Diakonenweihe in Ibach, 8. Oktober 2016

Homilie von Bischof Vitus anlässlich der Diakonenweihe in Ibach am 8. Oktober 2016

Quelle

Brüder und Schwestern im Herrn,
liebe Weihekandidaten Martin, Philipp und Andreas

Sie „begehrten auf“ (Apg 6,1), heisst es in der Apostelgeschichte. Wir befinden uns in einer christlichen Gemeinde. Zu vergleichen wäre das heute mit einer Pfarrei, vielleicht mit einem Dekanat. Nun, so lesen wir, begehrten die Hellenisten gegen die Hebräer auf. Der Grund war die Ungerechtigkeit. Die Hellenisten stellten fest, dass ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden, beim täglichen Dienst heisst es wörtlich. Im griechischen Text, im Urtext, im bestimmenden Text, finden wir für diesen „täglichen Dienst“ den Ausdruck δια-κονίᾳ. Damit sind wir beim Begriff, der uns heute begleitet. Denn wir feiern die Weihe von Diakonen. Das ist der Anlass, der uns zusammengeführt hat: Das sechste Sakrament, die Aufgabe, das Amt eines Diakons.

Beim Aufbegehren der Hellenisten ging es also um die Existenzgrundlage von Menschen. Es ging um Nahrung, allenfalls auch um Kleidung. Wahrscheinlich waren die Hellenisten die Fremden, und die Hebräer die Einheimischen, oder einfach die eigenen Leute gegenüber anderen. Man hat die eigenen Leute bevorzugt, die andern vernachlässigt. Das führte zu einem Konflikt.
Der Konflikt kam nun vor die Zwölf, vor das Kollegium der Apostel. Sie suchten nach einer Lösung. Bemerkenswert ist, dass sie keine Zeit mit diesen alltäglichen Dingen verlieren wollten. Sie hatten andere Aufgaben zu erfüllen: „Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und uns dem Dienst an den Tischen widmen“, sagen sie (Apg 6,2). Auch hier finden wir beim „Dienst an den Tischen“ den griechischen Ausdruck διακονεiν.

Das Amt des Diakons ist aus einer Konfliktsituation herausgewachsen. Die junge Kirche hat erkannt, dass ihre Gemeinschaft für das Alltägliche, für das Lebensnotwendige der Menschen einen eigenen Stand braucht, einen Stand, der sich um das Alltägliche kümmert, um Speise und Trank, um Kleidung und Wohnung der Armen, der Verlassenen, der Benachteiligten. Daraus ist die Caritas der Kirche hervorgegangen, die karitativen Werke, die Werke der Barmherzigkeit.

Die Diakonie ist ein wichtiger Auftrag der Kirche. Sie gehört zu den drei grundlegenden Aufgaben der Kirche. Der Diakon ist der Mann der Caritas. Er muss ein besonderes Auge haben für die Nöte der Menschen, für die materiellen Nöte. Er muss Leute um sich sammeln, welche diesen materiellen Nöten Abhilfe leisten. – Der Diakon muss aber auch einen Blick haben für die seelischen Nöte des Menschen. Daher hat die Kirche dem Diakon von Anfang an nicht nur den „Tischdienst“ anvertraut. Sie hat ihn auch gleich in die Heilung der seelischen Nöte einbezogen. Und welches ist die grösste seelische Not des Menschen? Die Glaubensnot. Die Abwesenheit von Glauben. Die Unkenntnis des Glaubens. Der Mangel an Glauben. Deshalb sollte sich der Diakon von Anfang an auch an der Verkündigung des Glaubens beteiligen. Er sollte den Menschen auch den Tisch des Wortes Gottes bereiten, nicht nur den Tisch des Brotes.

Der Dienst, die διακονία, die Bereitschaft zum Dienst, die Fähigkeit zum Dienst ist für die Kirche so bedeutend geworden, dass sie die Diakonenweihe zur Vorstufe der Priesterweihe erklärt hat. Nur wer bereit ist, den Menschen in den Bedürfnissen des Alltags beizustehen, nur wer diese Bedürfnisse ernst nimmt, qualifiziert sich für die Priesterweihe. Die Grundlage des dreifachen Weihesakramentes – Diakonenweihe, Priesterweihe, Bischofsweihe – ist der Dienst, die διακονία. Selbst wenn mit diesen Diensten auch ein Leitungsauftrag verbunden ist, und damit auch Autorität, so ist es immer im Sinne des Dienstes an den Menschen, an der Gemeinschaft, vor allem zum Heil der Seelen.

Dem Dienst entsprechend sieht auch das Profil des Diakons aus. Der heilige Paulus legt es uns im ersten Brief an Timotheus vor, wenigstens einige Punkte (3,8-1): „So sollen die Diakone sein: achtbar, nicht doppelzüngig, nicht dem Wein ergeben und nicht gewinnsüchtig; sie sollen mit reinem Gewissen am Geheimnis des Glaubens festhalten. Auch sie soll man vorher prüfen, und nur wenn sie unbescholten sind, sollen sie ihren Dienst ausüben“. Zu diesem Profil kommt noch das hinzu, was Jesus im Evangelium sagt. Das ist wohl der höchste Anspruch des Profils: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt. Bleibt in meiner Liebe! Wenn ihr meine Gebote haltet, werdet ihr in meiner Liebe bleiben, so wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“ (Joh 15,9-10). Die Liebe zum Herrn ist die Grundlage eines guten Dienstes. Die Liebe zum Herrn ist die Grundlage für den Dienst an den Menschen. Die Liebe zum Herrn ist die Grundlage für die Aufgabe, welche Ihr, Andreas, Martin und Philipp nun wahrnehmt. Hinter dem Wort Liebe steht an dieser Stelle der griechische Ausdruck ἀγάπη. Das ist die Liebe in ihrer wohlwollenden Zuneigung zum Du, die eben bis zur Hingabe des eigenen Lebens für das Du gehen kann. Es ist die Liebe, welche das ewige Heil des Du will, das Heil der Seele. Jesus sagt es: „Es gibt keine grössere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt“ (Joh 15,13). Jesus meint damit die Hingabe um des ewigen Heiles willen, die Hingabe, welche er in seiner Person verwirklicht hat.

Letzthin haben mir Firmlinge die Frage gestellt: Wer oder was ist Ihnen wichtiger im Leben: Der Mensch oder der Glaube? Ich habe darauf geantwortet: „Dieses ‘oder’ gefällt mir nicht. Es gibt kein ‘entweder oder’. Es gibt nur ein ‘sowohl als auch’. Der Glaube als auch der Mensch sind mir wichtig. Dabei steht der Glaube an erster Stelle. Warum? Weil mir nur der Glaube – das heisst Gott, denn beim Glauben geht es um Gott – weil mir nur der Glaube den rechten Blick für den Menschen gibt. Ich kann dem Menschen nur durch den Glauben – das heisst durch Gott – gerecht werden“. Das entspricht denn auch den Worten des heutigen Evangeliums: „Wie mich der Vater geliebt hat, so habe auch ich euch geliebt“ (Joh 15,9). Für Jesus ist die Liebe des Vaters das Mass seiner Liebe zu den Jüngern. Deshalb bitte ich Euch, meine lieben Philipp, Andreas und Martin: Geht in der Liebe des Vaters, die Euch Jesus schenkt, auf die Menschen zu. Nehmt dort, in der Liebe des Vaters, das Mass der Liebe zu den Menschen, welche Euren Dienst begleiten soll, begleiten muss. Dann seid Ihr Freunde des Herrn, nicht Knechte.

Amen.

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