Papst warnt in Kenia vor der Ausbreitung neuer Wüsten

In seiner ersten interreligiösen Begegnung auf afrikanischem Boden erinnert Franziskus die Religionsführer an ihre Verantwortung

Stephan BaierVon Stephan Baier

Die Tagespost, 27. November 2015

Der ökumenische und interreligiöse Dialog sei kein Luxus. “Unsere durch Konflikte und Spaltungen verletzte Welt“ brauche ihn sogar “immer dringender“, so mahnte Papst Franziskus bei seiner morgendlichen Begegnung mit Vertretern anderer Konfessionen und Religionen am Donnerstag in der Nuntiatur in Nairobi. Dabei hatte der Heilige Vater nicht bloss die neue Terrorbedrohung in Europa vor Augen: Kenia selbst ist Schauplatz von islamistischem Terrorismus, vor allem durch die aus dem Nachbarland Somalia stammende Terrormiliz Al-Shabaab. Der Papst erinnerte an einige der “barbarischen Anschläge“ und warnte, es würden “Jugendliche im Namen der Religion zu Extremisten gemacht, um Zwietracht und Angst zu säen und um das Gefüge unserer Gesellschaften zu zerstören”.

Und es klang durchaus ernst und mahnend, als Papst Franziskus meinte, religiöse Überzeugungen seien “ein Quell von Erleuchtung, Weisheit und Solidarität“, als er “die Notwendigkeit des gegenseitigen Verstehens der Religionen, ihrer Freundschaft und ihrer Zusammenarbeit“ anmahnte, als er an die Würde erinnerte, die “Gott den Einzelnen und den Völkern verliehen hat“.

Die Vertreter der Glaubensgemeinschaften lauschten dem Papst höflich, machten anschliessend Selfies und Schnappschüsse, überreichten kleine Geschenke. Zuvor hatte das Oberhaupt der Anglikaner in Kenia, Erzbischof Eliud Wabukala, in seiner Begrüssungsrede die Anwesenheit des Papstes als “grosse Ermutigung für alle Christen in Kenia“ gewürdigt: “Wir beten, dass Ihr Besuch die Christen aller Kirchen in Afrika ermutigen möge, standhaft am Evangelium Jesu Christi festzuhalten, und so die Gesellschaft konstruktiv zu beeinflussen.“ Gut 70 Prozent der rund 46 Millionen Einwohner Kenias sind protestantische, anglikanische, katholische oder orthodoxe Christen. Die Katholiken allein machen mehr als ein Viertel der Bevölkerung aus. Neben den sunnitischen Muslimen, die rund 20 Prozent der Einwohner stellen, gibt es noch kleinere Gemeinschaften von Buddhisten, Hindus, Sikhs und Bahais sowie Anhänger afrikanischer Naturreligionen.

Der Vorsitzende des Obersten Muslimrates von Kenia, Professor Abdulghafur El-Busaidy, liess in seinen Grussworten am Donnerstagmorgen keinen Dissens zu den päpstlichen Appellen erkennen: “Als Religionsführer haben wir die Pflicht, Gerechtigkeit, Rechtmässigkeit, Liebe, Wahrhaftigkeit, Ergebenheit und Hoffnung zu fördern.“ Der katholischen Kirche attestierte er ausdrücklich eine Vorbildrolle, insbesondere im Bildungsbereich und im Einsatz für den Frieden. Zuvor jedoch hatte es auch andere Töne gegeben. So appellierte der “Rat der Imame und Prediger von Kenia“ (CIPK) im Vorfeld seines Besuches an den Papst, sich für die Religionsfreiheit der muslimischen Schüler an katholischen Schulen einzusetzen. Der Vorsitzende des CIPK, Scheich Ibrahim Ateka, sagte am Mittwoch, muslimische Schüler in katholischen Schulen würden häufig gedrängt, gegen ihren Willen an kirchlichen Gottesdiensten teilzunehmen, zugleich aber abgehalten, auf islamische Weise zu beten. Die Schülerinnen würden in den kirchlichen Schulen oft daran gehindert, ihr Haar auf islamische Art zu bedecken.

Vor der “Ausbreitung neuer Wüsten“ und einer “Kultur des Materialismus und der Gleichgültigkeit“ warnte der Papst die Gläubigen bei der Eucharistiefeier auf dem Campus der Universität Nairobi, wo sich trotz Dauerregens hunderttausende Gläubige eingefunden hatten. Der Papst zelebrierte auf Englisch und Latein, predigte auf Italienisch und verabschiedete sich schliesslich auf Swahili: “Mungu abariki Kenya! – Gott segne Kenia!“ Nairobis Erzbischof, Kardinal John Njue, dankte dem Papst “im Namen aller Christen und sicher auch aller anderen Religionen“: “Wie Petrus von Christus den Auftrag erhielt, die Brüder zu stärken, so ist Ihre Anwesenheit hier eine Quelle der Kraft und der geistigen Nahrung für uns.“ Der Papst sei ein “Garant unserer Einheit“ sagte Kardinal Njue.

In den Fürbitten wurde nicht nur für den Papst, die Bischöfe, Priester und Ordensleute gebetet, sondern auch für die anwesenden “politischen Führer“ Kenias.

Und für die Jugend: dass Gott ihnen helfe, “allen Versuchungen zu Gewalt, Unreinheit und Drogenmissbrauch zu widerstehen“. Etwa die Hälfte der Bevölkerung Kenias ist jünger als 16 Jahre.

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