Vor den Mühen der Ebene
Der vergangene Samstag wird in die Geschichte eingehen
Der vergangene Samstag wird in die Geschichte eingehen. Man darf es zweifelsohne als eines der grössten aussenpolitischen Ereignisse der letzten Jahre betrachten, dass der Iran und die Weltgemeinschaft ihre im Juli letzten Jahres vereinbarten Verpflichtungen geräuschlos umgesetzt haben. Dass der Iran ausweislich des Berichts der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien seine Zusagen erfüllt hat, ist ein grosser Erfolg. Mittel und Wege zu einer Atombombe sind ihm auf Jahre versperrt. Dafür wurden gegen sein Atomprogramm verhängte Sanktion aufgehoben oder wenigstens suspendiert. Zur Wahrheit gehört, dass ohne ein strenges internationales Sanktionsregime der Iran heute wahrscheinlich bereits im Besitz nuklearer Waffen wäre. Nicht zuletzt die Warnungen Israels setzten die Staatengemeinschaft unter Handlungsdruck.
So bedeutend das jetzt Erreichte auch ist: die Mühen der Ebene liegen erst vor den Partnern. Es ist anzunehmen, dass der Iran versuchen wird, seine Grenzen zu testen. Bekanntlich haben mächtige Teile der iranischen Führung dem Deal nur mit geballter Faust zugestimmt. Für sie war es entscheidend, eine Aufhebung der Sanktionen zu erreichen, die die iranische Wirtschaft massiv geschädigt haben und das Regime destabilisierten. Sie könnten nun darauf spekulieren, dass sich jetzt nach Aufhebung der Sanktionen international Raum zum Manövrieren auftut, dass wirtschaftliche Interessen manche Staaten dazu bringen werden, bei etwaigen Verstössen nicht ganz genau hinzuschauen. Entscheidend ist deshalb, dass die Staatengemeinschaft ihre in den letzten Jahren unter Beweis gestellte Einigkeit aufrecht erhält.
Hardliner im Iran könnten das Abkommen zudem zu sabotieren suchen, um so eine weitere Annäherung an die USA zu verhindern. Und auch in Washington könnte sich der Wind drehen, vor allem dann, wenn ein Republikaner Präsident werden sollte. Die Kandidaten der republikanischen Partei haben keinen Hehl aus ihrer Ablehnung gemacht. Marc Rubio kündigte an, er werde das Abkommen noch am ersten Tag im Amt “killen”. Der Deal mit dem Iran erscheint ihnen als sicherheitspolitische Narrheit und Ausdruck amerikanischer Schwäche.
So sehen das auch Amerikas Verbündete in der Region, allen voran Saudi-Arabien und Israel. Nicht zuletzt der Eindruck, von Amerika verlassen und auf sich selbst gestellt zu sein, hat die aggressive Wende der saudischen Regionalpolitik im letzten Jahr herbeigeführt. Die Region dürfte deshalb trotz des jetzt erfolgreich implementierten Atom-Deals keine ruhigere werden. Mag das Horrorszenario eines atomaren Wettrüstens in der Region zunächst vom Tisch sein: Die dem Chaos in Syrien, dem Irak und dem Jemen zugrunde liegende Machtrivalität zwischen Saudis und Iranern, Sunniten und Schiiten bleibt erhalten. Sie wird sich konventionell wahrscheinlich sogar noch verschärfen. Der jetzt wieder über Mittel verfügende Iran wird versuchen, das vom Westen hochgerüstete Saudi-Arabien einzuholen. Israel setzt ein konventionell aufrüstender Iran ebenfalls unter Druck. Dennoch ist das Atom-Abkommen ein grosser Erfolg, mag es auch Schwächen vor allem hinsichtlich Laufdauer und Inspektionsregime haben. Keine der realistischen Alternativen aber ist ihm vorzuziehen.
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