Erneut Hilfeschrei der Christen
IS-Terror: Oberhäupter orientalischer Kirchen flehen um Unterstützung
Die Tagespost, 17. September 2014, Von Markus Reder
Washington verschärft den Kampf, Berlin ist alarmiert, verfolgte orientalische Christen flehen erneut um Hilfe und in Rom wächst die Angst vor einem Anschlag auf den Papst: Der “Islamische Staat” (IS) hält die Welt in Atem und absolut nichts deutet darauf hin, dass der Kampf gegen dessen bestialischen Terror nur von kurzer Dauer sein könnte. Vieles spricht indes dafür, dass die Bekämpfung der radikalen Islamisten weit grössere Anstrengungen erfordert als dies die derzeitigen US-Strategiepläne vorsehen. Trotz des kategorischen Neins von Präsident Obama zum Einsatz von Kampftruppen schliesst US-Generalstabschef Martin Dempsey deren Einsatz inzwischen nicht mehr völlig aus.
Die Bundesregierung ist besorgt, aus Deutschland stammende Selbstmordattentäter könnten den Terror nach Syrien und in den Irak exportieren. Das sei unerträglich und müsse unterbunden werden, betonte Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU). Die Bedrohungslage ist komplex und vielgestaltig. Das macht den Kampf gegen die IS-Terroristen so schwer.
Angesichts der zunehmenden Dramatik der Lage haben die Oberhäupter mehrerer orientalischer Kirchen die Weltgemeinschaft erneut eindringlich um Hilfe gegen die IS-Terrormiliz angefleht. Die Niederschlagung der Islamisten im Irak und in Syrien bleibe die “oberste Priorität”, heisst es in einer gemeinsamen Stellungnahme der Patriarchen und Erzbischöfe, die am Dienstagabend vom Büro des vatikanischen Beobachters bei den UN-Organisationen in Genf verbreitet wurde. Ein Eingreifen zum Schutz der Bedrängten sei eine “Pflicht” der Vereinten Nationen. Auf die Frage ausländischer Militärunterstützung gehen die Kirchenvertreter nicht ein. Die Terrormiliz “Islamischer Staat” bedrohe nicht nur Christen und andere religiöse sowie ethnische Gruppen, sondern sei auch eine Gefahr für den ganzen Nahen Osten und die internationale Gemeinschaft. “Wenn diese Ideologie nicht entschieden verurteilt und wirksam vernichtet wird, zerstört sie das ganze System der Menschenrechte und schafft einen gefährlichen Präzedenzfall der Gleichgültigkeit”, so die Erklärung. Die Massaker und Gräueltaten des IS stellten “Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar”. Von der Staatengemeinschaft verlangten die Kirchenführer humanitäre und finanzielle sowie soziale Unterstützung. Die Hilfe sei umso dringender, da der Winter bevorstehe. Unterzeichnet wurde der Appell unter anderem vom Patriarchen der chaldäisch-katholischen Kirche in Bagdad, Louis Raphael Sako, vom Patriarchen der syrisch-katholischen Kirche, Ignatius Joseph III. Younan in Beirut und dem syrisch-orthodoxen Erzbischof von Mossul, Nicodemus Daoud Sharaf. Sorgen wegen möglichen Anschlags auf den Papst Zur Frage der Waffenlieferungen hatte sich am Dienstag der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, geäussert. Gegenüber der “Bild“-Zeitung sagte der Kardinal, es sei vertretbar, “dass Deutschland durchdacht und kontrolliert denjenigen Waffen schickt, die das Leben unschuldiger Menschen verteidigen“. Marx hob hervor, Gewalt könne nie Frieden schaffen, könne aber nötig sein, um unschuldige Leben zu schützen. Anders als Marx sieht der Präsident von Caritas Internationalis, Kardinal Oscar Rodriguez Maradiaga, der wie der Münchner Erzbischof im Kardinalsrat des Papstes sitzt, in Waffenlieferungen ein grundsätzliches Problem. Bei der Eröffnung eines hochrangigen Caritas-Treffens zur Lage im Nahen Osten am Montag im Vatikan sprach sich Maradiaga gegen Militäreinsätze im Irak aus. Mit der Bildung einer Militärallianz gegen die islamistischen Rebellen und der Entsendung von Kampfflugzeugen und Drohnen liefere der Westen die falsche Antwort, meinte der Kardinal. Gewalt führe nur zu neuer Gewalt und einem sinnlosen Gemetzel. Der einzige Weg zum Frieden in der Region bestehe im Entschluss aller involvierten Regierungen, keine Waffen mehr in die Region zu liefern. Unterdessen wächst in Rom die Befürchtung, der IS-Terror könne zur direkten Bedrohung für die Person des Papstes werden. Der irakische Botschafter am Heiligen Stuhl berichtete, es lägen glaubwürdige Hinweise auf einen geplanten Anschlag auf den Papst während dessen Albanienreise vor. “Die Drohungen des selbsternannten ‘Islamischen Staates’ sind klar – sie wollen den Papst töten. Die Drohungen gegen den Papst sind glaubwürdig”, sagte Botschafter Habeeb Al Sadr gegenüber der italienischen Tageszeitung “La Nazione”. Angesichts solcher Äusserungen mühte sich Vatikansprecher Pater Federico Lombardi um Mässigung. “Es liegen keine spezifischen Drohungen oder Risiken vor, welche das Verhalten des Papstes oder die Art der Organisation der Reise ändern würden”, sagte er. Papst Franziskus werde wie geplant die Messe in Albaniens Hauptstadt Tirana feiern und in seinem offenen Papamobil herumfahren. Der Papst wolle keine „Hindernisse“ zwischen sich und den normalen Leuten, die er treffen werde. Nach Angaben von Lombardi sähen die vatikanischen Sicherheitsverantwortlichen der eintägigen Reise gelassen entgegen.
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