Einmalige und einzigartige Erfahrung, die bleibt

Tiefe, Stille, Freude, Demut und auch Dankbarkeit, dass er den Weg gehen konnte, empfand Erzbischof Franz Lackner beim Pilgern auf dem Jakobsweg

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Er hat auf den mehr als 800 Kilometern nach Santiago de Compostela immer wieder für alle Menschen der Erzdiözese gebetet.

Salzburg,  (Rupertusblatt/kap – 13.10.2016)

“Ich bin dann mal weg”: Dieser Titel des bekannten Jakobsweg-Reiseberichts des deutschen Entertainers Hape Kerkeling galt in den vergangenen Wochen auch für den Salzburger Erzbischof Franz Lackner. 25 Tage lang pilgerte er zu Fuss auf dem Jakobsweg von den französischen Pyrenäen bis ins spanische Heiligtum Santiago de Compostela. Und zwar “als Dank für das Leben, als Dank für die Berufung zum Bischof und als grosse Bitte, dass wir in Europa zur Gabe des Lebens auch Ja sagen”, wie Bischofssprecherin Heidi Zikulnig mitteilte.

Im Interview mit Julia Wadl vom Rupertusblatt hat er von den Begegnungen, beeindruckenden Erlebnissen und den ganz praktischen Problemen des Pilgerns berichtet.

RB: Wie geht es Ihnen jetzt nach knapp vier Wochen pilgern? Wie waren die Bedingungen?

Erzbischof Lackner: Das Wetter hätte nicht besser sein können – als wir vom Start im französischen Saint-Jean-Pied-de-Port (Heiliger Johann am Fusse des Passes) über den Grat der Pyrenäen gingen, hatte es noch weit über 30 Grad, aber der Wind wehte, es war erträglich. Am nächsten Tag sind mein Begleiter  und ich nass geworden, aber danach hatten wir immer gutes Wetter.

Jetzt schmerzt der ganze Körper etwas, der erste Tag ohne 10-Kilo-Rucksack war eine grosse Erleichterung. Ich habe ein paar Blasen, aber ich bin in Santiago angekommen und freue mich, dass ich es geschafft habe.

RB: Wenn es heiss ist, Blasen an den Füssen drücken… wollten Sie auch einmal aufgeben?

Erzbischof Lackner: Nein, daran habe ich nie gedacht. Es war schwer, so weit bin ich noch nie gegangen, aber mir ging es körperlich gut. Ich habe viele Anliegen mitgenommen von Menschen, denen es schlecht geht, und für sie gebetet. Auch das Schwere muss im Glauben Platz finden. Dass es über Berge geht und steinig ist, gehört ebenso zum Glaubensleben dazu.

RB: Wie lange hat es gedauert, um in den „Pilger-Rhythmus“ zu kommen, Gedanken auszuschalten?

Erzbischof Lackner: Die Gedanken schalten sich bei mir selten aus. Man kommt schon in einen Rhythmus aus Gehen und Beten –  ich habe viel Rosenkranz und Brevier gebetet. Aber ich war von Anfang an in diesem Takt.

RB: Immer mehr Menschen gehen den Jakobsweg. Wie begegneten Sie den vielen Mitpilgern? Konnten Sie trotzdem innere Einkehr finden?

Erzbischof Lackner: Es pilgerten sehr viele Menschen, obwohl ich gehört habe, dass es oft mehr sind. Vor allem vormittags war es dicht. Die meisten suchen ab 14 Uhr ein Quartier, wir sind bis 18 oder 19 Uhr gegangen. Da ich den Franziskanerhabit trug, wurde ich von vielen angesprochen. Ich habe Beichte gehört und Menschen gesegnet. Ein Mann ging mit der Asche seines Sohnes, er hat mich gebeten, ihn zu segnen. Auch mit Menschen, die nicht gläubig sind, führte ich religiöse Gespräche.

Nachmittags waren wir eher alleine am Weg. Ich bete gerne beim Gehen – auch in Salzburg gehe ich oft mit dem Rosenkranz durch die Stadt. Der Glaube hat viel mit Bewegung zu tun. Man muss viel gehen, die Pausen dürfen nicht zu lange sein, sonst wird man träge. Einige Fügungen haben sich auch ergeben – der Camino gibt, was man braucht.

RB: Wie sah ein Pilger-Tag aus?

Erzbischof Lackner: Wir sind durchschnittlich 32 Kilometer am Tag gegangen, einmal sogar mehr als 50 Kilometer. Um sechs Uhr ging es mit Stirnlampe los, da war es noch dunkel. Nach drei Stunden, etwa 15 Kilometer später, machten wir eine Rast, um zu frühstücken. Diese Stunden am Morgen, der Sonnenaufgang, laden besonders zu Besinnung und Betrachtung ein. Die heilige Messe in der Natur zu feiern, auch einmal alleine, wurde mir zu einem besonderen Erlebnis. Der Camino birgt eine ganz persönliche Erfahrung. Ich bin viel alleine gegangen, man hilft sich gerne am Abend ein Quartier zu finden. Es ist alles recht gut organisiert, doch gilt es dabei oft, sprachliche Barrieren zu überwinden.

RB: Früher war das Pilgern religiöser motiviert. Heute versuchen immer mehr auch von Hektik und Reizüberflutung des Alltags zu flüchten. Haben Sie das gespürt?

Erzbischof Lackner: Es stimmt, man trifft viele verschiedene Menschen auf dem Jakobsweg.  Aussteiger, Esoteriker, auch solche, die nicht religiös sind, haben mich angesprochen. Sie gehen einen Weg, der ein Glaubensweg ist. Alle gehen den Weg friedlich und haben als gemeinsames Ziel: die Kathedrale in Santiago.

RB: Können Sie dem bekannten Spruch „Der Weg ist das Ziel“ zustimmen?

Erzbischof Lackner: Mit dieser Festschreibung tue ich mir schwer. Das Gehen, der Weg sind wichtig, das Ziel ist aber die Ankunft in Santiago. Schon viele haben sich auf den Weg dorthin gemacht: der hl. Jakobus, der hl. Franziskus, der hl. Papst Johannes Paul II. Als ich die Statue des hl. Jakobus am Hochaltar berührt habe, war ich innerlich sehr bewegt. Es war ein Gefühl von Angekommen-Sein, der Weg führt nicht ins Leere.

RB: Hat Sie das Pilgern persönlich und für das Bischofsamt gestärkt?

Erzbischof Lackner: Ich weiss nicht, ob man gestärkt sagen kann. Mich erfüllt eine grosse Dankbarkeit, dass ich unterwegs sein konnte und bei der Pilgermesse in Santiago der Eucharistie vorstehen durfte. Tausende Menschen, viele Priester und ein Bischof von den Philippinen feierten mit. Es gibt drei Gründe, warum ich gepilgert bin: Als Dank für das Leben. Die hl. Klara sagte auf ihrem Sterbebett: „Herr, ich danke dir, dass du mich erschaffen hast.“ Der zweite Grund ist der Dank für die Berufung zum Priester, zum Franziskaner und Bischof. Der dritte Grund ist eine grosse Bitte: Dass wir in Europa zur Gabe des Lebens neu Ja sagen, dass wir uns unserer christlichen Berufung neu bewusst werden. Für mich war es auch ein Weg der Busse. Es geschehen Fehler, Busse zu tun für das nicht Gelungene in unserem Leben gehört zu unserer christlichen Berufung dazu. Alles zusammengefasst spüre ich keine grosse Erleichterung, aber grosse Dankbarkeit und Demut. Man wird klein, wenn man so einen langen Weg geht.

RB: Wie empfanden Sie die abschliessende Pilgermesse?

Erzbischof Lackner: Jeden Tag um 12 Uhr wird Pilgermesse gefeiert und ich habe mich zum Konzelebrieren angemeldet. Der Kustos der Kathedrale meinte aber, ich soll der Feier vorstehen. Da ich kein Spanisch kann, feierte ich die Messe auf Italienisch. Es war ein tiefes Erlebnis: am Tag zuvor alleine im Schatten eines Baumes, nun in der altehrwürdigen Kathedrale. Nach dem Schlussgebet wurde das Weihrauchfass geschwungen, der Weihrauch wird mit einer Schaufel eingelegt, nicht wie bei uns mit einem Löffel. Sechs Männer müssen das Fass in die Höhe ziehen. Durch die Dynamik, die dabei entsteht, schwingt das Fass fast bis zur Decke.

RB: Es sind also bleibende Eindrücke entstanden?

Erzbischof Lackner: Es ist eine einmalige, einzigartige Erfahrung, die bleiben wird; ich würde das Pilgern auf dem Jakobsweg jedem empfehlen. Bedanken möchte ich mich bei allen sehr herzlich, in erster Linie bei der Diözesanleitung, dass diese Wallfahrt möglich war. Öfters wurde ich gefragt, wie ein Erzbischof am Anfang eines Arbeitsjahres so lange weg sein kann. Es war mein Wunsch zum 60. Geburtstag, mir wurde dadurch viel Zeit für das Gebet geschenkt: für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die vielen Ehrenamtlichen, für all jene, die uns als Kirche anvertraut sind. Ihnen allen meine herzlichen Segenswünsche vom Grab des heiligen Jakobus.

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