“Euthanasie, Beihilfe zum Suizid”

“Euthanasie, Beihilfe zum Suizid” von Prof. Dr. Robert Spaemann

Quelle
Philosoph Spaemann warnt vor Freigabe von Beihilfe zum Suizid
Sterbehilfe in Kanada: Sieg über das Gemeinwohl
 

Zusammengefasst von Pfr. Dr. Roland Graf

In der Einleitung zu seinem Vortrag legte Prof. Dr. Robert Spaemann dar, dass die gegenwärtige Diskussion in der Schweiz über Sterbehilfe als Teil der europäisch/amerikanischen Euthanasiedebatte gesehen werden müsse. Spaemann erklärte, es sei immer wieder geltend gemacht worden, dass der Massenmord der Nationalsozialisten mit den heutigen Euthanasiebestrebungen nichts zu tun haben. Und es werde immer mit grossem Beleidigtsein reagiert, wenn man hier eine Brücke schlage. Spaemann erklärte, dass die Psychiater im Dritten Reich hauptsächlich die Frage gestellt haben, ob das Leben der Opfer für diese selbst noch lebenswert sei. Der von den Nazis produzierte Film “Ich klage an” zeige eine Mitleidstötung auf Verlangen. Spaemann sagte, er behaupte nicht, dass hinter der heutigen Kampagne zugunsten der Tötung auf Verlangen ebenfalls eine den Nazis vergleichbare verbrecherische Absicht stehe: “Aber zwei Dinge müssen doch gesagt werden.

1. In Holland haben wir bereits den Beweis für den Einstiegsdrogencharakter der Tötung auf Verlangen. Inzwischen werden nämlich jährlich über 1000 Menschen ohne ihr Verlangen durch Ärzte getötet.

2. Es gibt objektive gesellschaftliche Interessenlagen und daraus folgend Trends, die auch ohne ausdrückliche Absicht in diese Richtung wirken.

Nach einer eingehenden Analyse der demographischen Situation und des gängigen Lebensstils in den westlichen Industrieländern erklärte Spaemann: “Wo das Gesetz es erlaubt und die Sitte es billigt, sich zu töten oder sich töten zu lassen, da hat plötzlich der Kranke, der Alte, der Pflegebedürftige alle Mühen, Kosten und Entbehrungen zu verantworten, die seine Angehörigen, Pfleger und Mitbürger für ihn aufbringen müssen. Nicht Schicksal, Sitte und selbstverständliche Solidarität sind es mehr, die ihnen dieses Opfer abverlangen, sondern der Pflegebedürftige selbst ist es, der sie ihnen auferlegt, denn er könnte sich ja davon befreien. Das ist unvermeidlich so, wenn ich etwas, was mir erlaubt ist zu tun, nicht tue, dann habe ich die Folgen zu verantworten dafür, dass ich dies nicht tue. Der Kranke lässt, so muss man dann sagen, andere dafür zahlen, dass er zu egoistisch und zu feige ist, den Platz zu räumen. Wer möchte unter solchen Umständen weiterleben? Aus dem Recht zum Selbstmord wird so unvermeidlich eine Pflicht.”

Unter anderm führte er weiter aus:”Wenn etwas geeignet ist, dem Leidenden sein Leben als lebensunwert erscheinen zu lassen, dann ist es die Entsolidarisierung der Gesellschaft durch moralische Aufwertung des Selbstmords und durch Legalisierung der Tötung auf Verlangen, also durch den stillen Hinweis: Da ist der Ausgang! Im Übrigen ist die Tötung auf Verlangen, wie ich sagte, nur die Einstiegsdroge für die Enttabuisierung der Tötung lebensunwerten Lebens auch ohne Zustimmung.”

Kritisch setzte sich Spaemann auch mit den von der Nationalen Ethikkommission der Schweiz unlängst herausgegebenen Qualitätskriterien für die Beihilfe zum Suizid auseinander. An sich teilt die Kommission seine Befürchtungen, aber sie glaubt durch die Äusserung des Willens, diese Folgen zu vermeiden, sie glaubt, diese tatsächlich verhindern zu können.

Spaemann sagte dazu wörtlich: “Und das ist vollkommen naiv, wenn es ehrlich ist. Rechtsbestimmungen sind deshalb da, weil der Mensch nicht verlässlich gut ist. Wer Rechtsbestimmungen erlässt und sie mit der frommen Mahnung versieht, man dürfe sie selbstverständlich nicht missbrauchen, der handelt unverantwortlich fahrlässig. Eine Rechtsbestimmung soll ja den Missbrauch gerade ausschliessen, das ist ja ihr Sinn. Die Sorgfaltsbestimmungen der Kommission sind geradezu rührend.”

Die Kommission sehe u.a.die Gefahr der ungenügenden Abklärung vor der Tat, die Stärkung des Suizidwunsches durch organisierte Angebote der Suizidbeihilfe, die Erhöhung des Missbrauchspotenzials, eine mit der Professionalisierung der Suizidbeihilfe gekoppelte Gefahr der Ideologisierung, ohne daraus die Schlussfolgerung zu ziehen, dass solche Angebote verboten werden müssen.

“Man muss den Suizid schon gut finden, um ihn am laufenden Band zu ermöglichen”, bemerkte Spaemann. Er fasste zusammen: “Die Kommission hat tatsächlich fast alle drohenden Folgen gesehen und aufgelistet, nur um dann alle diese Folgen in Kauf zu nehmen, weil sie nicht bereit ist, das A zu revidieren, aus dem das B zwingend folgen muss.”

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