Vielfalt, Entgrenzung und Protest

‘Das katholische Ehe- und Familienbild muss verteidigt werden’

Exotische “Ehe”-Formen, schamlose Sexualisierungsmethoden an der Schule – das katholische Ehe- und Familienbild muss verteidigt werden.

Von Hedwig v. Beverfoerde

Die Tagespost, 20.03.2015  

Homosexuelle Dreier-Ehe, schwuler Mann lässt fremde Spender-Eizelle mit seinem Samen befruchten und ein so gezeugtes Kind von seiner eigenen Mutter austragen: Zwei Schlaglichter allein der letzten drei Wochen beleuchten, auf welcher Stufe der endlosen Leiter in die allseits gepriesene Vielfalts-Glückseligkeit wir unterdessen angekommen sind.

Lang scheint es her, dass menschliches Zusammenleben eine selbstverständliche Ordnung hatte, dass ein allgemeiner Konsens herrschte, sowohl in der Sprache als auch im Inhalt: “Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung”, schrieb die Parlamentarische Versammlung ins Grundgesetz.

Und es war klar, was damit gemeint war: Ein Mann und eine Frau gehen eine “auf Dauer angelegte, in der rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätzlich unauflösliche Lebensgemeinschaft” miteinander ein, um eine Familie zu gründen, Kindern das Leben zu schenken und sie gemeinsam aufzuziehen. Diese natürliche Ordnung dient den einzelnen Menschen ebenso wie der Gesellschaft und ist Fundament des Staates.

“Das grösste Feindbild der 68er war nicht der Staat”, “das wahre Hassbild dieser Bewegung war die glückliche, die stabile, die auf Zukunft angelegte sexuelle Beziehung und die heile Familie” – schreibt Bettina Röhl, Tochter von Ulrike Meinhof, jüngst in ihrer Netz-Kolumne bei “Tichys Einblick”. Röhl hat die 68er Zeit nicht nur intensiv studiert, sondern als Kind persönlich an Leib und Seele durchlitten. Und weiter: “Auf den zweifelsfrei nicht einfach erreichbaren Idealtypus der Familie haben die 68er, die dann die Systemmacht im Land übernahmen, eingedroschen was das Zeug hält, und das hat sich so verselbstständigt, dass es inzwischen längst die Gesellschaft selbst ist, die die tradierte Familie und die Ehe, die im Grundgesetz noch unter Staatsschutz gestellt sind, zerhäckselt und bis zur Unkenntlichkeit erwürgt.” Das klingt wie ein Aufschrei, jedenfalls wie ein schonungsloser Befund. Ist es wirklich so schlimm?

Tatsächlich wird seit nunmehr gut vier Jahrzehnten der gesellschaftliche Konsens zu Ehe und Familie planvoll zerstört, mit zunehmender Geschwindigkeit, mal mit Zuckerbrot, mal mit Peitsche. Einerseits geschieht das offen durch die Änderung rechtlicher Rahmenbedingungen, so beispielsweise geschehen durch die Abschaffung des Schuldprinzips im Scheidungsfall, um die Trennung zu erleichtern. Gravierende Auswirkungen hatte auch die Änderung des Unterhaltsrechts unter Brigitte Zypries in 2007, wodurch das Verarmungsrisiko für nicht erwerbstätige Familienmütter im Scheidungsfall drastisch gesteigert wurde. Seitdem wagen junge Frauen kaum noch, einen langfristigen Erwerbsausstieg wegen Kindererziehung zu riskieren. Das neue Unterhaltsrecht hat damit – wie beabsichtigt – der Vollzeitmutter erfolgreich den Garaus gemacht.

Subtiler und deshalb besonders effizient ist die Vorgehensweise des “Gender Mainstreaming”. Häufig getarnt als planvoller Abbau objektiver Benachteiligungen von Frauen, handelt es sich bei der “Gender”-Agenda tatsächlich um eine Ideologie zur Beseitigung der Zweigeschlechtlichkeit. Nicht allein die objektiven Unterschiede zwischen den Geschlechtern werden dabei geleugnet, sondern die schiere Existenz von Mann und Frau als komplementärer Formen des Menschseins selbst. Differenzen zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen sind demnach nicht biologisch festgelegt, sondern bloss anerzogen. An ihrer Überwindung zu arbeiten, ist daher Grundaufgabe von Bildung und Erziehung. Nichts weniger als die göttliche Schöpfungsordnung selbst will die Gender-Lehre schleifen.

Seinen globalen Durchbruch feierte Gender im Jahre 1995 auf der Weltfrauenkonferenz in Peking. In der Folgezeit wurde es in UN-Resolutionen gegossen und im Amsterdamer Vertrag der Europäischen Union verankert. Das Bundesfamilienministerium betrachtet Gender Mainstreaming als “Querschnittsaufgabe”, die alle Bereiche von Politik erfassen müsse. Damit dies gelingen kann, bedarf es einer Neudefinition der Begriffe von “Ehe” und “Familie”. Dass ein Ehepaar naturgemäss aus einem Mann und einer Frau besteht, gilt einer die Medien beherrschenden gesellschaftlichen Elite mittlerweile als geradezu groteske Position. Schliesslich gibt es auch Menschen mit homo- oder bisexueller Neigung und polyamore Beziehungsgeflechte, die ebenfalls Anspruch auf staatliche Anerkennung besitzen. Das Stichwort heisst Entgrenzung: Indem man Ehe und Familie bewusst bis zur Unkenntlichkeit entgrenzt, schafft man sie ab. Wenn alles Ehe ist, auch Homo-, Poly-, Mensch-Tier-Beziehungen, ist nichts mehr Ehe. Was für die Ehe gilt, gilt ebenso für die Familie. Dabei unterscheidet sich der sozialdemokratische Familienbegriff (“Familie ist da, wo Kinder sind”) nur noch graduell von dem christdemokratischen (“Familie ist da, wo Menschen füreinander einstehen”). Die eine Beschreibung gleicht jener, die man auch als Situation im Kaufhaus antrifft, die andere derjenigen in einer gut funktionierenden Nachbarschaft. Wo aber Blutsbande kein Kriterium mehr sind, wird Familie zur hochflüchtigen Angelegenheit. Sogenannte Regenbogenfamilien treten bislang gehäuft vor allem in Talkshows und den neuen gendergerechten Bilderbüchern auf, in der Wirklichkeit sind sie noch kein Massenphänomen, das der natürlichen Familie den Rang abliefe. Aber auch ohne diese Konkurrenz ist die traditionelle Familie stark geschwächt.

Jahrzehnte hoher Ehescheidungsraten haben ihren Tribut gefordert, auch im Bewusstsein der Menschen. Einst unauflösliche Familienbande sind locker geworden oder werden erst gar nicht mehr geknüpft. Nichteheliches Zusammenleben, Untreue, offene Beziehungen und Lebensabschnittspartnerschaften, mit oder ohne Kinder, werden selbstverständlich gelebt und gesellschaftlich akzeptiert. Sozialkontrolle, die Trennung und Scheidung sanktionieren und damit erschweren würde, findet auch in katholisch-praktizierenden Kreisen kaum mehr statt. Hier wie dort hat sich eine alles vernebelnde Toleranz zum obersten Gebot aufgeschwungen. So kommt es heute nicht selten vor, dass bereits bei der Hochzeit ein oder beide Ehepartner eine eventuelle spätere Scheidung als denkbar einkalkulieren. Das Ehesakrament kann auf diese Weise nicht zustande kommen, und auch psychologisch dürfte sich ein solcher Vorbehalt nicht gerade ehestabilisierend auswirken.

Das Ergebnis aufgelöster Familien sind vereinzelte Menschen, die oft auf staatliche Unterstützung angewiesen sind und dadurch vom Staat abhängig und lenkbar geworden sind. Und die Politik tut alles, um den staatlichen Einfluss auszuweiten. Politische Debatten werden ausschliesslich vom “Scheitern von Beziehungen” her geführt. Ganztagskrippen locken Eltern, ihre Kinder frühzeitig anderen zu überlassen, anstatt sich selbst um die Erziehung zu kümmern. Schulen stellen nicht nur Bildung bereit, sondern übernehmen auch gleich den kompletten Erziehungsauftrag.

Zu all dem ist in den letzten Jahren eine riesengrosse neue Gefahr für Ehe und Familie hinzugetreten: die Sexualisierung der gesamten Gesellschaft. Nicht genug damit, dass Pornographie via Internet für Erwachsene, Jugendliche und Kinder gleichermassen leicht zugänglich ist, beteiligen sich auch staatliche Stellen daran, Sex als allgemeines Konsumgut zu propagieren. So wirbt die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) unter dem Vorwand der Aids-Prävention seit Jahren mit bundesweiten Plakataktionen (Mach’s mit!) aggressiv für schrankenlose Promiskuität bei Jung und Alt. Die Befriedigung des Geschlechtstriebs wird als ebenso zwingend notwendig dargestellt wie Essen und Trinken, also jederzeit für jeden und jede. Die Beherrschung dieses Triebes ist nicht mehr vorgesehen und wird, im Gegenteil, als Ideal bis aufs Messer bekämpft. Zölibatäres Leben ist gerade deshalb grösste Provokation, weil es diese Ideologie der unausweichlichen Triebbefriedigung Lügen straft. Enthemmung ist Trend. Psychotherapeuten sprechen von Sex-Sucht als einer neuen Volkskrankheit.

Der in der Ehe eingehegte und kontrollierte Sexualtrieb wird – aus der Verantwortung für den Ehepartner und die Familie entlassen – zum unberechenbaren, alles zerstörenden Monster. Ein der Droge Sex verfallener Mensch ist zur Ehe unfähig. Voraussetzung für Ehefähigkeit sind ja innere Freiheit und Selbstbeherrschung um Verantwortung für einen Ehepartner und Kinder übernehmen zu können. Vor allem steht Sex-Sucht dem innersten Wesen der Ehe selbst diametral entgegen. So heisst es im Katechismus der katholischen Kirche: “Infolgedessen ist die Sexualität, in welcher sich Mann und Frau durch die den Eheleuten eigenen und vorbehaltenen Akte einander schenken, keineswegs etwas rein Biologisches, sondern betrifft den innersten Kern der menschlichen Person als solcher. Auf wahrhaft menschliche Weise wird sie nur vollzogen, wenn sie in jene Liebe integriert ist, mit der Mann und Frau sich bis zum Tod vorbehaltlos einander verpflichten.” (KKK 2 361)

Die Beförderung promiskuitiven Verhaltens und die Weckung und Anheizung des Sexualtriebes durch Bilder, Worte und gedankliche Beschäftigung gefährdet in höchstem Masse die Fähigkeit des jungen Menschen, eine lebenslange treue Ehe einzugehen, und ergo eine stabile Familie zu gründen.

Doch genau das geschieht und hier tobt jetzt eine entscheidende Schlacht. Politiker rot-grüner Couleur haben der Gender-Ideologie die Türen von Schulen und Kindertagesstätten weit geöffnet. Novellen der Bildungspläne, namentlich in Baden-Württemberg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein, zielen darauf ab, eine “Sexualpädagogik der Vielfalt” verbindlich in die Lehrpläne hineinzuschreiben. Und zwar fächerübergreifend. Die “traditionelle Ehe” wird dabei allenfalls als eine von vielen möglichen Formen des Zusammenlebens toleriert. “Hin und wieder gibt es einen Papa und eine Mama”, will der vom schleswig-holsteinischen Sozialministerium beauftragte “Methodenschatz für den Deutschunterricht in den dritten und vierten Klassen” Acht- und Neunjährigen in die Feder diktieren. Lehrbücher sollen nur noch zugelassen werden, wenn sie “gendergerecht” abgefasst sind. Schwul-, Lesbisch-, Bi-, Trans-Aufklärungs-Gruppen (SchLAu) sollen in die Schulen kommen und in Abwesenheit der Lehrer mit den Kinder Aufklärungsprojekte zu “sexueller Vielfalt” durchführen.

Unvorstellbare Lehrinhalte und Methoden der “Sexualpädagogik der Vielfalt” hat Antje Schmelcher in der FAZ am Beispiel des gleichnamigen Unterrichts-Standardwerks von Elisabeth Tuider ans Licht gebracht. Da sollen Schüler beispielsweise die Frage bearbeiten “Wo könnte der Penis sonst noch stecken?“ oder 10-Jährige in einer Übung ihre Lieblings-Sexualpraxis benennen. Schüler sollen in Kleingruppen “galaktische Sexpraktiken“ erfinden, “Dirty-Talk“ üben und sich mit Sexspielzeug vertraut machen. Anal- und Oralverkehr werden als allgemein üblich vorgestellt und ausschliesslich positiv bewertet. Das natürliche Schamgefühl der Kinder soll systematisch zerstört werden. Was ausserhalb der Schule (heute noch) den Straftatbestand des sexuellen Kindesmissbrauchs erfüllt, soll innerhalb der Schule zur Normalität werden.

Seit über einem Jahr gehen Eltern gegen diese Gender-Indoktrinierung und Sexualisierung ihrer Kinder auf die Barrikaden. In Baden-Württemberg haben sie mit 192 000 Unterschriften und Strassenprotest auf mehreren “Demos Für Alle” erreicht, dass der grün-rote Bildungsplan “Für Akzeptanz sexueller Vielfalt” um ein Jahr verschoben wurde und überarbeitet wird. Vor wenigen Tagen wurden nun hochideologische, teils grundgesetzwidrige Einzelmassnahmen eines noch viel grösseren Umerziehungsprojekts bekannt, mit dem “Sexuelle Vielfalt” zum Pflichtprogramm aller Bürger Baden-Württembergs erhoben werden soll – als Vorreiter für ganz Deutschland (siehe dazu auch S. 10 der “Tagespost” dieser Ausgabe). Die heute in Stuttgart um 15 Uhr auf dem Schillerplatz stattfindende “Demo für alle” richtet sich deshalb nicht nur gegen den Bildungsplan, sondern auch gegen den “Aktionsplan für Akzeptanz und gleiche Rechte”.

Die Autorin ist Sprecherin der Initiative Familienschutz und Koordinatorin der “Demo für alle”.

2 Antworten auf Vielfalt, Entgrenzung und Protest

  • […] werden (es lohnt sich, das mal anzuschauen). Familie ist der Grundpfeiler unserer Gesellschaft. Wer sie auflöst sägt am Ast, auf dem wir alle sitzen und bringt unendliches Leid über die Kinder, die ohne stabiles Zuhause aufwachsen müssen. Das […]

  • Morgenroth Elmar:

    Unser Land braucht dringendst Frauen wie Hedwig v. Beverfoerde um noch grösseres Unheil abzuwehren. Unsere Kinder benutzt man für irrsinnige Lehren. Das ist ein Missbrauch! Denn sie werden und müssen einmal den Schaden beheben. Mein Sohn wurde schon vor 10 Jahren mit der angeblichen Sex-Aufklärung schwer belastet. Wenn man Kinder schon frühzeitig in ein freies u. angeblich frohes Sex-sein führt sind gebrochene Beziehungen, die in Drogen, Alkohol bis zum Selbstmord münden, oft das traurige “Ergebnis”! Schon damals war an der Wand am Eingang der Schule hier in Bamberg ein Plakat: Liebe, Sex und Zärtlichkeit. So wurden die Grundschüler “begrüsst”! Keine 100 Meter Luftlinie von unserem Erzbistum entfernt!

    Wo sind unsere mutigen Hirten? die einmal Klartext reden!
    Denn mit den Seelen der Kinder spielt man nicht!

    Elmar Morgenroth

    (bitte an Frau Beverfoerde weiterleiten) Danke

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