50 Jahre II. Vatikanisches Konzil

Prälat Dr. Martin Grichting, Generalvikar des Bistums  Chur/Katholische Wochenzeitung 45/2015

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Am kommenden 8. Dezember feiert die Kirche den 50. Jahrestag des Abschlusses des II. Vatikanischen Konzils. Wie weit es umgesetzt worden ist, kann man an Einschätzungen ablesen, die der damalige Josef Ratzinger, heute Papst em. Benedikt XVI., im Zehnjahres-Rhytmus gemacht hat.

1975 schrieb er, “dass die wirkliche Rezeption (also Aufnahme) des Konzils noch gar nicht begonnen hat. Was die Kirche des letzten Jahrzehnts verwüstete, war nicht das Konzil, sondern die Verweigerung seiner Annahme”.

1985 bemerkte der nunmehrige Präfekt der Glaubenskongreagation: “Ich glaube (…), dass die wahre Zeit des II. Vatikanums noch nicht gekommen ist, dass seine echte Rezeption noch nicht begonnen hat”.

1996 konstatierte er: “Dass die Erwartungen nicht eingelöst wurden, das ist rein empirisch, statistisch belegbar (…). Dass wir keine neue Stunde des Christentums erlebt haben, sondern viele Abstürze erfolgt sind – neben Aufbrüchen, die es auch gibt – das kann man nicht bestreiten”.

Als Papst hielt er dann 2005 fest: “Niemand kann leugnen, dass in weiten Teilen der Kirche die Konzilrezeption eher schwierig gewesen ist, auch wenn man auf das, was in diesen Jahren geschehen ist, nicht die Schilderung der Situation der Kirche nach dem Konzil von Nizäa, die der grosse Kirchenlehrer Basilius uns gegeben hat, übertragen will: Er vergleicht die Situation mit einer Schiffsschlacht in stürmischer Nacht und sagt unter anderem: “Das heisere Geschrei derer, die sich im Streit gegeneinander erheben, das unverständliche Geschwätz, die verworrenen Geräusche des pausenlosen Lärms, all das hat fast schon die ganze Kirche erfüllt und so durch Hinzufügungen oder Auslassungen die rechte Lehre der Kirche verfälscht”(…). Wir wollen dieses dramatische Bild nicht direkt auf die nachkonziliare Situation übertragen, aber etwas von dem, was geschehen ist, kommt darin zum Ausdruck. Die Frage taucht auf, warum die Rezeption des Konzils in einem grossen Teil der Kirche so schwierig gewesen ist.”

Was der emeritierte Papst zum 50-Jahr-Jubiläum – nach den Familiensynoden 2014/2015 – sagen würde, werden wir vielleicht noch eines Tages erfahren. Vermutlich würde er gelassen festhalten, dass Jesus Christus seine Kirche nie verlässt.

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