Tunesien: “Ein Freudenschrei”
So reagiert der katholische Erzbischof von Tunis, Ilario Antoniazzi, auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an vier engagierte Tunesier. Er habe ja “einen grossen Teil” der sogenannten Jasmin-Revolution vor ein paar Jahren miterlebt. “Dabei konnte ich feststellen, was für eine grosse Arbeit das tunesische Volk und vor allem auch dieses Quartett geleistet hat. Diese vier Menschen hatten ja gar nicht alle dieselbe Mentalität oder dieselbe Partei; denken wir zum Beispiel daran, welcher Graben (die jetzige Regierungspartei) Nidaa Tounes von (der islamistischen Partei) Ennahda trennt. Nidaa Tounes hat ihre ganze politische Arbeit immer gegen Ennahda gerichtet; und wir standen damals kurz vor dem Bürgerkrieg, wir alle hatten Angst!”
Viele Ausländer seien vor ein paar Jahren angesichts des politischen Umsturzes “geflohen”, so der aus Italien stammende Erzbischof. “Wir haben uns gesagt: Hier wird dasselbe passieren wie in Libyen! Stattdessen erlebten wir staunend, dass die sich an einen Tisch gesetzt und die Verfassung umgeschrieben haben – der Übergang führte zu Wahlen, zu einer Regierung der nationalen Einheit und zu einer neuen Verfassung. Das hat der ganzen Welt gezeigt, dass sogar eingeschworene Feinde zusammenarbeiten können, wenn es darum geht, etwas Positives für das eigene Volk zu leisten. Ich finde, in diesem Punkt hat Tunesien wirklich auch anderen, entwickelteren, fortgeschritteneren Teilen der Welt ein Beispiel gegeben!”
Das ganze Volk habe sich für Dialog entschieden und lebe ihn auch, so der Erzbischof von Tunis. “Und dann noch etwas sehr Interessantes: “Nach allen Attentaten, vor allem dem letzten Anschlag am Strand von Sousse, wurden wir als Kirche häufig eingeladen, uns öffentlich zu äussern. Und das ist etwas Neues hier: In dem Hotel in Sousse, wo das Attentat geschah, habe ich an zwei hochrangigen Konferenzen teilgenommen, um zu referieren, was die Kirche zu Vergebung, zum Zusammenleben sagt und was sie in dieser Hinsicht einzubringen hat. Und das ist alles auf offene Ohren gestossen. Noch vor ein paar Jahren wäre das undenkbar gewesen! Auch das ist eine Frucht dieses Dialogs, der sich auch zu den Religionen und auf uns hin geöffnet hat.”
rv 11.10.2015 sk
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