Dei verbreitet. So brauche ich wohl auch nicht ein weiteres Mal darauf hinzuweisen, daß die Männer und Frauen, die sich entschlossen haben, Christus im Opus Dei zu dienen, ganz normale Staatsbürger sind, die sich bemühen, ihre christliche Berufung in ernster Verantwortung und mit all ihren Konsequenzen zu leben.

Nichts unterscheidet die Mitglieder des Opus Dei von ihren Mitbürgern; andererseits aber haben sie – abgesehen vom Glauben – nichts mit den Ordensleuten gemein. Ich liebe die Ordensleute, ich schätze und bewundere ihr klösterliches Leben, ihr Apostolat und ihre Lostrennung von der Welt, den contemptus mundi. Sie sind andere Zeichen der Heiligkeit in der Kirche. Aber mir hat der Herr nicht die Berufung eines Ordensmannes gegeben, und sie für mich zu wollen wäre verkehrt. Genauso wie keine Autorität auf Erden mich zwingen kann zu heiraten, so kann auch niemand mich verpflichten, Ordensmann zu werden. Ich bin Weltpriester, ein Priester Jesu Christi, der die Welt leidenschaftlich liebt.

Zusammen mit mir, einem sündigen Menschen, sind viele andere Christus nachgefolgt: Ein geringer Prozentsatz von Priestern, die früher als Laien im Berufsleben gestanden haben; dann eine große Zahl von Weltpriestern aus vielen Diözesen der ganzen Welt, die auf diese Weise ihren Gehorsam gegenüber dem zuständigen Bischof, ihre Liebe und die Wirksamkeit ihrer diözesanen Arbeit festigen und bekräftigen; sie halten die Arme weit geöffnet wie die Arme des Gekreuzigten, damit alle Menschen in ihrem Herzen Platz finden. Wie ich leben sie mitten in der Welt und mitten unter den Menschen, die sie lieben. Und schließlich jene große Schar von Männern und Frauen der verschiedenen Nationalitäten, Sprachen und Rassen, die – in der Mehrzahl verheiratet, viele andere unverheiratet – von ihrer beruflichen Arbeit leben und aktiv an der wichtigen Aufgabe mitarbeiten, die Gesellschaft menschlicher und gerechter zu machen. Seite an Seite mit ihren Mitmenschen gehen sie in persönlicher Verantwortung – ich betone es – ihrer täglichen Arbeit nach, haben Erfolge und Mißerfolge, bemühen sich, ihre Rechte und Pflichten in der Gesellschaft ernst zu nehmen. Sie betrachten sich nicht als etwas Besonderes, sondern verhalten sich, mit Natürlichkeit, wie jeder andere verantwortungsbewußte Christ, wie einer unter ihren Berufskollegen. Aber sie bemühen sich, jenes göttliche Leuchten zu entdecken, das selbst aus den ganz alltäglichen Wirklichkeiten hervorbricht.

Auch die Einrichtungen, die das Opus Die als Vereinigung unterhält, besitzen diese durch und durch säkularen, welthaften Merkmale. Es handelt sich nicht um kirchliche Unternehmungen, die im Namen und Auftrag der kirchlichen Hierarchie verwirklicht werden, sondern einfach um Stätten menschlicher, kultureller und sozialer Bildung, die von Laien ins Leben gerufen und geleitet werden, von Laien, die sich allerdings darum bemühen, in diesen Einrichtungen das Licht des Evangeliums und die Wärme der Liebe Christi zu verbreiten. So ist es zum Beispiel nicht Aufgabe des Opus Dei, noch wird es dies jemals sein, Priesterseminare zu leiten, in denen die Bischöfe, vom Heiligen Geist eingesetzt (Apg 20,28), ihre zukünftigen Priester ausbilden. Hingegen fördert das Opus Dei in der ganzen Welt Bildungszentren für Industrie und Landarbeiter, Grundschulen, Mittelschulen und Hochschulen, sowie vielfältige andere Einrichtungen, denn sein apostolisches Arbeitsfeld – so schrieb ich vor vielen Jahren – ist wie ein Meer ohne Ufer.

Aber warum soll ich mich länger dabei aufhalten, da doch eure Gegenwart beredter ist als viele Worte. Ihr Freunde der Universität von Navarra seid Menschen, die wissen, daß der Fortschritt der Gesellschaft wesentlich von ihnen selbst abhängt. Eure herzliche Teilnahme, euer Gebet und eure opferbereite Hilfe haben nichts mit katholischem Konfessionalismus zu tun. Vielmehr ist eure Mitarbeit ein klares Zeugnis staatsbürgerlicher Gesinnung, die sich um das zeitliche Gemeinwohl kümmert; sie ist der Beweis dafür, daß eine Universität aus der freien Initiative des Volkes gegründet und unterhalten werden kann.

Und so möchte ich von neuem allen für die Mitarbeit an unserer Universität danken, der Stadt Pamplona, der Provinz von Navarra sowie den Freunden der Universität, die aus allen Gegenden Spaniens stammen und unter denen sich zu meiner großen Freude auch Nichtspanier sowie Nichtkatholiken und Nichtchristen finden, die mit Taten beweisen, daß sie Ziel und Geist des Unternehmens verstanden haben.

Sie alle haben Anteil daran, daß die Universität ein immer lebendigerer Brennpunkt staatsbürgerlicher Freiheit, wissenschaftlicher Ausbildung und beruflichen Eifers wird und der Hochschulbildung neue Anregungen vermittelt. Eure großzügige Hilfe ist die Grundlage für die Verwirklichung einer umfassenden Aufgabe, die zur Entfaltung der menschlichen Wissenschaft, zum sozialen Fortschritt und zur Bildung im Glauben beiträgt.

Die Leute von Navarra haben diese Tatsache klar erkannt und sie sehen in ihrer Universität nicht zuletzt einen Faktor für den wirtschaftlichen und besonders für den sozialen Fortschritt der Region; denn die Universität hat vielen ihrer Kinder einen Zugang zu akademischen Berufen eröffnet, der sonst zumindest schwieriger und in gewissen Fällen unmöglich gewesen wäre. Die klare Erkenntnis, welche Bedeutung die Universität für die Region erlangen würde, war ohne Zweifel der Grund für die Unterstützung, die Navarra der Universität von Anfang an gewährt hat, eine Unterstützung, die sicher von Tag zu Tag immer weitgreifender und großzügiger wird sein müssen.

Ich hoffe noch immer – denn es wäre nur gerecht und ist auch in vielen Ländern üblich -, daß eines Tages auch der spanische Staat bereit sein wird, die Last eines Unternehmens zu erleichtern, das keinen privaten Nutzen sucht, sondern sich vielmehr ausschließlich dem Dienst an der Gesellschaft widmet und sich bemüht, wirksam am gegenwärtigen und zukünftigen Wohl des ganzen Landes mitzuarbeiten.

Und jetzt erlaubt mir, daß ich mich einen Augenblick bei einem anderen Aspekt des alltäglichen Lebens aufhalte, der mir ganz besonders am Herzen liegt. Ich meine die menschliche Liebe, die lautere Liebe zwischen Mann und Frau in Brautstand und Ehe. Seit über vierzig Jahren werde ich nicht müde, in Wort und Schrift zu wiederholen, daß diese heilige menschliche Liebe keineswegs etwas nur Erlaubtes oder Geduldetes am Rande der wahren Werte des Geistes ist, wie der falsche Spiritualismus meinen könnte, den ich vorhin erwähnte. Heute beginnen das endlich auch diejenigen zu begreifen, die bisher kein Verständnis dafür aufbrachten.

Die Liebe, die zu Ehe und Familie führt, kann zugleich ein Weg Gottes, ein herrlicher Weg der Berufung und der rückhaltlosen Hingabe an den Herrn sein. Versucht, eure Arbeit so vollkommen wie möglich zu tun, sagte ich vorhin; erfüllt mit Liebe die kleinen Dinge des Alltags, entdeckt – ich wiederhole es – jenes göttliche Etwas, das im Kleinen verborgen liegt. Hier, in diesem so lebendigen Bereich der menschlichen Liebe, gewinnt diese Lehre eine ganz besondere Bedeutung.

Professoren, Studenten und die ihr sonst eure Arbeit der Universität von Navarra widmet: Ihr wißt, daß ich Maria, der “Mutter der schönen Liebe”, eure Liebe anempfohlen habe. Dort steht jene kleine Kapelle, die wir zu ihrer Ehre auf dem Universitätsgelände errichtet haben, damit sie euer Gebet und die Darbringung eurer lauteren Liebe annehme und segne.

Wißt ihr nicht, daß euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wohnt, den ihr von Gott empfangen habt, und daß ihr nicht mehr euch selbst angehört? (1 Kor 6,19) Wie oft werdet ihr vor dieser Statue Mariens, der Mutter der schönen Liebe, mit einem freudigen Ja auf die Frage des Apostels antworten: Ja, wir wissen es, und mit deiner mächtigen Hilfe, Jungfrau und Mutter Gottes, wollen wir es so leben!

Und ihr werdet den Wunsch verspüren zu beten, jedesmal wenn ihr diese eindrucksvolle Wirklichkeit bedenkt: Etwas so Materielles wie meinen Leib hat sich der Heilige Geist erwählt, um darin Wohnung zu nehmen… ich gehöre nicht mehr mir selbst… mein Leib und meine Seele – mein ganzes Sein – ist Eigentum Gottes… Und dieses Gebet wird reich an praktischen Folgen sein, die sich alle aus dem ergeben, was Paulus sagt: Verherrlicht also Gott in eurem Leibe (1 Kor 6,20).

Außerdem müßt ihr euch dessen bewußt sein, daß nur unter denen, die die menschliche Liebe in dieser ihrer ganzen Tiefe begreifen und schätzen, auch ein Verständnis für jenes andere erhabene Gut aufkommen kann, von dem Jesus spricht (vgl. Mt19,11); für jenes reine Gnadengeschenk Gottes, das dazu drängt, Leib und Seele dem Herrn hinzugeben und ihm ohne die Mittlerschaft irdischer Liebe ein ungeteiltes Herz darzubringen.

Ich komme zum Schluß. Zu Beginn sagte ich, daß ich von der Größe und vom Erbarmen Gottes zu euch sprechen wollte; und mir scheint, daß ich das getan habe, indem ich von einem heiligmäßig gelebten Alltag sprach. Ein heiligmäßiges Leben mitten in den irdischen Wirklichkeiten, ohne Lärm, in Einfachheit und Wahrhaftigkeit ist das heute nicht der ergreifendste Ausdruck der magnalia Dei (Sir 18,5), des machtvollen Erbarmens, das Gott zu allen Zeiten bewiesen hat und stets weiter beweist, um die Welt zu retten?

Und jetzt möchte ich euch mit den Worten des Psalms bitten, euch mit mir in Gebet und Lobpreis zu vereinen: Magnificate Dominum mecum et extollamus nomen eius simul (Ps 33,4): Verherrlicht den Herrn mit mir! Laßt uns gemeinsam seinen Namen preisen! Mit anderen Worten: Laßt uns aus dem Glauben leben.

Laßt uns den Schild des Glaubens nehmen, den Helm des Heiles und das Schwert des Geistes, das Wort Gottes (Eph 6,11ff. ), schreibt Paulus an jener Stelle des Briefes an die Epheser, die wir vorhin in der Liturgie des Wortes gehört haben.

Glauben: Wie nötig haben wir Christen diese Tugend, ganz besonders in diesem Jahr des Glaubens, das unser Heiliger Vater Paul VI. ausgerufen hat. Ohne den Glauben fehlt das eigentliche Fundament für die Heiligung des alltäglichen Lebens.

Ein lebendiger Glaube tut uns not, besonders jetzt, da wir uns dem mysterium fidei (1 Tim 3,9), der heiligen Eucharistie, nahen und an dem Ostergeheimnis des Herrn teilnehmen, an dem Geheimnis, das das ganze Erbarmen Gottes zu den Menschen einschließt und verwirklicht.

Glauben brauchen wir, um zu bekennen, daß sich in wenigen Augenblicken hier auf diesem Altar das Werk unserer Erlösung erneuert (Oratio super oblata des 9. Sonntags nach Pfingsten). Glauben, um das Credo aus ganzem Herzen zu beten und hier in dieser Gemeinde, um den Altar versammelt, die Gegenwart Christi zu erfahren, der uns cor unum et anima una (Apg 4,32), zu einem Herz und einer Seele werden läßt und uns in eine Familie, in Kirche verwandelt: in die eine, heilige, katholische, apostolische und römische, das heißt weltweite Kirche.

Und Glauben brauchen wir schließlich, geliebte Söhne und Töchter, um der Welt zu zeigen, daß dies alles nicht bloße Zeremonien und schöne Worte sind, sondern eine göttliche Wirklichkeit, die wir den Menschen durch das Zeugnis eines alltäglichen Lebens darbieten – eines gewöhnlichen Lebens, das mit der Hilfe der Gottesmutter geheiligt wird im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

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