“Religiös Verfolgte müssen auch bei uns aufgenommen werden”

Die Multikulturalismus-Ideologie der Regierung von Barack Obama mache sie unfähig, die Christenverfolgung im Orient klar beim Namen zu nennen, meint der amerikanische Präsident von “Kirche in Not”, George Marlin

Kain und AbelGeorge Marlin ist Präsident des amerikanischen Büros von “Kirche in Not”. Der ehemalige Bürgermeisterkandidat von New York meint: die US-amerikanischen Medien ignorieren das Leid der Christen in Nahost. Und auch die Ideologie der Obama-Regierung sei für die Ignoranz mit verantwortlich.

Von Oliver Maksan

Die Tagespost, 18. September 2015

Herr Marlin, in Syrien und dem Irak kämpft das Christentum ums Überleben. Wird das in den USA wahrgenommen?

Ja, schon. Aber leider nicht in dem Masse, wie es angesichts der Ausmasse der Tragödie nötig wäre.

Das Problem ist, dass die säkularen Medien in Amerika das Thema ignorieren. Deshalb dringt es nicht ins Bewusstsein vieler Amerikaner. Ich habe jetzt ein Buch geschrieben, das versucht, die Aufmerksamkeit auf das Problem zu lenken. Denn wir sprechen hier immerhin von einem Geschehen, das die Völkermord-Definition der Vereinten Nationen erfüllt. Unsere Regierung handelt übrigens ebenfalls nicht dem Ernst der Lage entsprechend. Als 21 koptische Christen in Libyen enthauptet wurden, stellte sich der Sprecher des Weissen Hauses hin und beklagte den Tod ägyptischer Staatsbürger. Dass sie enthauptet wurden, weil sie Christen waren – und nicht, weil sie Ägypter waren – kam ihm nicht über die Lippen.

Wie erklären Sie sich das?Das hat mit der Ideologie zu tun, der die Obama-Regierung und weite Teile der Presse anhängen. Ich würde das Multikulturalismus nennen. Das ist die Folge des moralischen Relativismus. Alle Kulturen und Religionen sind ihnen gleichwertig. Und sie können auch nichts kritisches über den Islam sagen, ohne im gleichen Atemzug das Christentum ebenfalls schlecht zu machen. Präsident Barack Obama sagte beispielsweise, dass das Christentum zur Zeit der Kreuzzüge ähnliches gemacht habe wie der “Islamische Staat” (IS) heute. Obama sagt auch, dass der IS nichts mit dem Islam zu tun hat, also keine islamische Terrororganisation sei, sondern nur eine Terrororganisation. Der “Islamische Staat” sieht das bekanntlich anders.

Manche Beobachter meinen, viele Amerikaner würden das Leid der Christen gewissermassen verdrängen, weil sie aufgrund des bitteren Irak-Krieges mit der Region insgesamt abschliessen wollten, ja vielleicht sogar ein schlechtes Gewissen wegen des Irak-Krieges hätten und das Problem verdrängen wollen.Das ist doch absurder Unsinn. Natürlich gibt es eine gewisse Kriegsmüdigkeit. Aber die Tatsache, dass die Amerikaner mit grosser Mehrheit den Iran-Deal des Präsidenten ablehnen, zeigt doch, dass sie sich nicht um jeden Preis aus der Region zurückziehen wollen. Und in den Irak sind wir mit edler Absicht gegangen. Dass dem falsche Informationen zugrunde lagen, ändert nichts daran.

Die amerikanischen Medien also sind das Problem?Ja. Die Leute sind sich der Christenverfolgung deshalb nicht bewusst, weil die Medien nicht darüber sprechen. Unsere Bischöfe nennen das Problem schon beim Namen, dringen aber auch nicht durch. Ich hoffe, dass der Besuch von Papst Franziskus hier eine Änderung bringt. Durch seine Reden im Kongress und vor den Vereinten Nationen hat der Papst die Möglichkeit, die amerikanische Öffentlichkeit auf das Leid der Christen im Nahen Osten hinzuweisen. Er muss die UNO nur an ihre eigenen Völkermord-Definition erinnern. Die Christenverfolgung durch radikale Moslems erfüllt sie. Der Papst hat hier wirklich eine einzigartige Gelegenheit. Ich möchte hinzufügen, dass wir Amerikaner, selbst Katholiken, gar nicht gut Bescheid wissen über den religiösen und kulturellen Reichtum, den die Christen des Nahen Ostens besitzen. Ich ging auf eine katholische Schule. Aber darüber habe ich nie etwas gelernt.

Was erwarten Sie von der US-amerikanischen Regierung mit Blick auf die Christen in Nahost?Nun, sie kann eine ganze Menge tun. Am 7. Mai 2014 haben verschiedene christliche Persönlichkeiten in den Vereinigten Staaten konfessionsübergreifend eine Erklärung verabschiedet, in der sie die Regierung von Präsident Obama zum Handeln auffordern. Unter anderem wollen wir die Ernennung eines Sonderbeauftragten des Präsidenten für die verfolgten Minderheiten des Nahen Ostens. Das würde dem Problem eine ganz andere Aufmerksamkeit verschaffen. Unsere Regierung sollte ihre Entwicklungshilfe auch daran knüpfen, dass die Rechte religiöser Minderheiten geachtet werden. Und ausserdem müssen religiös Verfolgte auch hier bei uns aufgenommen werden. Die Vereinigten Staaten von Amerika waren während des Kalten Krieges nicht nur eine militärische, sondern auch eine moralische Führungsmacht des Westens. So muss es jetzt wieder sein. Wir müssen unsere Entrüstung darüber zum Ausdruck bringen, was Christen im Nahen Osten widerfährt.

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