Petrus spricht – und die Versammlung schweigt

“Jerusalemer Apostelkonzil als Modell für heute”

In seinem Festvortrag zum Jubiläum der Bischofssynode pries der Wiener Kardinal Christoph Schönborn das Jerusalemer Apostelkonzil als Modell für heute.

Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 19. Oktober 2015

Heftiger Streit hatte das “Urkonzil” der Kirche erfasst, die erste gemeinsame Zusammenkunft der Apostel und Ältesten in Jerusalem. Es ging um die Frage der Beschneidung der Getauften aus dem Heidentum und ob diese das Gesetz des Moses halten müssten. Da erhob Petrus sein Wort, erzählte von den Taten Gottes und gab seine Entscheidung bekannt. Und die Versammlung schwieg.

Diese Erzählung aus der Apostelgeschichte hat der Wiener Kardinal Christoph Schönborn am Samstag in das Zentrum seiner Ansprache vor Papst Franziskus und den Teilnehmer der in Rom tagenden Bischofssynode gestellt. Es galt, des fünfzigsten Jahrestags der Errichtung der römischen Synode durch Papst Paul VI. zu gedenken. Man war in der großen Audienzaula des Vatikans, der “Sala Nervi”, zusammengekommen, diese war bei weitem nicht gefüllt, aber auch einige hundert Gäste, die nicht an der Synode teilnehmen, sassen auf den hinteren Rängen. Ein Kinderchor sang und ein Laie führte durch das Programm, das, nach der Begrüssung durch Synoden-Generalsekretär Kardinal Baldisseri, im Wesentlichen aus sieben Wortbeiträgen bestand: Neben Kardinal Schönborn sprachen – als Vertreter jeweils eines der Kontinente – fünf weitere Kardinäle und Bischöfe und am Ende hielt Franziskus seine viel beachtete Ansprache über die Synodalität der Kirchenführung und den römischen Primat (Wortlaut Seite 7). Fast zwang sich der Eindruck auf, als sei der Hauptvortrag des Wiener Kardinals eine Hinführung zu den abschliessenden Worten des Papstes gewesen.

Schönborn nannte das sogenannte Apostelkonzil zu Jerusalem die “Ursynode” der Kirche, ein Modell, das sich auch die vor fünfzig Jahren als Frucht des Konzils gegründete römische Bischofssynode als Beispiel nehmen könne. In Jerusalem habe ein dramatischer Konflikt zur Debatte gestanden – wobei manchem Zuhörer des Kardinals in den Sinn gekommen sein muss, dass auch die laufende Bischofssynode von einem Konflikt, der Kommunionzulassung der Wiederverheirateten, gezeichnet ist. Petrus löste diesen Konflikt – und Schönborn hob zwei Aspekte hervor: Zum einen, dass der Apostelfürst keine theologische Ansprache gehalten, sondern ein Zeugnis für die Taten Gottes abgelegt habe. Um das zu verdeutlichen, wies der Wiener Kardinal auf die Schwächen einer zurückliegenden Synode hin, der von 2012: “Ich durfte an der Synode über die Neuevangelisierung teilnehmen. Es gab viele interessante Beiträge. Aber kaum jemand hat davon Zeugnis gegeben, wie wir selber Mission und Evangelisierung erfahren”, erinnerte sich Schönborn und meinte weiter: “In Jerusalem haben Petrus, Paulus, Barnabas von ihren Zeugnissen und Erfahrungen gesprochen. Wir bleiben allzu oft in der Theorie, im ‘man sollte?’ und ‘man müsste?’ , kaum einmal reden wir persönlich von unseren Missionserfahrungen. Darauf aber warten unsere Gläubigen! Und genau das”, so der Kardinal, “ist der entscheidende Punkt: In Jerusalem ging es nicht um Beratung oder Entscheidung, sondern um das Unterscheidende des Willens und Weges Gottes.”

Als zweiten Punkt hob Schönborn die Reaktion der Jerusalemer Versammlung nach der Entscheidung von Petrus hervor: “Da schwieg die ganze Versammlung“, zitierte der Kardinal aus der Apostelgeschichte. Sie habe genau das getan, so Schönborn, “was Papst Franziskus uns in der Synode des vergangenen Jahres zu tun gebeten hatte: Petrus sprach mit ‘Parrhesia’. Und die Versammlung hörte zu in Demut. Das Zeugnis des Petrus wird nicht gleich in einer grossen Debatte ‘zerpflückt’ und ‘kritisiert’. Sein Wort wird mit Schweigen aufgenommen, und kann somit ‘im Herzen erwogen’ werden (vgl. Lk 2, 19.51). Wie wichtig ist dieses Schweigen und mit dem Herzen Hören! In dieser Haltung sei die Versammlung in Jerusalem dann auch bereit gewesen, “das Zeugnis von Paulus und Barnabas zu empfangen: ‘Da schwieg die ganze Versammlung. Und sie hörten Paulus und Barnabas zu, wie sie erzählten, welch groe Zeichen und Wunder Gott durch sie unter den Heiden getan hatte (Apg 15, 12)'”.

Neben Schönborn sprachen am Samstagvormittag Kardinal Vincent Gerard Nichols, der Erzbischof von Westminster, Bischof Mathieu Madega Lebouakehan, der den Vorsitz der Bischofskonferenz von Gabon führt, Kardinal Ricardo Ezzati Andrello aus Santiago de Chile, der Patriarch der Chaldäer im Irak, Louis Raphaël I Sako, und Kardinal Soane Patita Paini Mafi, der Bischof von Tonga.

Bevor die Bischofssynode gestern ihre Arbeit wieder aufgenommen hat, stand am Sonntag eine grosse Heiligsprechungsfeier auf dem Petersplatz auf dem Programm. Mit den Eltern der heiligen Therese von Lisieux, Louis Martin und Zélie Guérin, wurde erstmals ein Ehepaar für die Vorbildlichkeit seiner Ehe in den Heiligenkalender aufgenommen. Die Eltern von Therese und weiterer acht Kinder hätten “den christlichen Dienst in der Familie gelebt, indem sie Tag für Tag eine Umgebung voller Glauben und Liebe aufbauten“, würdigte Franziskus die Eheleute. Neben ihnen erhob der Papst auch den italienischen Priester Vincenzo Grossi (1845–1917) und die spanische Ordensfrau Maria Isabel Salvat Romero (1926–1998) zur Ehre der Altäre.

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