Mose und die Propheten müssten eigentlich genügen

Impuls zum 26. Sonntag im Lesejahr C — 25. September 2016

Quelle

Heiliger Erzengel Michael, beschütze uns im Kampf…!“, so betet die Kirche, wohl wissend, dass sie den Kampf gegen böse Mächte nicht allein führen kann. Die Engel – das ist ein Glaubenssatz – sind reale Personen, den Menschen ähnlich, aber ohne einen materiellen Körper. Sie haben die von Gott gegebene Aufgabe und Macht, die Menschen zu schützen. Nicht wie Polizisten oder Soldaten, sondern auf einer anderen, nämlich geistigen Ebene.

Angesichts der Wucht des Bösen in der Welt – Terrorismus, Krieg etc., sowie der subtileren Formen des Vernichtens wie Abtreibung und Euthanasie – sollten wir dankbar sein, dass wir  durch die Vorsehung Gottes diese Helfer haben.

Die meisten Christen werden diese Helfer zwar nicht missachten, aber fast alle machen den Fehler, dass sie es unterlassen, ihre Hilfe zu erbitten. „Die Engel wissen doch, wo wir ihre Hilfe brauchen, das müssen wir ihnen doch gar nicht erst sagen“, so denken viele Christen. Dahinter steckt ein grosser Irrtum, nämlich ein Missverständnis über die Bedeutung der Freiheit. Gott gab uns eine sehr weitreichende Freiheit. Im öffentlichen Leben ist sehr oft die Rede von der Freiheit, aber richtig verstehen kann sie eigentlich nur derjenige, der Gott in sein Denken mit einbezieht. Wenn Gott aussen vor bleibt, ist Freiheit meistens nur Abwesenheit von Zwang oder – noch weniger – die Möglichkeit zu machen, was man will.

Nach dem Willen Gottes ist der Mensch aber in erster Linie frei, damit er sich für Gott entscheiden kann, denn er hasst die Gewalt. Er will uns nicht zwingen, auch nicht zum höchsten Glück. Ausserdem hat er selber grösstes Interesse daran, dass ‚alle Menschen gerettet werden‘ Aber nur, wenn der einzelne Mensch das auch wirklich will.

Das war schon bei den Engeln so, dass er ihnen im Anfang nach ihrer Erschaffung eine Gelegenheit gegeben hat, sich für ihn oder gegen ihn zu entscheiden. Eine bestimmte Anzahl der Engel machte schlechten Gebrauch von der Freiheit und stürzte. Alles Gute, das sie von ihrem Schöpfer bekommen hatten, verloren sie und mutierten so zu Dämonen, die nur Hass, Neid und Gewalt kennen. Ihr grösstes Bestreben ist, uns Menschen, die wir Gottes Lieblinge sind, von Gott, den sie verloren haben, wegzuziehen.

Wenn nun der Schutzengel oder ein Heiliger oder gar die Muttergottes selbst für uns Fürsprache einlegen, wird Gott sie fragen: Bist du sicher dass der Betreffende diese Hilfe wirklich will? Denn noch einmal: Gott drängt sich nicht auf.

Man könnte es vergleichen mit jener Stelle aus der Geheimen Offenbarung, wo der Herr sagt: „Siehe ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür auftut, zu dem werde ich hineingehen und mit ihm Mahl halten und er mit mir“ (Off 22,17). Ein wunderschönes Wort, es zeigt aber auch, dass alles von unserer Zustimmung abhängt: wenn wir die Tür nicht aufmachen, tritt er nicht ein.

Im Tagesgebet des Michaelsfestes heisst es: „Gib, dass die Macht des Bösen nicht überhand nimmt!“ Wenn wir heute den Eindruck haben, dass das Böse überhand nimmt, liegt es sicher daran, dass wir zu wenig um Schutz und Hilfe bitten.

Natürlich müssen wir mit Glauben bitten. Vielen Menschen hat man durch eine allzu rationalistische Exegese den Glauben an die Engel ausgetrieben. Wir dürfen uns daher nicht wundern, dass die Menschen dann die Engel woanders suchen, z.B. bei den Esoterikern.

Im heutigen Sonntagsevangelium bietet uns die Heilige Schrift ein weiteres Beispiel für die weitreichende Güte Gottes, der alle seine Kinder retten und bei sich haben will. In der Geschichte vom armen Lazarus, die Jesus erzählt, sieht es zunächst so aus, als würde Gott seine Hilfestellungen zu unserem Heil restriktiv behandeln. Der reiche in der Hölle begrabene Prasser bittet den in der Ferne sichtbaren Vater Abraham, dass er den nun seligen armen Lazarus zu seinen Brüdern schicken solle, damit sie nicht auch ‚an diesen Ort der Qual’ kommen müssen. Abraham lehnt ab, denn sie würden auch nicht aufgrund einer Erscheinung glauben. „Sie haben Mose und die Propheten“, das genügt, damit der Mensch das Heil findet. „Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht“ (Lk 16,31).

Was Jesus im Anschluss an diese Erzählung nicht sagt (auch zu dem Zeitpunkt noch nicht sage konnte), ist, dass Gott in seiner grenzenlosen Güte uns Menschen de facto sehr viel mehr Hilfestellungen gibt als ‚Mose und die Propheten’, und zwar im Laufe der Jahrhunderte fortschreitend immer noch mehr. Zwar würde es tatsächlich – wenigstens theoretisch – genügen, wen einer sich mit Mose und den Propheten, also dem Alten Testament, beschäftigte. Er würde dann wissen, was man tun und lassen soll, um selig zu werden. Dennoch war es die Himmlischen Vater durchaus nicht genug. Bedenken wir, was er uns seitdem an weiteren wunderbaren Hilfen gegeben hat und ständig noch gibt:

  • die Menschwerdung seines Sohnes,
  • das von ihm verkündete Evangelium,
  • sein heilbringendes Leiden und seine Auferstehung,
  • diejenige, die ihm selbst das Liebste ist, seine Heilige Mutter,
  • die Ausgiessung des Heiligen Geistes,
  • die Kirche mit ihren Sakramenten und weiteren Gnadenmitteln,
  • das leuchtende Beispiel so vieler Heiligen, zu denen immer neue hinzukommen,
  • der immer deutlicher vorgetragene Hinweis auf die göttliche Barmherzigkeit durch die letzten Päpste

Aber damit immer noch nicht genug: es hat seiner heiligsten Mutter gefallen, nach der guten Erfahrung bei der Hochzeit zu Kana, immer wieder mit ihrer mütterlichen Fürsprache für uns in die Bresche zu springen. In auffallender Häufigkeit ist sie in den letzten zweihundert Jahren überall auf der Welt erschienen, um zu mahnen, also den Ruf nach Umkehr, der im Evangelium  ja schon ausreichend zu erkennen ist, zu wiederholen, wobei sie in Kauf nimmt, dass sie dabei in den meisten Fällen abgewiesen wird.

Seien wir also nicht wie Kinder, denen die Eltern immer neue gute Dinge anbieten, und die schliesslich doch nur gelangweilt und lässig darauf reagieren. Was uns nach diesem Leben erwartet, ist sehr viel besser als der Schoss Abrahams (der Himmel war zu diesem Zeitpunkt noch verschlossen), eine Seligkeit ohne Grenzen und ohne Ende.

Aber bedenken wir auch, eines Tages ist die Zeit der Gnade vorbei, und dann kommt es darauf an, wie wir die Geschenke Gottes genutzt haben, und auf welcher Seite wir stehen.

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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