Amerika verändert sich

Nach dem Super Tuesday sieht es im November nach einem Rennen Trump gegen Clinton um die Nachfolge Barack Obamas aus

Von Oliver Maksan

Die Tagespost, 2. März 2016

Nach dem Super Tuesday sieht es im November nach einem Rennen Trump gegen Clinton um die Nachfolge Barack Obamas aus. Frau Clinton reibt sich die Hände. Jüngste Umfragen zeigen, dass selbst ihr innerparteilicher Widersacher Bernie Sanders für den seit Dienstag unwahrscheinlichen Fall seiner Nominierung Trump schlagen könnte. Das republikanische Establishment ist derweil zunehmend panisch und hofft, doch noch irgendwie den sich als moderaten Konservativen positionierenden Marco Rubio in den Ring zu schicken.

Die addierten Stimmen von Trumps Gegnern könnten Rubio die Nominierung sichern, so die theoretisch immer noch mögliche Hoffnung. Sollte sich Trump innerparteilich aber durchsetzen können, stünde dem Land eine Richtungswahl bevor. Und Hillary Clintons Mann Bill soll bereits deutlich gemacht haben, dass man den Gottstehunsbei liberaler Eliten und kalkulierten Charakter-Widerling Trump keinesfalls unterschätzen dürfe – Umfragen hin, negative Presse her.

Dass Trump ist, wo er ist, und möglicherweise noch weiterkommt, hat tiefliegende Ursachen. Es ist offenkundig, dass Amerika auseinanderdriftet. Das hat mit den Folgen der Kulturrevolution der Sechziger zu tun, der gewaltigen nicht-weissen Einwanderung der letzten Jahrzehnte, dem erstarkenden Säkularismus. Die Fliehkräfte links wie rechts nehmen zu. Ausdruck dessen ist auf demokratischer Seite der Erfolg des sich als Sozialisten bezeichnenden Sanders. Und natürlich der Trumps und Cruz’ auf der anderen Seite. Das Establishment wird personell und inhaltlich links wie rechts abgelehnt.

Trump profitiert von der zunehmenden Zukunftsangst vor allem des weissen Amerikas. Weite Teile haben genug von den Folgen der Globalisierung, Amerikas Kriegen und einer unkontrollierten Masseneinwanderung. Sie halten das Establishment der Republikanischen Partei nicht für einen Teil der Lösung sondern des Problems. Jeb Bush hatte deshalb diesmal nicht den Hauch einer Chance. Amerikanische Arbeiter sehen die in den letzten Jahrzehnten erfolgte Deindustrialisierung der USA, die Einkommensstagnation und -ungleichheit sowie das extreme Handelsdefizit gegenüber China und setzen auf Trump als ihren Retter. Sie blicken mit Unbehagen auf Amerikas löchrige Grenze zu Mexiko mit der millionenfachen illegalen Einwanderung und die dadurch entstehende Konkurrenz im Niedriglohnsektor. Ihre Angst, die ethnische Mehrheit zu verlieren, ist nach allen Prognosen ebenfalls berechtigt. Das Ablehnung des Globalismus, dessen deutlichster Ausdruck Freihandel und offene Grenzen sind, wird also stärker. Im Inneren wie Äusseren verkörpert Trump diesen neuen Isolationismus. Genau davon könnte er im November profitieren. Schliesslich würde er mit Hillary Clinton gegen die Verkörperung des liberalen Establishments antreten. Die ehemalige Präsidentengattin, Senatorin und Aussenministerin gilt als Lobbyistin des grossen Geldes und der Multis. Das missfällt auch vielen demokratischen Wählern aus der Arbeiterklasse. Clinton kann sich ihrer nicht sicher sein.

Stellt man den Fokus etwas weiter, erkennt man: In den westlichen Demokratien ändert sich grundlegendes. Mit dem Konsens nach dem Ende des Kalten Kriegs ist es vorbei. Das zeigt der Aufstieg der Rechten in Europa – und Trumps in den USA.

siehe Seite 3

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