Das Mitleid Gottes

Impuls zum 16. Sonntag im Jahreskreis B, 19.7.15

Münster, 17. Juli 2015, zenit.org, Msgr. Dr. Peter von Steinitz

Das Evangelium des heutigen 16. Sonntags im Jahreskreis B berichtet, wie die Jünger nach ihrer gelungenen Mission wieder zu Jesus zurückkehren. Der Herr lobt sie und sagt ihnen: “Ruht ein wenig aus!” (Mk 6,31).

Jetzt in der Ferienzeit erscheint uns dieses Wort des Herrn als ganz besonders ‘passend’, denn immer hat die Kirche, im Auftrag Jesu, gesagt, dass der Mensch, der nach dem Willen Gottes arbeitet, auch nach dem Willen Gottes Ausspannung und Erholung braucht. Dass sich allerdings auch auf diesem Gebiet die Massstäbe etwas verschoben haben, ist in unserer Zeit der ‘Umwertung der Werte’ nicht verwunderlich.

Die Spassgesellschaft verlangt nicht nur eine gewisse Zeit der Erholung, sie hat vielmehr die Neigung, diese zu verabsolutieren. So als wäre Entspannung, Spiel und Spass das eigentliche Ziel des Lebens, und die Arbeit halt ein notwendiges Übel.

Der Philosoph, von dem dieses Wort ‘Umwertung der Werte’ ausging, war Friedrich Nietzsche (1844 – 1900), dessen Einfluss auf das heutige Denken gar nicht überschätzt werden kann. Allenthalben erleben wir diese Umwertung der Werte. Etwas vereinfacht gesagt: was früher gut war, ist jetzt schlecht und was früher als schlecht galt, wird jetzt als gut bezeichnet. Vor allem in ethischen Fragen vollzieht sich dieser Paradigmenwechsel. In sämtlichen Fragen des Zusammenlebens der Menschen sind die bisher gültigen Werte auf den Kopf gestellt.

Zur Zeit erleben wir die Umwertung des Begriffs Leben im Thema Euthanasie. War diese früher undenkbar – und schliesslich nur eine Verirrung der Nationalsozialisten – so ist sie heute diskutabel, und dann ist es eben auch machbar, dass der Mensch vor der Zeit (die der Schöpfer bestimmt) ums Leben gebracht wird. Zunächst freiwillig, später auch nur mit entsprechender Interpretation ‘freiwillig’.

Das alles lässt Gott geschehen.

Im Verhalten Jesu sehen wir immer wieder Zeichen dieser unendlichen Geduld Gottes. Die Leute haben beobachtet, wie die Jünger mit dem Meister ein Boot besteigen, um diese wohl verdiente Ausspannung mit ihm zu erleben. Nicht nur, dass die Menschen für die legitimen Bedürfnisse Jesu und seiner Jünger kein Verständnis haben, sie wollen um jeden Preis die Gelegenheit ausnutzen, in Jesu Nähe zu sein – die einen, um von ihren Krankheiten geheilt zu werden, die anderen aus Neugier – und es gelingt ihnen, auf dem Landwege dorthin zu gelangen, wohin Jesus und seine Jünger mit dem Boot gefahren sind.

Wie verhält sich nun der Herr angesichts dieser Enttäuschung? Wir würden wohl alle verärgert reagieren. Vielleicht war das auch bei einigen der Jünger der Fall. Nicht so bei Jesus. “Als er ausstieg und die vielen Menschen sah, hatte er Mitleid mit ihnen.” (Mk 6,33) Er sieht den Menschen an, dass sie nicht nur aus eigensüchtigen Motiven ihm nachgelaufen sind. Er hat Mitleid mit ihnen, weil sie “wie Schafe sind, die keinen Hirten haben” (Mk 6,33). Ihnen ging es tatsächlich diesmal nicht um Krankenheilungen und Totenerweckungen. Nicht die leiblichen, sondern die geistigen Werke der Barmherzigkeit stehen im Vordergrund: “Und er lehrte sie lange” (Mk 6,34).

Auch heute ist die geistige Not vieler im Wohlstand lebenden Menschen gross. Wenn es mit den Werten in der Gesellschaft in Ordnung wäre, gäbe es genügend Menschen und Institutionen, die den Leuten Orientierung geben könnten, und vor allem, die sie von den Irrlehren der Freidenker bewahren würden. Aber die von Christus dazu eingesetzte Kirche schafft es oft nicht, die Menschen recht zu lehren. Entweder weil sie sich mit anderen Dingen beschäftigt, meist aber weil die Menschen auf die Kirche nicht mehr hören.

Dabei dürfte es gar nicht so schwer sein, den Menschen, so wie Christus es getan hat, klar zu machen, dass das Leben hier auf Erden mehr sein muss als Spass und Erholung, damit es dann in der Ewigkeit eine Existenz voller Freude und Glückseligkeit sein kann. Verständlich ist es schon, dass man, wenn man an das ewige Leben nicht glaubt, alles nur denkbare Glück in das diesseitige Leben verlagern muss. Aber wie erbärmlich ist es dann! Kein Wunder, dass uns auch heute manchmal die Menschen vorkommen wie “Schafe, die keinen Hirten haben”.

Versuchen wir die Empfindungen des Herrn nachzuvollziehen, und den Menschen in unserer Umgebung – aus Mitleid wie beim Herrn – diese Werke der Barmherzigkeit angedeihen zu lassen:

  • die Unwissenden lehren
  • den Zweifelnden recht raten
  • die Betrübten trösten und
  • die Sünder zurechtweisen.

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