Impuls zum 22. Sonntag im Jahreskreis C – 28. August 2016

„Bleibe bescheiden, und du wirst mehr geliebt werden als einer, der Gaben verteilt“

Diese Worte hören wir am 22. Sonntag in der 1. Lesung aus dem Buch Jesus Sirach (Sir 3,17 ff).

Im Evangelium, das darauf Bezug nimmt, spricht der Herr wieder einmal von der Tugend, die, wenn man sie gut lebt, einem auch äusserlich Vorteile verschafft, und umgekehrt, wenn man sie vernachlässigt, einem sogar eine Blamage bereiten kann. Es ist die Tugend der Demut.

Es ist zunächst ein Gebot der natürlichen Klugheit, dass man bei einer grossen Einladung sich nicht den besten Platz aussucht, denn es könnte eine Gast kommen, der wichtiger ist, und um dessentwillen man den Platz räumen muss. Da bis dahin auch noch andere Gäste eingetroffen sind, wird auch der zweit- oder drittbeste Platz nicht mehr zu haben sein, und man muss sich beschämt ganz unten hinsetzen.

Das Beispiel zeigt, wie im Leben der Menschen Natürliches und Übernatürliches ineinander greifen. Im übernatürlichen Leben, also im Blick auf Gott, wird man aus Demut nicht auftrumpfen, und nicht Vorrechte für sich beanspruchen. Im normalen bürgerlichen Leben, wird man, ohne an Gott zu denken, ebenso handeln, aber nicht weil man sich sagt, das missfällt Gott, sondern weil man den Menschen nicht missfallen will. Denn es ist, Gott sei Dank, immer noch so, dass rein äusserlich die Bescheidenheit besser ankommt als ihr Gegenteil. Man könnte sogar sagen, die guten Manieren, um die man sich mehr oder weniger erfolgreich bemüht, sind so etwas wie säkularisierte Demut. Es spricht für unsere Gesellschaft, dass auch heute inmitten der vielen Umbrüche immer noch Bescheidenheit hoch angesehen ist.

Aber es zeigen sich auch da die ersten Aufweichungen. Neueste Errungenschaft, die „Wutbürger“ machen gerne von sich reden. Oder denken wir an manche Äusserungen von Politikern auf der internationalen Bühne.

Beim heutigen Evangelium geht es Jesus primär aber nicht um die guten Manieren, sondern um die Stellung des Menschen vor Gott. Gott widersteht den Hochmütigen und „hat herabgeschaut auf die Demut seiner Magd“. Wenn wir uns also um ein demütiges Verhalten bemühen, so hat das seinen eigentlichen Wert in erster Linie vor Gott, und dann erst vor den Menschen. „Wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt“ (Lk 14,9) und umgekehrt. Unerlässlich ist dabei die Lauterkeit der Absicht, denn Gott schaut ins Herz. Sich selbst erniedrigen kann auch sehr unecht sein.

Wie so oft, zeigt uns Maria den rechten Weg. Ihr Magnifikat zeigt deutlich, dass die „humilitas“ (das Wort enthält „Humus“, der Boden, zu dem man sich hinunterneigt) den Menschen in Wirklichkeit nicht erniedrigt, sondern erhöht.

Maria findet durch ihre einfache in grosser Natürlichkeit gelebte Demut das Wohlgefallen Gottes. Wie sie das – vom Heiligen Geist inspiriert – in ihrem Preisgesang ausdrückt, zeigt ein absolut souveränes Menschentum: diese Frau ist von sich aus Magd, dann aber – von Gott aus – Herrscherin.

Herrschen, den ersten Platz anvisieren, ist nicht verkehrt. Verkehrt ist nur das In-Besitz-Nehmen-Wollen, das Greifen danach. „Wer unter euch der Grösste sein will, sei euer aller Diener“ (Mk 10,44). Jesus will nicht kleinlaute, unselbständige Menschen, sondern starke Charaktere. Aber das werden wir nicht dadurch, dass wir uns oben hinstellen, sondern im Gegenteil dadurch, dass wir uns auf den geringsten Platz stellen, dadurch dass wir den anderen dienen, dadurch dass wir uns selbst vergessen.

Wenn wir das erreicht haben, dann – aber erst dann – sorgt Gott selbst dafür, dass uns die uns angemessene Position gegeben wird. Und das Ganze hat nebenbei auch noch den Vorteil, dass wir uns auf dem Wege dahin nicht blamieren müssen. Die beiden Apostel Jakobus und Johannes blamierten sich, als sie vom Herrn verlangten, in seinem künftigen Reich einmal zu seiner Rechten und Linken sitzen zu dürfen. Als sie später aber auch „den Kelch getrunken hatten“ (Mt 20,22), also mit ihm erniedrigt worden waren, da gelangten sie zu höchsten himmlischen Ehren.

Einmal mehr das Paradoxon des Christentums: „Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Aber wer sein Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen“ (Mt 16,24).

Und was für ein Leben! Ein ewiges!

Msgr. Dr. Peter von Steinitz war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den hl. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“, „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich) und „Katharina von Ägypten“.

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