Der Weg hat ein Ziel: Jerusalem

Die Hochschule Heiligenkreuz gründete ein “Institut für Biblische Archäologie und Biblische Reisen”

hochschule heiligenkreuz Ikone Lasst die Kinder zu mir kommen in Assiut OberägyptenHochschule Heiligenkreuz

Von Stephan Baier

Heiligenkreuz, Die Tagespost, 20. Oktober 2014

Die nach Papst Benedikt XVI. benannte Philosophisch-Theologische Hochschule Heiligenkreuz im Wienerwald wächst nicht nur rasant an Gebäuden und Studierenden. Die 1802 gegründete und 2007 zur Hochschule päpstlichen Rechts erhobene einzige Zisterzienserhochschule weltweit erschliesst auch immer neue Wissenschaftsfelder, die andernorts nicht oder nicht in vergleichbarer Qualität abgedeckt sind.

In der Vorwoche hob der dynamische Hochschulrektor, Zisterzienserpater Karl Wallner, ein “Institut für Biblische Archäologie und Biblische Reisen” aus der Taufe.

Diese Neugründung entwickelt in enger Zusammenarbeit mit dem traditionsreichen “Österreichischen Hospiz in Jerusalem” einen postgradualen, berufsbegleitenden Hochschullehrgang zur Qualifizierung von Reiseleitern ins Heilige Land. Geleitet wird das Institut von Professor Friedrich Schipper und dem Rektor des Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar.

Es gehe um eine “hohe theologische Qualifikation” mit kirchlichem Abschluss, meinte Schipper, doch werde ausser Theologie, Bibelkunde, Spiritualität, Geschichte und biblischem Hebräisch hier auch Reisemanagement, Rechnungswesen, Rechtskunde und Erste Hilfe gelehrt werden. Neben dem Hochschullehrgang für Reiseleiter will sich das neue Institut auch um die Herausgabe einer Pilgerzeitschrift und um Ausstellungen bemühen.

Die Gründung des neuen Instituts fand im barocken Kaisersaal des Zisterzienserstiftes Heiligenkreuz am Donnerstag im Rahmen einer internationalen Fachtagung über Geschichte, Gegenwart und Zukunft der “Pilgerfahrt ins Heilige Land” statt. Der in Nazareth residierende Weihbischof Giacinto-Boulos Marcuzzo, der Vikar des Lateinischen Patriarchen von Jerusalem für das Gebiet von Israel ist, verteilte in Heiligenkreuz freudig Geschenke aus dem Heiligen Land. Darunter auch Granatäpfel, ein biblisches Symbol für Liebe und Fruchtbarkeit.

“Eine Wallfahrt ist eine Reise in die Bibel, in der Bibel und für die Bibel, eine Reise in die Beziehung des Menschen mit Gott und Gottes mit den Menschen”, erklärte Weihbischof Marcuzzo. Das Ziel der Pilgerfahrt sei die Begegnung mit Gott, darum müsse das Wort Gottes vor Ort gelesen werden: “Wenn man die Bibel nicht liest, fällt man in eine Vergötzung des Ortes, in einen Archäologismus.” Ohne die Bibel werde die Pilgerfahrt ins Heilige Land “trocken und unfruchtbar”.

Nicht nur positiv sieht Patriarchalvikar Giacinto-Boulos Marcuzzo die Tatsache, dass Wallfahrten wieder populär geworden sind: Sie würden kommerziell und konsumgerecht angeboten und führten so oft zu einem “Wegwerftourismus”. Marcuzzo riet deshalb zu einer guten Vorbereitung sowie zur Begegnung mit den christlichen Gemeinden im Heiligen Land. Die Teilnahme der Pilger an den Sonntagsmessen der einheimischen Christen, die nur noch zwei Prozent der Einwohner stellen, sei auch eine Ermutigung für diese überwiegend arabischen Christen.

Marcuzzo skizzierte in Heiligenkreuz eine “Theologie der Pilgerschaft”, die allen monotheistischen Religionen gemeinsam sei, und deren Ziel nicht die Freude am Tourismus, sondern das Wachstum im geistlichen Leben, ja die geistliche Wiedergeburt des Menschen sei. Die Hochachtung vor dem Pilger sei in der orientalischen Mentalität tief verankert: “Niemand käme es in den Sinn, einen Pilger zu verletzen, wenn er als Pilger erkennbar ist. Der Pilger ist unantastbar!”

Bereits zu Beginn der Tagung begründete Pater Karl Wallner die Tradition der Pilgerfahrt ins Heilige Land mit der Menschwerdung Gottes in einem konkreten Menschen und an einem konkreten Ort. Darum seien die Christen von Anfang an zu den Stätten der Geburt, des Todes und der Auferstehung Christi gepilgert. “Das Heilige Land ist das Evangelium der Evangelien”, meinte der Rektor der Hochschule Heiligenkreuz.

Der Pilger werde “hineingenommen in die Poesie des Seins“, meinte Pater Marian Gruber, der das Institut für Philosophie an der Hochschule in Heiligenkreuz leitet. Der Zweck des Pilgerns sei nicht das blosse Unterwegssein, sondern ein finaler statt eines bloss kurzfristigen Effekts.

Der neue Professor und Institutsleiter für Biblische Archäologie und Biblische Reisen, Friedrich Schipper, zeigte, dass christliches Pilgern ins Heilige Land “seit 1 700 Jahren absolut im Trend” liegt. Von Anfang an habe es das Interesse an der Heilsgeschichte, an der Heils-Topografie und an der Geschichte der dort zu verortenden Personen gegeben. Schipper machte den Beginn der Altertumsforschungen bei Eusebius von Caesarea im 4. Jahrhundert sowie beim heiligen Hieronymus, der die letzten 34 Jahre seines Lebens in Bethlehem verbrachte, fest. Als “Ahnfrau aller Archäologinnen” sei die Mutter von Kaiser Konstantin, Kaiserin Helena, zu den Stätten der Verehrung ins Heilige Land gereist und habe je ein Drittel der gehobenen Reliquien nach Rom sowie zu ihrem Sohn nach Konstantinopel gesandt beziehungsweise in Jerusalem belassen.

Als geschichtliches Motiv der Heilig-Land-Pilgerfahrt nannte Institutsvorstand Friedrich Schipper die Sehnsucht der Gläubigen, dem Heilshandeln Gottes “wenn schon nicht zeitlich, so zumindest räumlich nahe zu sein”, dorthin zu reisen, “wo der Erlöser auf Erden wandelte”. So werde der Pilger zu einem Teilhaber der Kraft, nehme den Segen mit und kehre als ein anderer, “substanziell bereichert” in seine Heimat zurück.

Mit einer besonderen Form der Heilig-Land-Reise, den oft als “bewaffnete Wallfahrt” bezeichneten Kreuzzügen, setzte sich der emeritierte Münsteraner Theologe und Kirchenhistoriker Arnold Angenendt auseinander. Seine These lautet: “Die Kreuzzüge zielten vor allem auf die Reinigung Jerusalems als geschändeter Braut Jesu Christi.” Damit seien die Kreuzzüge eine “machtvolle Rückkehr des Pollutio-Denkens”, also der Vorstellung, dass das durch Blut verunreinigte Land nur durch neuerliches Blutvergiessen wieder zu reinigen sei. Theologisch interessant ist daran, dass zwar das Alte Testament voll von solchen Reinigungs- und Sühnevorstellungen ist, wie Angenendt zeigte, Jesus sich und die Seinen davon aber befreite.

Der Kirchenhistoriker sprach von einer drastischen Entmythologisierung, die es den frühen Christen ermöglicht habe, die Reinheitsvorschriften der Thora zu missachten und metaphorisch auszulegen: Die frühen Christen brachten kein Blutopfer mehr dar, sondern feierten das Herrenmahl.

Wie alle Religionen kenne auch der Islam die kultische Unreinheit und habe sich im Mittelalter dem Christentum insbesondere wegen seiner Reinigungsvorstellungen überlegen gefühlt. Die Besetzung des Tempelberges in Jerusalem durch “die Franken”, wie die Kreuzritter genannt wurden, sei von den Muslimen als Demütigung und Desakralisierung verstanden worden. Während das Neue Testament kein durch Blut konsekriertes Land kenne, seien solche Vorstellungen von den Kreuzzugspredigern einschliesslich der Päpste nun ständig zitiert worden, sagte Angenendt. Die von den Muslimen geschändeten und verunreinigten Heiligen Stätten sollten darum nun mit dem Blut der Muslime gereinigt werden.

Der Wiener Historiker Helmut Wohnout zeigte, wie im 19. Jahrhundert ein Wettlauf der Grossmächte und der Konfessionen um Präsenz im Heiligen Land einsetzte. Österreichische Meilensteine waren dabei die Grundsteinlegung für das bis heute bedeutungsvolle Österreichische Hospiz in Jerusalem 1856, die Jerusalem-Reise von Kaiser Franz Joseph 1869 sowie die grossen Volkswallfahrten ins Heilige Land im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Diese Massenbewegung zu einem tausende Kilometer entfernten Ziel seien damals “eine Sensation” gewesen. Die Volkswallfahrten seien zugleich eine Massnahme der Volksmission gewesen “in der Zeit des Kulturkampfs mit dem Modernismus und der Los-von-Rom-Bewegung”, so Wohnout.

Um gute Studienreisen, religiös motivierten Tourismus und um das “Wahrnehmen der Christen im Orient” geht es bei heutigen Heilig-Land-Pilgerfahrten, erklärte der Geschäftsführer von “Biblische Reisen”, Andreas Kickinger. “Religion ist nicht Verengung, sondern Vertiefung”, sagte Kickinger, um zu begründen, warum sein Unternehmen bei allen Reisen eine morgendliche Betrachtung und die Lektüre biblischer Texte integriert. “An bestimmten heiligen Orten ist nicht der Himmel offener als anderswo, aber wir sind offener!” Als Herausforderungen des Heilig-Land-Pilgerns nannte der Reisemanager nicht bloss die “faszinierende Spannung zwischen Heiligem Land und unheiligem Land” sowie die politischen Probleme, sondern auch die moderne Technik: “Wie soll der Reiseleiter damit umgehen, dass manche Teilnehmer immer online sind?”

Dass der Unfriede im Heiligen Land ein Hindernis für den Glauben sein kann, bestätigte auch der Rektor des Österreichischen Hospizes in Jerusalem, Markus Bugnyar. Er meinte aber auch: “Der Eifer des anderen kann Juden, Christen und Muslime anspornen im Wetteifern.” Pilgerfahrt sei kein politischer Crash-Kurs, sondern Aufbruch und Ausbruch aus Starre und Alltag, sei ein Zurück zur Quelle. Die Pilgerfahrt müsse nicht in jedem Fall aus der Frömmigkeit geboren sein, doch trete das Wichtige hervor, “und das kann auch Gott sein”. Als einen “Teufelskreis der Selbsterlösung” bezeichnete Bugnyar die Formel: “Ich kann mehr aus mir herausholen, wenn ich mehr in mich hineinhöre.” Das Ziel der Pilgerfahrt sei auch Läuterung, Busse, Trost und Verzeihung.

Die Reformatoren und die Aufklärer hätten die Pilgerfahrten als eitlen Firlefanz abgetan. Das wirke im katholischen Bewusstsein bis heute nach, meinte Bugnyar. Viele würden Wallfahrten bis heute in das Eck des Aberglaubens stellen, doch gehe es um die Begegnung mit Tod und Auferstehung Jesu Christi in der Sakrallandschaft. “Wir Christen haben den Vorteil, keine Mythen zu glauben. Machen wir uns auf den Weg zu Ihm – in Jerusalem!”

Der Rektor des Hospizes in der Altstadt von Jerusalem appellierte zugleich, die Pilgerfahrt zu einem Akt der Solidarität mit den Christen im Heiligen Land zu machen: “Nur gemeinsam werden wir den Pilgerweg zum himmlischen Jerusalem gehen können.”

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Kategorien

Die drei Säulen der röm. kath. Kirche

monstranz maria papst-franziskus

Archiv

Empfehlung

Ausgewählte Artikel

  • Catholicism

    Matthäus 16.18 – Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen […]

  • Samstag der 15. Woche im Jahreskreis

    Evangelium nach Matthäus 12,14-21 Die Pharisäer aber gingen hinaus und fassten den Beschluss, Jesus umzubringen. […]

  • Maskierte Gewissen

    Maskierte Gewissen – Gedanken zum Markus-Evangelium Quelle Rezension amazon – Folgeliteratur Media Maria Verlag Von […]

  • Vielfalt, Entgrenzung und Protest

    ‘Das katholische Ehe- und Familienbild muss verteidigt werden’ Exotische “Ehe”-Formen, schamlose Sexualisierungsmethoden an der Schule […]

  • Kroatien: Gebetswache mit den Jugendlichen

    “Freut euch im Herrn zu jeder Zeit!” Ansprache von Papst Benedikt XVI.  “Bano Josip Jelačič” Platz – […]