Ein Seliger für den “synodalen Weg”

Bischofsversammlung in Rom endet ohne klare Ergebnisse und feiert den Konzilspapst Paul VI.

Von Guido Horst

Rom, Die Tagespost, 20. Oktober 2014

Noch ganz unter dem Eindruck der am Abend zuvor abgeschlossenen Bischofsversammlung zu Ehe und Familie hat die römische Kirche am Sonntag die Seligsprechung Papst Pauls VI. gefeiert. Nicht nur die Anwesenheit der Synodenväter gab dem Gottesdienst auf dem Petersplatz ein festliches Gepräge. Auch viele Italiener waren gekommen, vor allem aus den Diözesen Brescia, Mailand und Rom. Das Wetter spielte mit. Eine noch kräftige Oktobersonne strahlte von einem blauen und wolkenlosen Himmel auf die Menschen nieder, so dass sich viele aus der zu dem festlichen Anlass erschienenen italienischen Sonderausgabe des “Osservatore Romano” papierne Sonnenhütchen falteten. Sogar der emeritierte Papst Benedikt XVI. war gekommen und konzelebrierte mit den vielen anderen Kardinälen und Bischöfen in der ersten Stuhlreihe auf dem Sagrato.

Vor dem Altar stand zwischen Blumen das gläserne Reliquiar, das eine Blutreliquie des neuen Seligen enthält: das säuberlich gefaltete Unterhemd, das Paul VI. 1970 in Manila trug, als er von einem geistig gestörten Mann angegriffen und mit einem Messer verletzt wurde. Der Leichnam des Montini-Papstes, des Vollenders des Konzils und des Initiators der römischen Bischofssynode, liegt weiterhin in dem Grab in den Papstgrotten des Petersdoms, es hat eine neue Grabplatte erhalten. Ob das Grab nun in die Basilika nach oben verlegt werden wird, ist noch offen.

Es stimmte also alles, an diesem Sonntagvormittag: Die um die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen aus aller Welt und die Patriarchen der katholischen Ostkirchen erweiterte Kirche von Rom mit dem Papst an der Spitze – und einem emeritierten Papst dazu – zeigte sich von ihrer feierlichsten Seite. Und dennoch hingen Schatten über dem Geschehen. Am Vorabend war mit den Schlussabstimmungen zu den einzelnen Paragrafen des Abschlussberichts der Bischofsversammlung, der “Relatio synodi”, eine ausserordentliche Synode zu Ende gegangen, die allen Beteiligten, den Synodenvätern und den Berichterstattern, ziemlich viel Energie abverlangte, weil zwei Themen im Vordergrund standen, die zu Lagerbildungen geführt hatten: die sattsam bekannte Frage der Kommunionzulassung wiederverheirateter Geschiedener und der Umgang mit Homosexualität. Letzteres hatte auf der Synode zunächst als Randfrage eine untergeordnete Rolle gespielt, war aber dann auf Druck der – vor allem angelsächsischen – Medien und einiger Kardinals-Interviews zur Gretchenfrage der Synode hochgeschaukelt worden, für einige war am Ende die “Öffnung der Kirche gegenüber gleichgeschlechtlichen Paaren” wichtiger als die Frage der Wiederverheirateten. Ein Gag des Bürgermeisters von Rom, Ignazio Marino, sorgte dann auch für die entsprechende publizistische Begleitung. Am Samstag hatte der erste Bürger Roms die zivile Verbindung von sechzehn homosexuellen Partnern, die im Ausland “geheiratet” hatten, als Ehepaare in das römische Personenstandsbuch aufgenommen. Die mit grossem medialen Aufwand auf dem Kapitol inszenierte Veranstaltung hatte zwar rechtlich keine Bedeutung. Der Präfekt der Stadt will die Unterschrift des Bürgermeisters noch diese Woche für ungültig erklären, weil es in Italien überhaupt keine juristische Grundlage für Homo-“Ehen” oder gleichgeschlechtliche Partnerschaften gibt. Auch Innenminister Angelino Alfano erklärte den Akt im römischen Rathaus sofort als nicht geschehen. Aber die Wirkung in der Öffentlichkeit war enorm, die Fotos von sich küssenden schwulen oder lesbischen Paaren mit einem lachenden Bürgermeister Marino dahinter füllten am Sonntag die ersten Seiten der italienischen Zeitungen und stahlen der Bischofssynode die Show. Von der hiess es dann vor allem, die Versammlung habe sich gespalten, in den “zentralen Fragen” sei man zu keinen qualifizierten Mehrheiten gekommen.

Das stimmt. Auf Wunsch von Papst Franziskus hat der vatikanische Pressesaal nicht nur die “Relatio synodi2, sondern auch das Abstimmungsverhältnis zu den einzelnen Abschnitten in der Synodenaula veröffentlicht. Die Absätze, die um die beiden kritischen Themen kreisen, die Punkte 44 bis 56, zeigen Mehrheiten, aber keine – wie für Konzilien und Synoden üblich – qualifizierte Mehrheiten von zwei Dritteln oder drei Vierteln. Der synodale Weg, der die Kirche zu einer Kräftigung und vielleicht auch Neuausrichtung ihrer Ehe- und Familienpastoral führen sollte, geht in die nächste Etappe, ohne dass die bisherigen Hauptfragen klar entschieden worden sind. Und die nächste Etappe wird mühsam sein. Legt man das, was man in den vergangenen Monaten erlebt hat, als Messlatte an die nächsten zwölf Monate bis zur Eröffnung der Familiensynode im Herbst 2015 an, dann geht es weiter mit Interviews, Kardinälen gegen Kardinäle, Voten und Abstimmungen in den Bischofskonferenzen, Intrigen und falschen Vorwürfen, Buchveröffentlichungen und Zeitschriftenartikeln. Die Kirche beschäftigt sich mit sich selbst.

Papst Franziskus nutzte am Sonntag seine Predigt, um den seligen Paul VI. auch als Vorbild für eine Kirche zu preisen, die sich auf einem solchen “synodalen Weg” befindet, wie man ihn jetzt noch monatelang vor sich hat. Es seien ihm Worte in den Sinn gekommen, mit denen Paul VI. die Bischofssynode errichtet habe: “Die Zeichen der Zeit aufmerksam durchforschend” versuche man, die Wege und Methoden “den wachsenden Notwendigkeiten unserer Tage sowie den veränderten Verhältnissen der Gesellschaft anzupassen”. Und, so Franziskus weiter, es sei ein Papst gewesen, der in der Demut Grösse bewiesen habe. “Während sich eine säkularisierte und feindliche Gesellschaft abzeichnete”, habe Paul VI. es verstanden, “weitblickend und weise – und manchmal einsam – das Schiff Petri zu steuern, ohne jemals die Freude am Herrn und das Vertrauen auf ihn zu verlieren.” Ob sich Franziskus auf der Synode einsam gefühlt hat, sei dahingestellt. Aber er hat, bis auf die Sätze ganz am Anfang und ganz am Ende, geschwiegen.

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