Es braucht Mut um Frieden zu schaffen
Gebetstreffen im Vatikan mit den Präsidenten Schimon Peres und Mahmud Abbas
Von Guido Horst
Ein Friedenssymbol wächst nun im Garten des Vatikans weiter: Präsident Schimon Peres, Mahmud Abbas, Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios pflanzten ein Olivenbäumchen.
Rom, Die Tagespost, 10. Juni 2014
Die verspielt-manieristische “Casina Pio IV” als Zeuge einer historischen Zusammenkunft:
Irgendwann im sechzehnten Jahrhundert, zwischen Renaissance und Barock, unter Papst Paul IV. erbaut und unter Pius IV. fertiggestellt, dient die Villa mitten in den Vatikanischen Gärten, die man auch “Villa Pia” nennt, heute der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften und der Päpstlichen Akademie für Sozialwissenschaften als Sitz und Tagungsstätte. Wie sie da am Pfingstsonntagabend zusammenstanden und in der “Casina Pio IV” voneinander Abschied nahmen, der katholische Papst und der orthodoxe Patriarch, der israelische Präsident und sein palästinensischer Amtskollege – niemand hätte glauben wollen, dass da irgendwie Unstimmigkeiten oder gar Feindschaft bestünden. Franziskus hielt Schimon Peres in den Armen, deutete eine doppelte Umarmung und einen doppelten Wangenkuss an – einen links, einen rechts. Bartholomaios I. tat dasselbe mit Mahmud Abbas.
Der Papst und der Ökumenische Patriarch umarmten sich. Präsident Peres redete mit herzlichen Worten auf Abbas ein. Und Bartholomaois nahm den Präsidenten Palästinas fest in den Arm, so als seien sie seit jeher beste Freunde. Wer auf der Welt hätte da angesichts dieser Bilder glauben wollen, dass historische Feindseligkeiten der Anlass für diesen “Friedensgipfel” waren, zu dem Franziskus während seiner Heiligland-Reise die beiden Präsidenten eingeladen hatte?
Lob für die Nahostreise des Papstes
Es dämmerte an diesem heissen Tag in Rom, als in einem dreieckigen Gartenstück vor der “Casina Pio IV”, im Schatten hochgewachsener Hecken, Peres und Abbas vor den Delegationen der Juden – unter ihnen Rabbi Abraham Skorka aus Buenos Aires –, der Muslime und des Vatikans ein Bekenntnis zum Frieden ablegten. Beide sprachen nach Papst Franziskus. Peres rief Israelis und Palästinenser zu Kompromissen und Opfern für den Frieden auf. “Wir müssen den Schmerzschreien, der Gewalt und dem Konflikt ein Ende setzen. Wir alle brauchen Frieden”, so der neunzig Jahre alte Politiker, dessen Amtszeit im Juli endet. Beide Parteien müssten hierbei Partner auf Augenhöhe sein, Ziel sei ein “Frieden zwischen Gleichen“. Ein solcher komme jedoch nicht von selbst, sondern erfordere eine Mobilisierung aller Kräfte, “auch wenn dies Opfer oder Kompromisse erfordert”. Peres lobte die Nahostreise des Papstes. Franziskus habe sich hierbei als “Brückenbauer für Brüderlichkeit und Frieden erwiesen”.
Präsident Abbas erbat in seiner Ansprache im Namen von Muslimen und Christen von Gott einen gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern. Er forderte die Achtung von Freiheit und Menschenwürde in einem “souveränen und unabhängigen Staat” der Palästinenser. “Wir wollen Frieden für uns und unsere Nachbarn”, meinte Abbas. Palästina und insbesondere Jerusalem müssten für Juden, Christen und Muslime sowie für allen anderen Besucher ein sicherer Ort für Gebet und Gottesdienst sein. Das alles klang nicht nach “Durchbruch“, aber nach dem beiderseitigen Willen, auf friedlichen Wegen nach einer Lösung des israelisch-palästinensischen Konfliktes zu suchen. Fast eine Idylle in den Gärten der Vatikanstadt.
Die raue Wirklichkeit sieht anders aus. Alle Beteiligten wussten, dass der Beschluss der Regierung von Benjamin Netanjahu, auf die von Hamas und Al-Fatah gemeinsam gebildete Regierung Palästinas mit einem weiteren Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zu reagieren, wieder einer der mittlerweile sattsam bekannten Stolpersteine auf dem Weg des Friedensprozesses ist. Auf dieses beständige Sich-Hochschaukeln des Konflikts war Papst Franziskus in seiner Ansprache eingegangen. Er bat beide Seiten um den Mut, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die “Spirale des Hasses und der Gewalt“ müsse durchbrochen werden, sagte der Papst. Um Frieden zu schaffen, sei weit mehr Mut erforderlich als zum Kriegführen. “Es braucht den Mut, Ja zu sagen zur Begegnung und Nein zur Auseinandersetzung; Ja zum Dialog und Nein zur Gewalt; Ja zur Verhandlung und Nein zu Feindseligkeiten; Ja zur Einhaltung der Abmachungen und Nein zu Provokationen”, so Franziskus. Er hoffe, dass diese Begegnung der Beginn eines neuen Weges sei, auf der Suche nach dem, was beide Parteien eine. “Schalom, Pace, Salam” waren die letzten Worte seiner Ansprache.
Zuvor hatten nacheinander die jüdische, die katholische und die muslimische Delegation Gebete vorgetragen – nach der Reihenfolge des Alters der jeweiligen Religion. Ein Rabbi rezitierte zunächst Dankpsalmen, dann die Anrufung: “Zu dir, Herr, erhebe ich meine Seele, … erlöse Israel aus all seinen Nöten.” Es folgte die Bitte um Sündenvergebung: “Reinige uns, O Herr unser Gott, von allen Übertretungen … Wegen deiner Liebe für uns, O Herr unser Gott, der Israel sein Volk in seiner Barmherzigkeit geliebt hat, und in deiner Vergebung für die Kinder deines Bundes, schenke uns Vergebung der Sünden und Verzeihung von allen Übertretungen und Sühne für die Frevel.” Nach einem Musikstück waren die Gebete der Vatikan-Delegation an der Reihe, die auf Arabisch, Englisch und Italienisch gesprochen wurden. Das Schuldbekenntnis stammte dabei aus einem Gebet von Johannes Paul II.: “Wenden wir uns voll Vertrauen an Gott, unseren Vater, der barmherzig ist und voller Mitgefühl, langsam im Zorn, gross in der Liebe und Treue. … Bitten wir, dass die Christen mit dem Blick auf Jesus, unseren Herrn und unseren Frieden, dazu fähig werden, dass sie Reue spüren für die Worte und Haltungen, die vom Stolz genährt wurden und vom Hass, vom Wunsch, die anderen zu beherrschen.” Für die vatikanische Delegation sprach Kardinal John Onayiekan, der Erzbischof von Abuja in Nigeria.
Positive Reaktionen im Heiligen Land
Schliesslich die muslimischen Gebete. Sie waren keiner Schrift entnommen und wurden auf Arabisch vorgetragen. Wieder ein Dank an Gott für die Schöpfung, dann eine lange Vergebungsbitte: “O Gott, unser Herr und unser Gott, es gibt keinen anderen Gott ausser Dir, Du hast uns geschaffen und wir sind Deine Knechte, und wir vertrauen uns Dir an, wie wir es nur vermögen. … O Herr der Welt, hilf uns, denen zu Hilfe zu kommen, die ungerecht unterdrückt sind, auf dass Du uns darin Dein Erbarmen zeigen mögest, Deine Vergebung und Dein Wohlgefallen.”
Wie Radio Vatikan im Anschluss an das Gebetstreffen meldete, stiess die Gebetsinitiative des Vatikans auf positive Reaktionen im Heiligen Land: Die Einladung des Papstes sei “unerwartet“ und gleichzeitig “eine grosse Geste“ gewesen, meinte Pater David Neuhaus vom Lateinischen Patriarchat in Jerusalem, im Gespräch mit dem Papstsender. Für Neuhaus hätten die Friedensgebete vom Pfingstsonntag “neue Horizonte“ eröffnet. Der Patriarchalvikar für Jerusalem, William Shomali, hofft nun, dass es zu weiteren Friedensgebeten mit Israelis und Palästinensern kommen wird, etwa in Jerusalem. Die “Jerusalem Post“ unterstrich dagegen den sehr “formalen“ Charakter der Begegnung. Der Vatikan habe im Vorfeld versucht, zu hohe Erwartungen zu dämpfen – und in der Tat habe es keinen Durchbruch in Rom oder Signale für einen möglichen Kompromiss gegeben, so die Zeitung.
Zum Abschluss des Treffens pflanzten Franziskus, Patriarch Bartholomaios und die beiden Präsidenten einen Olivenbaum in den Vatikanischen Gärten. Im Innenhof der “Casina Pio IV” verabschiedete der Papst seine Gäste und begab sich wieder in die Casa Santa Marta.
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