Welche Werte vermögen Europa zu tragen?

Erstreben eines “europäischen” und “integrierten” Islams ist eine reine Utopie, ein hoffnungsloses Wunschdenken

Quelle
Vergewaltigung der menschlichen Identität

Wo der Islam erst einmal die Oberhand gewonnen hat, dort wird er sich immer arabisch entfalten.

Ein Gastkommentar von Michael Gurtner

Linz, kath.net, 23. Juli 2014

In letzter Zeit häufen sich in intellektuellen und akademischen Kreisen Überlegungen, welche ursprünglich mehr in künstlerisch geprägten Milieus zu finden waren, sowie in einigen der linksorientierten Alternativ-Szenen: Die Frage danach, welche die neuen Werte Europas sein können, die in der Lage seien, dieses etwas behäbig erscheinende Konstrukt zu tragen. Die Debatte verläuft dabei unserem säkularen Zeitgeist entsprechend freilich kaum auf einer theologischen Ebene, sondern vornehmlich in einem staats- und gesellschaftsphilosophischen Kontext.

Offenkundig liegt dieser Frage die Auffassung zugrunde, dass der einst beklagte Werteverlust mittlerweile zu einem Wertevakuum angewachsen ist, welches es nun aufzufüllen und durch neue Werte zu ersetzen gilt. Die alten europäischen Werte, welche allesamt im christlichen Glauben wurzelten, gibt es nicht mehr, und man will sie auch nicht mehr.

An der Fragestellung selbst sind zwei Dinge richtig. Einerseits ist da das Bewusstsein um eine Leere, um das Fehlen an etwas, das imstande ist, eine so weitläufige und vielschichtige gesellschaftliche Realität, wie es die europäische Kulturen sind, zu tragen. Dass Europa etwas von dem verloren hat, was es einst zu tragen vermochte, ist eine richtige Tatsachenfeststellung und wird aussereuropäisch sogar noch viel deutlicher wahrgenommen als wir Europäer selbst es tun. In Afrika, Asien und den islamischen Kulturkreisen ist über die weltanschaulichen und religiösen Grenzen hinweg mittlerweile eine selbstverständliche Grundeinsicht, dass Europa innerlich ausgehöhlt ist und sich wie in einem Rausch der hedonistischen Dekadenz hingegeben hat, deren einzige Werte wirtschaftliches Wohlergehen und ungezügelte Freiheiten zu sein scheinen. Der gesellschaftliche Selbsterhaltungstrieb ist dabei völlig ausgeschaltet. Dies ist die Fremdsicht Europas, und sie scheint nicht völlig verkehrt zu sein. Europa wird hinsichtlich seines Werteverfalls von vielen anderen Kulturkreisen überaus kritisch gesehen.

Fortschritt wurde zu sehr auf den technischen Fortschritt reduziert, und aus dem grossen Fortschrittsgefüge isoliert. Hochtechnologische Massenvernichtungswaffen bauen zu können, die nur noch mittels Computer gesteuert werden brauchen und im Grunde ohne eigene Kampfsoldaten auskommen, ist unter technischen Aspekten ein Fortschritt. Doch wenn man andere Aspekte, konkret: moralische und humane Werte hinzunimmt, so sieht das Fortschrittsurteil schon wieder ganz anders aus. Das Bewusstsein um ein eingetretenes Wertevakuum ist also der eine richtige Aspekt der Frage nach den neuen Werten Europas.

Der zweite richtige Aspekt ist die Grundeinsicht, dass dieser Zustand der Wertefreiheit nicht von Dauer sein kann. Es braucht tragende Werte um eine Gesellschaft auf Dauer erhalten zu können, das ist ebenso richtig. Eine Kultur wird immer über die Änderung der gesellschaftlichen Grundwerte in eine andere Kultur überführt.

Diese beiden Grundeinsichten zusammengenommen führen dazu, dass man sich auf die Suche nach neuen Wertmassstäben begibt. Wir haben unsere alten Werte verloren, wodurch ein Werteloch entstanden ist, doch wir brauchen Werte, folglich müssen wir uns auf die Suche nach neuen Werten begeben. Dies ist der Hintergrund der sich auch auf intellektuelle und akademische Kreise ausbreitenden entsprechenden Frage.

In der konkreten Suchrichtung hingegen stossen wir allerdings sehr schnell auf eine befremdlich paradoxe Denkwelt. Was man an sich vehement ablehnt, wird in dessen Extremformen plötzlich über den Umweg der Toleranz zugelassen oder gar zu einem Desiderat erhoben. Was man doch noch als Überrest eines Wertes ausgibt, wird schnell über Bord geworfen und durch sein Gegenteil ersetzt. Dadurch zeigt sich übrigens, dass viele der vorgegebenen oder gar vorgeschriebenen Werte, die tatsächlich gar keine solche sind (ein falsch verstandenes Freiheitsstreben, beispielsweise, oder sexuelle Freizügigkeit), in Wirklichkeit bereits nicht mehr existieren da es an der dahinterliegenden Überzeugung fehlt, auch wenn das Wort “Wert” noch auf den Lippen geführt wird. Denn einen Wert, von dem man überzeugt ist (unabhängig davon ob es sich um einen echten oder vermeintlichen Wert handelt), ersetzt man nicht plötzlich durch sein ins Extrem überzogenes Gegenteil, sobald sich die Gelegenheit ergibt, sondern man wird versuchen, sich gegen dieses extreme Gegenteil so gut es geht zu schützen und notfalls mit allen Mitteln zu wehren. Da dies jedoch nicht der Fall ist, wie wir gleich noch genauer sehen werden, drängt sich der Verdacht auf, dass es bei unseren heutigen angeblichen Werten letztlich bloss darum geht, die alten europäischen Werte auszurotten, und nicht um die neuen Werte selbst, weil man diese wie gesagt gerne bereit ist durch deren extremen Gegenteile zu ersetzen.

Es scheint gegenwärtig jedoch, als gelte bei der Suche nach neuen Werten all jenes als gut, was nicht das Eigene ist. Dieses hingegen erscheint von vorne herein als suspekt und muss so gründlich als möglich ausgerissen und durch Fremdes ersetzt werden. Über fremde Fehler der Gegenwart und Geschichte sieht man grosszügig hinweg, während man sich nicht nur der eigenen Fehler schämt, sondern der gesamten eigenen (Geistes)Geschichte, die guten Seiten mit eingeschlossen.

Weil die gegenwärtige neue Wertedebatte mit gewaltigen Migrationsbewegungen zeitlich zusammenfällt, welche vornehmlich muslimisch geprägt ist, liegt es in der Natur der Sache, dass diese starke islamische Einwanderung in nicht geringen Massen mit in die Überlegungen einfliesst. Es stellt sich nämlich zugleich zur neuen Wertesuche die Frage, wie der eigene Kulturkreis auf die immer stärker auftretenden islamischen Präsenzen reagieren und welche Haltung ihr gegenüber eingenommen werden soll.

Hierbei kommt es aktuell zu einer eigenartigen, ja gefährlichen Symbiose von europäischen und islamischen Kulturen. Es ist durchaus angebracht, von beiden im Plural zu sprechen, weil der Islam als solcher ebensowenig homogen ist wie es die europäischen Kulturen sind, wenngleich in beiden jeweils gewisse Kernpunkte als verbindende Gemeinsamkeiten vorhanden sind, welche einerseits die verschiedenen europäischen, andererseits die islamischen Kulturen jeweils untereinander einen, wobei die europäischen Kulturen den islamischen Kulturen wiederum reichlich gegenteilig gegenüberstehen. Deshalb ist es nicht nur verwunderlich, sondern gar sehr fragwürdig, um nicht zu sagen gefährlich, wenn man sich in Europa nun ausgerechnet bei dem, was man als die “Gegenkultur” zu Europa bezeichnen könnte, auf die Suche nach den neuen Werten begibt, so wie dies derzeit immer massiver geschieht, und man sich die Frage stellt, ob nicht ausgerechnet der in Europa eindringenden Islam uns jene neuen Werte liefern könnte, welche uns selbst abhanden gekommen sind. Dass die europäischen Kulturen und die islamischen Kulturen einander antipodisch Gegenüberstehen hat seine geistesgeschichtlichen, historischen und ganz besonders seine theologischen Gründe.

Gegensätze miteinander zu vermischen ist auf Dauer gefährlich und wird zwangsläufig zu einem hochexplosiven Pulverfass anschwellen. Die eigentliche Frage ist nämlich nicht jene nach einer biologischen Rasse oder einer geographischen Herkunft, sondern allein nach der Kompatibilität der persönlichen Kulturen. So kommt es, dass wir meist unbemerkt und aus einem inneren Gefühl heraus in unserem täglichen Sprachgebrauch Menschen ähnlicher kultureller Prägung nicht als “Ausländer” bezeichnen, während wir diesen Terminus sehr wohl für Menschen benutzen, welche uns geographisch vielleicht sehr nahe, kulturell jedoch weit entfernt sind. So, wie wir den Begriff “Ausländer” für gewöhnlich benutzen, beziehen wir uns nicht auf Rassen oder die Herkunft aus einem unterschiedlichen Land, sondern auf die aktuelle Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis, der dem unseren absolut fremd ist.

Europa ist ein vorrangig kultureller Begriff, welcher die unterschiedlichsten Länder durch gemeinsame Kultur- und Werteelemente einte und untereinander verband. Diese Kulturgüter und die damit verbundenen Werte waren ihrerseits durch das gemeinsame und alle einende Christentum geprägt. Das zunächst noch ungeteilte Christentum war das universale Element, welches allen noch so unterschiedlichen Völkern und Kulturen gemein war, und in diesem vereinenden Glauben haben sich dann die unterschiedlichen europäischen Kulturfamilien und Wertekreise entwickelt, stets jedoch auf dem religiösen Fundament gegründet, welche im Letzten alles trug. Deshalb sind die europäischen Kulturen christliche Kulturen und die europäischen Werte christliche Werte. Der christliche Glaube prägte und bestimmte bei aller Unterschiedlichkeit, welche weitestgehend problemlos nebeneinander bestehen konnte (das beste Beispiel ist die vielvölkische Habsburgermonarchie) die europäischen Völker, Gesellschaften, Staaten und das Denken in Europa generell. Der gemeinsame Glaube verband das Unterschiedliche doch wieder zu einer Einheit und stellte damit sicher, dass die Kulturen in all deren Diversitäten die zentralen Grundfesten doch gemeinsam hatten.

Das Christentum hat es verstanden, eine allen betroffenen Völkern gemeinsame Kultur herauszubilden, ohne dabei die jeweils eigenen geographischen Kulturen zu zerstören. Was reine Lebensgewohnheit ist, konnte ohne weiteres bleiben und wurde allenfalls in seinem so-sein-und-bleiben durch christliche Elemente, wo es nötig war, korrigiert oder angereichert. Das Christentum fügte sich also im Grunde in die Kulturen ein und verband durch das Unwandelbare seiner selbst die unterschiedlichen Kulturen untereinander. Es war ein überaus fruchtbares Wechselspiel zwischen Wandelbarem und Unwandelbarem. Was gegen die Wahrheit stand wurde bereinigt, was der Wahrheit nicht entgegenstand wurde nicht nur belassen, sondern gar gefördert und belebt.

Der Islam hingegen ist hier viel weniger flexibel: wo der Islam die Oberhand erhält, ändert sich sämtliche Lebensbereiche, auch jene, welche für sich zunächst nicht religiöser Ausprägung sind.

Islam nämlich bedeutet nicht die Frage nach Wahrheit, sondern es ist im Letzten eine Lebens- und Gesellschaftsform, die sich nicht bloss als Religion versteht, sondern als eine alles umfassende und bestimmende Lebensregel. Der Islam ist arabisch mit allem was dazugehört und Punkt, während das Christentum dasselbe in Europa, Asien und Afrika sein kann, ohne deshalb jeden und alles gleichzuformen, wie es der Islam tut. Daher gibt es eine europäische, asiatische, afrikanische usw. Ausformung des einen, immer selben Christentums. Trotz aller Vielgestalt in welcher uns die islamische Religion entgegentritt ist sie dennoch sehr viel starrer und unflexibler als das Christentum, welches im Gegensetz zum Islam an sich stets zu unterscheiden wusste zwischen dem, wo Einheitlichkeit not tut und dem, wo es zurecht eine weitläufige Freiheit geben kann.

Vor diesem Hintergrund ist das Sprechen und Erstreben eines “europäischen” und “integrierten” Islams eine reine Utopie, ein hoffnungsloses Wunschdenken. Wo der Islam erst einmal die Oberhand gewonnen hat, dort wird er sich immer arabisch entfalten, weil ihm das Arabische zutiefst zu eigen ist, da er nicht auf einer realen Gottesoffenbarung aufbaut, sondern auf einer kulturell geprägten Konstruktion, eben jene der arabischen Kultur.

Auch wenn es vielleicht nicht für jede einzelne der unzähligen Einzelfragen zutreffen mag, so kann man doch als die grosse Tendenz festhalten, dass man in Europa das, was einst in rechter Weise und in gesundem Masse vorhanden war, auf der einen Seite als “fundamentalistisch” und “extrem” ablehnt und verpönt. Doch auf der anderen Seite wird dies zugleich und paradoxerweise in deren tatsächlichen Extremformen hereingeholt und zu einem Wert erhoben, und zwar ausgerechnet über jenes Argument, welches zur Ablehnung des eigenen, ausgewogenen Wertes geführt hat. Was sich in der theoretischen Beschreibung vielleicht etwas abstrakt anhört, hat überaus konkrete Beispiele.

So war der Missionsgedanke in Europa auf Grund seiner christlichen Wurzeln und dem klaren und deutlichen Missionsauftrag Jesu Christi bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts durchaus vorhanden, und mit weiteren christlichen Werten verbunden, was der katholischen Mission ein überaus humanes Gesicht gab und meist mit einer ausgedehnten und grosszügigen humanitären und karitativen Aktivität verbunden war. Der Missionsgedanke war also vorhanden, und er war es in einer sehr ausgewogenen Art und Weise, welches den leiblich-menschlichen mit dem seelisch-geistlichem Nutzen segensreich zu verbinden wusste. In jüngster Zeit wird die Mission als solche jedoch bisweilen sogar recht strikt abgelehnt, und zwar von weltlicher Seite ebenso als von vielen kirchlichen Kreisen, bis hinauf zu Bischöfen und Kardinälen. Grund dafür ist, dass die kulturelle Komponente des Staates ihre christliche Rückbindung und Verankerung verloren hat.

Religion gilt heute fälschlich als reine Privatsache, und darf die Staatslenkung nur ja nicht berühren. Die Gesellschaft sieht sich strikt religionsneutral, und selbst in der Kirche findet man zahlreiche Geistliche, welche der Meinung sind, ein Protestant solle besser ein guter Protestant bleiben anstatt zu konvertieren, und ein Hindu solle sich bemühen ein guter Hindu zu sein, und sich nicht taufen lassen. Völlig ausgeschlossen scheinen Konversionen zur katholischen Kirche zu sein, wenn es sich um einflussreiche Amtsinhaber nichtkatholischer Konfessionen handelt, welche zur aufrichtigen Überzeugung gelangt sind, dass die katholische Kirche die wahre und einzige Kirche Christi ist, und deshalb zu ihr übertreten wollen.

Treten solche hochrangigen protestantischen Amtsträger an die katholischen Bischöfe heran, um die Aufnahme in die una sancta zu erbitten, werden sie in ihrem Begehren händeringend und mit grossem Entsetzen zurückgewiesen: es könnte ja zu einer ökumenischen Verstimmung führen. Sie finden keine Unterstützung seitens der katholischen Bischöfe, welche sie anhalten, doch bitte protestantisch zu bleiben. Der Unwille zur von Jesus Christus selbst aufgetragenen Mission ist also in Staat wie Kirche vorhanden, und jede missionarische Tätigkeit ist verpönt.

Zugleich jedoch räumt man dem Islam immer mehr Freiräume ein und möchte dessen Werte übernehmen. Einer dessen zentralen Werte ist jedoch sehr wohl die Mission – allerdings nicht so wie es die rechte christliche Mission, die ja abgelehnt wird, darstellt, sondern eine Mission die von extremen und gewalttätigen Missionsmethoden nicht zurückschreckt. Was der Islam unter Mission versteht, kennen wir unter dem Namen Christenverfolgung. Während also auf der einen Seite die ausgewogene, gute christliche Mission mitsamt dem Christentum als solchen als zu extremistisch abgelehnt wird und als Einschränkung der Freiheit gilt, fördert man den Islam, welcher genau jene “Werte“ vertritt, welche im Christentum abgelehnt werden, jedoch in einer vollkommen anderen Weise, welche tatsächlich extremistisch ist und mit der klassischen europäischen Kultur nichts zu tun hat, ja mit dieser inkompatibel ist.

Dasselbe gilt für eine ganze Reihe weiterer Bereiche: in Europa wird die gesunde Verbindung von Kirche und Staat bei gleichzeitiger Eigenständigkeit abgelehnt. Die Religion dürfe nicht in die Staatsangelegenheiten eingreifen, Staat und Religion haben absolut getrennt zu sein, so die Devise in Europa. Zugleich jedoch streckt man sich immer weiter zum Islam hin aus, für den es keine Trennung von Staat und Religion gibt, sondern für den Staat und Islam zusammenfallen müssen. Solange dies nicht geschehen ist, wird daran gearbeitet. Das Recht der Religion, d.h. des Islams ist auch das Staatsrecht.

Ähnlich auch die Frauenfrage: während auf der einen Seite in Europa dem Feminismus gefrönt wird, während man die auf dem christlichen Weltbild basierende gesunde Unterscheidung von Mann und Frau bei gleicher Würde, doch unterschiedlicher Aufgabe als sexistisch ablehnt, weil es angeblich dem Gleichheitsgrundsatz verstosse und die Freiheit einschränke, fördert man zugleich das Eindringen des Islams, welcher die Frauen tatsächlich unterdrückt und als drittklassige Wesen betrachtet, die gleichsam ein Besitz des Mannes sind. Für Mann und Frau gilt nicht dasselbe Recht. Zahlreiche weitere Beispiele liessen sich in einer langen Liste anfügen.

All dies lässt vermuten, dass die sogenannten europäischen Werte der Gegenwart, welche in Wirklichkeit nichts anderes als ein Ablehnen der klassischen europäischen und daher christlichen Werte sind, im Grunde doch nicht auf einer wirklichen Überzeugung beruhen, sondern mehr der Ausdruck eines Emanzipationsversuches vom Göttlichen sind, dem man einfach blind das Gegenteil entgegensetzt, ohne von diesem Gegenteil jedoch wirklich überzeugt zu sein. Ansonsten kann man die grosse Bereitschaft, die eigenen angeblichen Werte (Liberalismus) durch deren ebenso antichristliches Gegenteil (Islam) zu ersetzen, kaum erklären. Die wirklichen Werte, nämlich die christlichen, werden als zu fundamentalistisch und extrem abgelehnt und durch vorläufige Scheinwerte ersetzt, doch man merkt dass man im Grunde doch wertelos geworden ist, und begibt sich dort auf die Suche nach neuen Werten, wo den ursprünglichen christlichen Werte ebenso Antiwerte gegenüberstehen, wie es auch die europäischen Scheinwerte sind. Hauptsache nicht christlich-katholisch. So ist es zu erklären, wie es sein kann, dass das überaus menschenwürdige christliche Frauenbild (zum Beispiel) als zu extrem abgelehnt wird, vorläufig durch den Feminismus als Gegenentwurf ersetzt wird, um sich dann aber erneut ersetzen zu lassen, diesmal aber durch das wirklich extremistische Gegenteil des Feminismus, der zuvor das christliche Frauenbild ersetzt hat, das als zu fundamentalistisch galt.

Der Islam hat durchaus erkannt, dass Europa (und der Westen generell) an einem Wertevakuum leidet. Und um so mehr drängt er in Europa, um dieses Werteloch aufzufüllen. Europa hat seine Moral und seine Kultur verloren, weil es seinen christlichen Glauben verloren hat. Der Glaube ist in den letzten fünfzig Jahren massivst zusammengebrochen, und daher notwendiger Weise als logische Konsequenz auch die Moral und die Kultur. Das was die Moslems noch mehr anekelt als der christliche Glaube, ist die Glaubenslosigkeit und die moralische Dekadenz der (ehemaligen) Christen, und deshalb sehen sie Handlungsbedarf, sie sehen sozusagen die Gunst ihrer Stunde. Der Islam hat nämlich, wenngleich auf seine Weise und mit den ihm eigenen Methoden, seinen Glauben bewahren können, und folglich hat er auch seine eigene stabile Moral und Kultur. Auf seine eigene fragliche Weise freilich, aber innerhalb seines eigenen Systems hat er dies, und sei es mancherorts auch nur als funktionierendes System aus Furcht. Und nun ist er bereit, das, was er sich erhalten und Europa verloren hat, diesem “anzubieten”. Den verlorenen christlichen Glauben möchte er mit seinem islamischen Glauben auffüllen, die verlorene christliche Moral mit seiner islamischen Moral, und die verlorene christliche Kultur mit seiner islamisch-arabischen Kultur. Kurz: Der Islam ist bereit Europa zu übernehmen, und Europa sendet deutliche Signale aus, dass es auch selbst bereit dazu ist.

Einer familienfeindlichen Europapolitik steht eine von europäischer Seite massiv geförderte Immigrationspolitik gegenüber, welche durch eine hohe Kinderrate nochmals multipliziert wird. Es gibt bereits Schulen mit mehrheitlich muslimischen Schüleranteil in den Klassen, und die Frage nach islamischen Fakultäten innerhalb der Universitäten drängt sich immer mehr in den Vordergrund. Die Moslems sehen sich mit einem gewissen Realismus als eine schnell anwachsende gesellschaftliche Präsenz und fordern dementsprechend auch deren Rechte ein, bis hin zur Forderung, auf sich selbst nicht das normale staatliche Recht anzuwenden, sondern das islamische Recht.

Vielerorts wird in öffentlichen Kantinen das Essen bereits nach muslimischen Vorgaben zubereitet, und es wachsen nicht nur die Moscheen rasant an, sondern es werden auch die Forderungen nach den dazugehörenden Minaretten immer lauter. Dieses Ansinnen wird sogar von eminenten Bischöfen teilweise unterstützt, meist jedoch mit dem Nachsatz “solange es nicht gerade am Domplatz ist…”, während dem normalen Bürger durchaus die Präsenz eines Minarettes und bald vielleicht auch des Muezzins zugemutet wird.

All diese und noch weitere Forderungen werden von Staat und Kirche recht bereitwillig aufgenommen und erfahren eine nicht geringe Förderung. Doch geschieht dies meist unter der irrigen Vorstellung eines “gezähmten” Islams, d.h. eines integrierten Islams europäischer Prägung. Man verweist dabei gerne darauf, dass nicht alle Moslems Terroristen seien und es zwar da und dort wohl Auswüchse gäbe (Terrorismus, Zwangskonvertierung, Zwangsheirat, Ehrenmorde, etc.), diese aber nicht der authentische Islam wären. Neben dem Islam, so wie er uns als “typisch“ bekannt ist, d.h. eines gewalttätigen und unterdrückenden Islam mit einer hohen Terrorbereitschaft, gäbe es ja noch den kulturell hochstehenden, entwickelten Islam, ein wenig so wie er uns in den orientalischen Sagen und Märchen des Morgenlandes begegnet, und der mit dem Westen schon viel eher kompatibel sei: nobel und edel, sauber und höflich, gelehrt und kulturschaffend.

Dazu ist zum einen zu sagen: selbst wenn wir von einer Art märchenumzauberten “Edel-Islam” ausgehen: wollen wir überhaupt von irgendeiner Form des Islam übernommen werden, und sei sie noch so “rein” und “kulturell hochstehend”? Warum sollen wir uns selbst aufgeben wollen? Und wer sagt und garantiert uns, dass dies unsere Zukunft sein wird, und nicht jener Islam, der uns viel typischer erscheint, zu Zwang und Gewalt neigt und viel mehr jener oft beängstigenden islamischen Mentalität gleicht, wie sie uns bereits heute in vielen europäischen Städten und Dörfern begegnet? Welche Werte können wir uns vom Islam erhoffen, welche wir nicht auch anderswo mindestens ebensogut erhalten könnten, so dass das Risiko durch das zu erwartende oder erhoffende Wertegut gerechtfertigt und aufgewogen wäre? Und selbst für den äusserst unwahrscheinlichen Bestfall bleibt immer noch gültig, dass, welche Islamform wir auch immer übernehmen würden, diese stets einem Weltbild unterliegt, welches von unserem ein komplett verschiedenes ist. Die islamischen Werte sind dermassen im Koran und in der arabischen Kultur verankert, dass deren Übernahme eine Arabisierung und Islamisierung mit zur Folge hätte, und die europäische Kultur nach und nach in eine arabische Kultur umwandeln würde. Denn jene beiden Elemente, welche sämtliche Formen des Islam bei all ihren Unterschieden untereinander verbinden, sind die arabische Kultur und der Koran, welcher auf der arabischen Kultur aufgebaut ist. Weil der Koran aber das unhinterfragbare Kernelement schlechthin ist, aus dem sämtliche islamischen Werte und Moralvorstellungen stammen, und kein Iota von diesem auch nur im Geringsten zur Diskussion stehen kann, ist ein “gezähmter”, europäisierter und vor allem friedlicher Islam niemals möglich.

Dort, wo er uns friedlich erscheint, tut er dies deshalb, weil er entweder vollkommen etabliert ist und keine “Konkurrenz” um sich kennt, oder weil er in seinem Umfeld (noch) in der absoluten Minderheit ist, und als solche sofort unterliegen würde. Es widerspräche dem Selbstverständnis des Islam selbst, sich europäisieren oder “zähmen” zu lassen. Es würde aus dessen sich bedeuten, ein Stück seiner selbst und daher ein Stück des Korans aufzugeben, und dazu ist er im Gegensatz zu Europa absolut nicht bereit.

Welche Werte vermögen Europa dann also zu tragen? Allein die christlichen! Letztlich läuft das Dilemma Europas nämlich auf eine Sache hinaus: ob Europa als Kulturgrösse, bzw. die einzelnen Länder Europas wollen oder nicht, es wird ihnen auf Dauer doch nichts anderes übrigbleiben, als eine Grundentscheidung religiöser Natur zu treffen. Es ist die Wahrheitsfrage, welche Europa so sehr bedrängt. Der Versuch, sich dieser in den verordneten Agnostizismus hinein zu entfliehen und sich religiös als neutral zu erklären, während alles Religiöse als reine Privatsache abgetan wird, ist kläglich gescheitert und hat zu einem Wertevakuum geführt, welches Europa innerlich ausgehöhlt und entleert hat. Mit der Aufgabe seines christlichen Bekenntnisses hat Europa hat letztlich seine eigentliche Seele verloren und läuft Gefahr zu erlöschen. Die Gleichberechtigung von Gegensätzlichem kann niemals auf Dauer Bestand haben, es kommt unweigerlich zu einem Wertekonflikt. Deshalb ist Europa auf kurz oder lang gezwungen, sich wieder klar zu einer Religion zu bekennen, und aus dieser dann über Dogma und Moral seine Werte abzuleiten. Es ist gleichbedeutend mit der Frage, worin Europa die Wahrheit sieht, und ob es ihm gelingt, diese Frage richtig zu beantworten.

Denn so richtig oder falsch diese Antwort ausfallen wird, so gut oder schlecht werden auch seine Werte sein. Werte aber können sich nie in einer blossen Ethik begründen, sondern sind immer an die Moral, und daher an Religion gebunden. Der Moral jedoch geht das Dogma – der Glaube – voraus, aus welchem sie sich selbst und dann nachfolgend auch ihre Werte her ableitet. Und deshalb werden Europa und seine Staaten gezwungen sein, ob sie es wollen oder nicht, sich konfessionell klar zu bekennen. Nun geht es um unser aller Schicksalsfrage: Islam, oder doch nochmal das Christentum wagen? Doch nur mit dem Christentum und dessen Wertesystem wird Europa Europa sein!

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