Armenien vor dem Papstbesuch
Armenien vor dem Papstbesuch: ganz besondere Beziehungen
Wenn Papst Franziskus Ende nächster Woche drei Tage nach Armenien reist, wird er als Gast in der Residenz des Patriarchen nächtigen. Auf diese ökumenische Besonderheit im Rahmen einer Papstreise hat Armeniens Botschafter beim Heiligen Stuhl Mikayel Minasyan im Gespräch mit Radio Vatikan hingewiesen. Die Armenische Apostolische Kirche ist durch historische Vertreibungen und Migration heute auf aller Welt beheimatet, rund neun Millionen Gläubige gehören ihr an. Die armenisch-katholische Kirche hingegen – mit rund einer halben Million Gläubigen – bildet den mit Rom unierten Zweig des armenischen Katholikats von Sis in Kilikien.
„Der Papst hat die Einladung der armenischen Patriarchen und des Präsidenten der Republik aufgegriffen, mithin des ganzen Volkes, das es gar nicht erwarten kann, Papst Franziskus seine Wertschätzung und Anerkennung zu bekunden, weil er schon in seiner Zeit als Erzbischof von Buenos Aires seine grosse Nähe zu den christlichen Armeniern zeigte“, sagte uns der Botschafter. „Die Beziehungen zwischen unseren Realitäten haben wohl keine Vorgänger, und das zeigt sich auch im Besuchsprogramm: angefangen von der Tatsache, dass Franziskus so wie Johannes Paul II. [der als bisher erster Papst das Land besuchte, Anm.] im Patriarchalpalast wohnen wird, gemeinsam mit dem Bruder, dem Katholikos aller Armenier [dem Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche, Anm.]. Das wurde noch keiner anderen nichtkatholischen Kirche zuteil: dass sie den Papst in der Residenz des Patriarchen beherbergte.“
Armenien mit seiner uralten christlichen Glaubenstradition ist heute, so erzählt der Botschafter, eine „junge und dynamische Republik“, die auf 25 Jahre Unabhängigkeit von der Sowjetunion zurückblickt. Der Papst werde ein Armenien vorfinden, das in die Zukunft schaut und versucht, mit dem Mittel der Bildung das schwierige Erbe der Planwirtschaft zu überwinden: „ein Armenien, das gerade wegen des in der Vergangenheit durchlebten Leids sich um eine friedliche Welt bemühen will, besonders in unserer Region“.
Einfach ist das nicht, wie der armenische Botschafter einräumt. „Was vor wenigen Jahren noch als schlimmster Alptraum gegolten hätte, ist heute leider Wirklichkeit geworden“, sagt Minasyan mit Blick auf Gewaltexzesse im Kaukasus, namentlich in der Region Berg Karabach, wo unter dem Schweigen der internationalen Gemeinschaft ein Waffenstillstand von 1994 immer wieder gebrochen wird. In den vergangenen Jahren sei Armenien „im Rahmen seiner Möglichkeiten“ zum Aufnahmeland für syrische Christen geworden. „Die Solidarität mit der christlichen Welt und dem Frieden in unserer Region sind die Themen, die gemeinsam mit dem Papst bei seinem Besuch in Armenien angesprochen werden“, ist der Botschafter überzeugt.
Papst Franziskus hatte im April 2015 den Tod von schätzungsweise 1,5 Millionen Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich als “ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts“ bezeichnet. Mit dieser klaren Aussage errang er sich die Hochachtung des armenischen Volkes und zog sich Kritik aus der Türkei zu. An der betreffenden Heiligen Messe im Petersdom nahm auch der Patriarch der Armenisch-Apostolischen Kirche, Karekin II., teil, den Franziskus nun besucht.
rv 15.06.2016 gs
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