Ärzte dürfen nicht zur Gefahr werden

Der Vorsitzende des Bundesverbands Lebensrecht Martin Lohmann über Suizidhilfe und die “Woche für das Leben”

Martin LohmannVon Stefan Rehder

Die Tagespost, 15. April 2015

Herr Lohmann, DBK und EKD eröffnen am Samstag unter dem Motto “Sterben in Würde” die “Woche für das Leben”. Am selben Tag lädt auch der Bundesverband Lebensrecht (BVL) zu einer Tagung nach Hamburg. Fürchten Sie nicht den Vorwurf, die Lebensrechtler machten den Kirchen Konkurrenz?

Ein solcher Vorwurf wäre absurd und fiele auf den zurück, der ihn machen würde. Als BVL setzen wir uns ja schon lange für das Lebensrecht eines jeden Menschen vom Anfang bis zum natürlichen Ende ein. So gesehen ist das diesjährige Schwerpunktthema auch unser Thema. Als BVL, der jedes Jahr – diesmal wieder am 19. September – in Berlin zum “Marsch für das Leben” einlädt, begrüssen wir durch eine eigene Tagung ausdrücklich die “Woche für das Leben”. Und wir unterbrechen diese eigens, um gemeinsam an der Eröffnung durch DBK und EKD teilnehmen. Also: Keine Konkurrenz! Obwohl: Wäre es denn nicht wunderbar, wenn wir uns gegenseitig beim Schutz des Lebens zu übertreffen suchten?

Bis zum Herbst will der Bundestag die Suizidhilfe in Deutschland rechtlich neu regeln. Die bisher bekannten Positionen reichen vom Verbot organisierter Suizidhilfe bis zur gesetzlich geregelten Einführung des ärztlich assistierten Suizids. Können Lebensrechtler damit zufrieden sein?

Wir fordern das Verbot jeglicher Beihilfe zum Selbstmord, nicht nur der organisierten. Ärzte dürfen nicht zu einer Lebensgefahr werden müssen, sondern sind Helfer zum Leben. Der geplante neue Paragraf 217 StGB darf den grundgesetzlichen Schutz des Lebens nicht verleugnen oder verdunkeln. Wir glauben, dass der Staat hier eine Pflicht hat, Missbrauch zu verhindern, Leben zu schützen und keine Schleusen zu öffnen, die die Beihilfe zur Selbsttötung bagatellisieren.

Wie sähe eine Entscheidung aus, die der Vorsitzende des BVL begrüssen könnte?

Wir brauchen eine Kultur der menschenwürdigen Begleitung in schweren Zeiten. Wir brauchen Solidarität statt Selbsttötung! Mehr Palliativmedizin, keine Suizidverführung! Macht es im Kern einen Unterschied, ob diese Tötung gewerblich oder privat begleitet wird? Es ist in jedem Fall wider die Natur des Menschen sowie seiner Würde, selbst Gevatter Tod oder sein Adlatus sein zu wollen. Und was der Natur des Menschen widerspricht oder diese angreift, kann nicht Recht sein oder werden.

Befürworter des ärztlich assistierten Suizids begründen ihre Forderung nach dessen Legalisierung vor allem mit dem Selbstbestimmungsrecht. Haben Sie etwas gegen Selbstbestimmung?

Natürlich nicht! Nur: Es gibt kein Recht auf Töten, auch kein Recht auf Selbsttötung. Fremdtöten und Selbsttöten sind keine Fragen der Selbstbestimmung. Das Leben braucht Ehrfurcht. Ich weiss sehr wohl, wie schwierig das unter Umständen am Ende des irdischen Lebens einzusehen sein mag. Dennoch: Wer das Tötungsverbot mit dem Selbstbestimmungsrecht wegdrücken will, betritt eine für die Humanität gefährliche Zone. Und aus der Suizidpräventionsforschung wissen wir, dass die allermeisten Suizide aufgrund nicht erkannter und daher unbehandelter schweren physischen Krisen oder Erkrankungen begangen werden. Da kann man doch nicht von echter Selbstbestimmung reden.

Was übersehen die Befürworter des ärztlich assistierten Suizids dann?

Schlicht und ergreifend die Tatsache, dass es kein Recht auf Tötung eines Menschen gibt. Was es gibt, ist ein Recht auf Leben und eine würdevolle Begleitung in schweren Stunden. Der assistierte Suizid ist letztlich eine verantwortungslose Antwort auf und eine Kapitulation vor den Nöte vieler Menschen, die in Einsamkeit und Leid keinen Ausweg mehr wissen und nach menschlicher Hilfe rufen. Gebraucht werden keine Hände, die töten, sondern Hände und Herzen, die beim Sterben da sind und der Würde entsprechend würdig helfen. Begleitung statt Beseitigung! Solidarität statt Selbsttötung. Der Tod gehört zum Leben, nicht aber das Töten.

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