Franziskus, der Gestenreiche
‘Die Bedeutung der Afrika-Reise von Papst Franziskus liegt zunächst einmal darin, dass sie überhaupt stattgefunden hat’
Geboren aus der Saat des Martyriums
Von Guido Horst
Die Tagespost, 30. November 2015
Die Bedeutung der Afrika-Reise von Papst Franziskus liegt zunächst einmal darin, dass sie überhaupt stattgefunden hat. Es mag viele kirchenmüde Europäer geben, denen sich die Freude der Menschen in den drei besuchten Ländern verschliesst, dass der Nachfolger Petri auch zu ihnen gekommen ist – trotz politischer Unsicherheit, materieller Not und zum Teil auch Gewalt. Er wurde “auf den Händen getragen“. Selten hat sich ein Papst dabei so weit in einen Unruheherd vorgewagt wie jetzt Franziskus in der Zentralafrikanischen Republik. Es war die kritischste Station der Reise. Erst in Uganda gab es die offizielle Bestätigung, dass der Weiterflug nach Bangui wirklich stattfinden wird. Und dass der Papst dort die muslimische Gemeinde in ihrer Moschee aufgesucht hat, zeigt, wie wichtig es ihm ist, seine Friedensbotschaft allen Menschen ganz persönlich zu überbringen und dabei keiner Gefahr aus dem Weg zu gehen. Als “Pilger des Friedens und Apostel der Hoffnung” stellte sich der Papst in dem Bürgerkriegsland vor.
Hatte er in Kenia ein Elendsviertel und in Uganda ein Caritasheim aufgesucht, so war nach seiner Ankunft in der Zentralafrikanischen Republik ein Flüchtlingslager an der Reihe. In der Kathedrale der Hauptstadt traf er mit einem evangelikalen Pastor, einem muslimischen Iman und dem katholischen Erzbischof zusammen, die gemeinsam eine interreligiöse Plattform zur Aussöhnung in dem Bürgerkriegsland gegründet hatten. Symbolische Gesten des Papstes gab es viele, sie zielten auf die Ökumene, den interreligiösen Dialog und die Sorge für die Ärmsten und Bedrängtesten. Und immer wieder rief er die Bischöfe und den Klerus, die Ordensleute und engagierten Laien dazu auf, ihrer christlichen Berufung mit allem Ernst zu folgen. Demonstrativ nahm er einigen Jugendlichen am Sonntagabend in Bangui die Beichte ab. Für alle hatte Franziskus eine Botschaft: für die Katholiken, die Anhänger anderer Religionen, die Politiker und alle Menschen guten Willes. Aber er hatte auch eine für die Weltkirche.
Seit Sonntag ist das Jahr der Barmherzigkeit eröffnet. Indem Franziskus die hölzerne Heilige Pforte der Kathedrale von Bangui aufgestossen hat, nahm er das vorweg, was am 8. Dezember im Petersdom in Rom geschehen soll. Aber mit dem ersten Gnadentor, das nun offen steht, hat der Papst den Startschuss gegeben. Nicht in der römischen Basilika des heiligen Petrus, wie das bisher bei Heiligen Jahren üblich war – sondern draussen, weit entfernt, an der Peripherie der Kirche. In einem afrikanischen Land, das auch jetzt noch fürchten muss, in Chaos und Not zu versinken. Da, wo die Kirche wirklich ein Feldlazarett ist. Römische Monsignori rümpfen die Nase. Aber Franziskus lässt keine Gelegenheit aus, kräftige Signale für die gesamte Kirche abzusetzen – auch dann, wenn er die Ränder der zivilisierten Welt bereist. Die Öffnung der ersten Heiligen Pforte in der Zentralafrikanischen Republik ist mehr als ein Programmpunkt unter vielen. Es ist eine Einladung an die ganze Kirche, die “Ränder“ mehr in den Blick zu nehmen. Die Afrikaner können stolz sein. Papst Franziskus hat ihnen, kein Risiko scheuend, eine grosse Ehre erwiesen.
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