Revolutionen brauchen Zeit

“Eine arme Kirche für die Armen”

Die Tagespost, 21. Juli 2014, von Guido Horst

Einem Papst, der “eine arme Kirche für die Armen” will, vorzurechnen, über wie viel Immobilien, Kapital, ja wahre Schätze der Vatikan verfügt, ist ein süffisantes Geschäft. Das italienische Wochenblatt “l’Espresso” hat das jetzt getan. Eine Euro-Münze mit Franziskus als Prägemal prangt auf der Titelseite. Dass solche – nie vollständigen und bisher vom Vatikan nicht kommentierten – Berichte jetzt immer wieder erscheinen werden, ist einsichtig. In den heiligen Hallen findet eine Revolution statt. Experten-Kommissionen, neue Gesichter in neuen Ämtern und externe Prüfgesellschaften geben sich die Klinke in die Hand. Plötzlich gibt es einen “Finanzminister” des Papstes. Alles, was Vermögen und Kapital angeht, wird durchforstet und neu geordnet. “L’Espresso” beruft sich auf ein Papier der COSEA, der von Franziskus per Motu proprio eingesetzten und inzwischen wieder aufgelösten Kommission von externen Fachleuten, die die Immobilien- und Vermögensverwaltung des Vatikans zu durchleuchten hatte. Dass da Teile der Akten an die Medien wandern, ist – zumal in Italien – fast selbstverständlich.

Aber der in den entsprechenden Medienberichten implizit mitschwingende Appell, ein Mann wie Franziskus müsste jetzt eigentlich die Reichtümer des Vatikans den Armen geben, zieht nicht. Nicht kirchenrechtlich, sondern mit gesundem Menschenverstand betrachtet, verbergen sich hinter “Vatikan” drei Subjekte: Da ist zunächst der als völkerrechtliches Subjekt anerkannte Heilige Stuhl mit dem Papst als Staatsoberhaupt. Allein die Nuntiaturen in aller Welt sollen “l’Espresso” zufolge pro Jahr 25 Millionen Euro kosten. Und hinter Nuntiaturen verbirgt sich nochmals diplomatisches Personal im Ruhestand, das bezahlt werden muss.

Dann ist da die römische Kurie mit dem Papst als Oberhaupt der Weltkirche, die unter anderem dafür sorgen muss, dass die Leitung der Kirche auch in Krisenzeiten, auch in einer mehr und mehr nichtchristlichen Umgebung, reibungslos funktioniert, ohne sich unter den Einfluss fremder Mächte begeben zu müssen. Natürlich muss der Vatikan Kapitel anlegen, um die Freiheit der Kirche(nführung) zu gewährleisten. Laut “L’Espresso” sollen das neun bis zehn Milliarden Euro sein. Im internationalen Vergleich sind das Peanuts. Und dann ist da noch der Staat der Vatikanstadt mit seinem Governatorat, von dem man aber weiss, dass er – hauptsächlich wegen der Vatikanischen Museen – Gewinne abwirft.

Papst Franziskus ist nicht wichtig, dass der Vatikan über Geld- und Vermögenswerte verfügt, sondern wie damit umgegangen wird. Und da gibt es nur einen Weg: Den, den Benedikt XVI. angestossen hat und der jetzt unter Franziskus zur völligen Transparenz führen soll. Wenn man die Bilanzen des IOR offenlegt, wird man auch das Patrimonium der APSA, der Vermögens- und Immobilienverwaltung des Heiligen Stuhls, offenlegen müssen. Und wenn sich dann zeigt, dass man einzelne Objekte, die die Päpste in Kriegs- oder Krisenzeiten im Ausland erworben haben, heute ruhig verkaufen kann, wird man das tun. Oder auch nicht. Dafür zuständig wird ein Asset-Management sein, das aber noch nicht eingerichtet ist.

Auch Revolutionen brauchen Zeit.

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