Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt

Dass da keiner umgekommen ist, ist ein reines Wunder  UPDATE

Rom, Die Tagespost, 16.10.2011,  Römische Warte, von Guido Horst

Strassenschlacht in Rom und die geistige Schlacht der “Neuevangelisierer”. Und dann kündigt Benedikt XVI. auch noch ein “Jahr des Glaubens” an.

Mit der Frage, ob ich “in der Nacht auf römischen Plätzen etwas mehr vom Geist dieses Evangelisierungstags im Vatikan einfangen kann”, hatte ich gestern meinen Eintrag beendet, ging dann los und erlebte mein blaues Wunder. Noch heute ist Rom erschüttert, die Politiker rappeln sich zu ersten Stellungnahmen auf. Hundert Verletzte, nicht nur zertrümmerte Geschäfte und verbrannte Autos, sondern auch zerstörte Wohnungen und Gebäude, die in Flammen aufgingen. Eine Kirche wurde geschändet, eine Madonna von Fatima zerschlagen und zertreten, ein Kruzifix zerstört.Mindestens eine Million Euro Sachschaden, die Verluste von Privatpersonen nicht eingerechnet. Das alles natürlich nicht wegen der Neuevangelisierung, sondern weil eine Demonstration von “Indignados” zur Schlacht ausgeartet ist. Wie viele mögen es gewesen sein. Fünfhundert, tausend gewaltbereite Chaoten? Sie hatten sich unter die etwa zweihunderttausend friedlichen Demonstrierer gemischt, die gegen die Banken, den Kapitalismus und die Finanzkrise protestieren wollten. Und auf der Via Merulana – der Strasse, die der Papst bei der jährlichen Fronleichnamsprozession von der Lateranbasilika zu Santa Maria Maggiore hinauffährt – ging es dann los. Mit einer unschreiblichen Gewalt gingen die “black blocs” (so nennt man sie hier – wie nennt man sie in Deutschland?) gegen Polizei und Ordnungshüter vor. Wie immer nahmen sie sich das als Waffe, was vor Ort zu haben war: Sanpietrini, die kleinen schwarzen Pflastersteine, oder Strassenschilder samt Metallpfählen. Geldautomaten wurden eingeschlagen, Schaufenster zertrümmert, Brandsätze auch in Privathäuser geschleudert. Direkt vor San Giovanni in Laterano, der Basilika des Papstes, kam es zur Entscheidungsschlacht. Ein Kleinbus der Carabinieri ging in Flammen auf. Man wusste zunächst nicht, ob ihm die Polizisten entkommen konnten. Immer wieder riefen Ordnungshüter vom Handy aus ihre Familien an, dass sie noch am Leben seien. Dass da keiner umgekommen ist, ist ein reines Wunder

Aber das Blut floss in Strömen. Heute noch, am Sonntag darauf, stehen die Anwohner, die sich das Schauspiel ansehen mussten, unter Schock.

Das war also der Abend, den ich eigentlich mit den friedlichen “Neuevangelisierern” verbringen wollte, die in einigen römischen Innenstadtkirchen Jesus Christus im Altarssakrament anbeteten und auf den Strassen und Plätzen vor allem junge Menschen ansprachen und einluden, mit in die Kirche zu kommen. Dort warteten Priester in den Beichtstühlen.

Und dann kündigt heute Papst Benedikt auch noch ein Jahr des Glaubens an. Am fünfzigsten Jahrestag der Eröffnung des Zweiten Vatikanums, dem 11. Oktober 2012, soll es beginnen, am Christkönigsfest, dem 24. November 2013 wird es enden. Also, mit einem Wort: Alles kam anders, als ich dachte. So geht es im Journalisten-Leben. Nachzulesen dann in der Tagespost vom Dienstag. Bis dahin!

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