Die Welt schaut zu und schweigt
Genau ein Jahr ist es jetzt her. Seitdem ist nichts mehr wie es einmal war
Die Tagespost, 07. August 2015
Genau ein Jahr ist es jetzt her. Seitdem ist nichts mehr wie es einmal war. Zumindest nicht für die verfolgten und gedemütigten Christen in Nahost. Verfolgt werden sie von den Terrormilizen des “Islamischen Staates” (IS), gedemütigt aber von der westlichen Welt, die ihrem Leiden und Ausbluten mit unfassbarer Teilnahmslosigkeit zusieht. Am 8. August 2014 kamen die ersten, meist christlichen Flüchtlinge aus dem Irak nach Jordanien. Sie flohen vor dem IS, der zuvor die Millionenstadt Mossul eingenommen und die christlichen Dörfer in der irakischen Ninive-Ebene angriffen hatte. Wer seines Glaubens wegen seines Lebens nicht mehr sicher sein kann, der flieht. Die Folge: In urbiblischen Ländern haben Christen keine Zukunft mehr.
Unvorstellbare Grausamkeiten spielen sich ab im Irak und in Syrien: Enthauptungen, Kreuzigungen, Massenexekutionen durch Kinder und mehr. Der Teufel wütet mächtig in Nahost. Doch statt Aufmerksamkeit für die Bedrängnis der christlichen Minderheit und einem Aufschrei der Weltöffentlichkeit angesichts dessen, was sich da ereignet, herrscht Schweigen.
Dieses Schweigen ist durch nichts zu entschuldigen. Nimmt man den Einsatz und die Sensibilität – auch der Medien – für andere gesellschaftliche Minderheiten und deren Nöte zum Massstab, muss man sich unwillkürlich fragen, ob Christen die falsche Minderheit sind. Wie sonst ist es zu erklären, dass das Leiden der Christen in Nahost derart wenig Aufmerksamkeit findet? Es bedeutet Verrat an der Wächterfunktion der Medien, wenn über Wochen, ja Monate Griechenland und der Euro die Nachrichtenlandschaft beherrschen als gäbe es kein anderes Thema und der Überlebenskampf der Christen in Nahost findet allenfalls als kleine Meldung statt.
Erneut hat jetzt Papst Franziskus das Wort ergriffen und genau dieses Schweigen scharf kritisiert. Franziskus verurteilt die “grausame, unmenschliche, unerklärliche Verfolgungen“ im Nahen Osten, die sich gegen Minderheiten richte, “vor allem gegen Christen“. Zugleich kritisiert er, dass die Verfolgung der Christen sich “vor den Augen und dem Schweigen aller Menschen“ ereigne. Der Papst appelliert, die öffentliche Meinung solle “aufmerksamer, sensibler und bereitwilliger auf die Verfolgungen von Christen und, allgemeiner, religiöser Minderheiten reagieren“ und nicht stumm und tatenlos bleiben angesichts inakzeptabler Verbrechen.
Wenn schon die Welt schweigt, müssen Christen ihre Stimme umso lauter erheben und ihre Solidarität in Gebet und Tat bekunden.
Wer schweigt, sündigt.
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