Die Berliner Traumfabrik

“Inception”

stefan rehderSchweizer Krankenkassen zahlen Schwangeren-Bluttest auf Trisomie

Von Stefan Rehder

Die Tagespost, 06. Juli 2015

In Christopher Nolans mit vier Oskars prämiertem Film “Inception” dringt der von Leonardo DiCaprio verkörperte Dominick Cobb in den Traum seines Opfers ein und versucht, dessen Unterbewusstsein einen Gedanken einzupflanzen. Als Pflanzer betätigen sich derzeit auch einige Befürworter des ärztlich assistierten Suizids im Deutschen Bundestag. Die Bilder, die sie in den Humus unseres Verstandes säen, sollen uns das Fürchten lehren: Das “Mundbodenkarzinom”, das “stinkend aus dem Kopf” herauswächst; der von einem Gesichtstumor entstellte Mensch, der sich in seiner Verzweiflung aus dem “Krankenhausfenster” in den Tod und auf  “den Asphalt” stürzt. Die Frau, die sich – nach zwei gescheiterten Suizidversuchen – in der geschlossenen Psychiatrie eine “Plastiktüte über den Kopf” zieht (wo hat sie die überhaupt her?) und – mit schweren Hirnschäden – überlebt. Das Entsetzen, das uns unwillkürlich befällt, soll in uns Gedanken wecken wie: Wäre es nicht doch besser, wenn …?

Natürlich liesse sich einwenden, hier handele es sich nicht um Träume, schon gar nicht aus Hollywood, sondern um traurige Realität. Parlamentarier für deren Beschreibung tadeln zu wollen, sei in etwa so charmant, wie Boten für das Überbringen schlechter Nachrichten den Kopf abzuschlagen. Dem liesse sich zuzustimmen, wäre die Vorliebe der Abgeordneten für extreme Einzelfälle nicht so erstaunlich selektiv. Denn vor unser geistiges Auge gestellt gehören genauso die Bilder von Suizidenten, die die tödlichen Cocktails wieder erbrechen und so lange zwischen Leben und Tod schweben, bis die Sterbehelfer ihres Vertrauens sie eigenhändig aus der Welt schaffen. Fehlen dürfen auch nicht die Bilder der mitunter gespenstischen Todeskämpfe von Verbrechern, die in US-amerikanischen Gefängnissen mit der Giftspritze hingerichtet werden. Trotz der in den USA seit 1977 gesammelten Erfahrungen, ist es offenbar unmöglich, jedem einen sanften Tod zu bescheren. Wer sich nicht vorwerfen lassen will, Halbwahrheiten zu verbreiten, muss alle relevanten Aspekte der Realität abbilden und nicht nur jene, die ihm dramaturgisch ins Konzept passen. Andernfalls wäre der Deutsche Bundestag auch nur eine weitere Traumfabrik – nicht am Stadtrand von Los Angeles, sondern mitten in Berlin.

Stefan Rehder

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