“Der Papst besucht ein vergessenes Land”
“Eine Geste der Anerkennung und Ermutigung”
Römisch-katholische Kirche in Albanien
Mit seinem Besuch in Albanien im kommenden September lenkt der Papst den Blick auf ein Land, dass im europäischen Kontext oft als Schlusslicht gesehen wird. Eine Geste der Anerkennung und Ermutigung habe Albanien bitter nötig, sagte uns vor dieser Sendung unser albanischer Kollege Paloka Marjan.
“Franziskus Entscheidung, auf die Missstände eines Landes zu blicken und dieses kleine Volk in einem vergessenen Land zu besuchen, hat einen sehr biblischen Bezug. Es ist wirklich eine Freude für Albanien, vom höchsten Hirten der Kirche besucht zu werden! Albanien braucht Mut – und der Papst bringt die Worte des Glaubens und des Evangeliums, um das Volk zu ermutigen, den Weg des Glaubens und des Friedens weiterzugehen.
Die Albaner haben lange Zeit gelitten, besonders unter dem Kommunismus, und es war schwierig, den Glauben zu bewahren.”
Albanien hatte sich 1967 unter dem Präsidenten Enver Hodscha zum ersten atheistischen Staat der Welt erklärt. Zur Zeit des Kommunismus herrschte in dem Balkanland Religionsverbot, das erst 1991 offiziell wieder aufgehoben wurde. Die Christen haben sich während dieser schweren Zeit trotz aller Widrigkeiten ihren Glauben bewahrt, erzählt Paloka. Er erinnert sich noch gut:
“Auch wenn wir keine Priester treffen und keine Kirchen besuchen durften und keine Möglichkeit hatten, die Sakramente zu empfangen, haben wir trotz allem zu Hause gebetet. Wir haben in dieser Zeit der Unterdrückung und der gesellschaftlichen Gottlosigkeit wirklich an Gott geglaubt. Es gibt einen geheimnisvollen Weg Gottes, sein Volk zu begleiten, auch wenn die institutionelle Kirche nicht da ist. Gott hat ein Zeichen gegeben, dass er sein Volk nicht verlässt, und durch den Glauben unserer Eltern und Grosseltern hat er das Volk begleitet. Und als die Freiheit der Religion wieder hergestellt worden ist, war das Volk bereit, die Kirche wieder zu beleben.”
Der Kommunismus hinterliess jedoch nicht nur im religiösen Bereich Verwüstungen. Nach Ende der Diktatur herrschte grosse soziale Not und allgemeine Orientierungslosigkeit, berichtet Paloka. Nur langsam schlug man in Albanien ein neues Kapitel auf: 1991 fanden die ersten freien Wahlen statt, 1992 wurden politische Reformen eingeleitet, 1998 die neue Verfassung angenommen. Und auch die Kirchen und das religiöse Leben fassten nach und nach wieder Fuss. Im Jahr 2.000 fand nach langen Jahren der Unterdrückung die erste katholische Priesterweihe statt; der Wiederaufbau der katholischen Kirche wurde vor allem von Italien aus unterstützt.
“Ich würde sagen, Anfang der neunziger Jahre war das Volk wie ‘betrunken’, es wusste nicht wirklich, was es wollte und durfte. Religion war eine Neuigkeit für die junge und etwas fast Vergessenes für die alte Generation. In den katholischen Ländern war Religion ja ein sehr wichtiger Bestandteil, da die Unterdrückung der religiösen Gefühle dort noch stärker war und das katholische Volk die Religion intensiver gelebt hatte. Dann sind bei uns langsam die Muslime erwacht und haben einen Weg gefunden, ein Bewusstsein für ihren Glauben. Die Orthodoxen wurden von der Kirche in Griechenland und anderen Schwesterkirchen sehr unterstützt, und langsam hat sich ein religiöses Leben im Land entwickelt.”
Der post-kommunistische Staat musste seine Haltung zur Religion in dieser Zeit erst noch finden, so Paloka weiter. Und während die Religionsgemeinschaften schon selbstverständliche Kontakte pflegten, musste die politische Klasse noch lernen, was Zusammenarbeit im Sinne des Gemeinwohls heisst:
“Der Staat wusste nicht, wie er zur Religion stehen sollte – kurz zuvor noch hatte er die Religionen ja noch unterdrückt. Es gab da ein gewisses Schuldgefühl. Danach folgte die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat, um einigen sozialen Konfliktsituationen die Stirn zu bieten. Der Staat hat hier die Hilfe der Religionen angenommen. Diese Zusammenarbeit und Stimmung zwischen Staat und Religion ist heute auf einem guten Weg. Auch unter den Albanern gibt es ein ganz natürliches Zusammenleben der unterschiedlich ausgerichteten religiösen Bürger. Ein muslimischer Albaner, ein katholischer Albaner und ein orthodoxer Albaner haben kein Problem, sich zu treffen – Religion ist wichtig, jedoch keine Ursache von Streit.”
Grösste Herausforderungen in Albanien seien heute Reformen im Bereich der Rechtsprechung und eine immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich. Auch die organisierte Kriminalität und die starke Abwanderung setzten seinem Volk zu, berichtet der albanische Journalist. Direkt nach Ende des Kommunismus hätten unzählige Bürger das Land verlassen – eine Zerreissprobe für die albanischen Familien, die traditionell viel Wert auf guten Zusammenhalt legten.
“Fast die Hälfte der Bevölkerung hat dem Land den Rücken gekehrt und ist auf der Suche nach einem besseren Leben. Die Familien haben sehr gelitten in der Situation, weil die Kinder oder Eltern die Familien verlassen haben, um woanders Arbeit zu suchen. In den neunziger Jahren hat es auch traurige Fälle von Prostitution gegeben. Frauen wurden den Familien genommen und im Westen auf die Strasse gestellt. Unter den Traumata dieser Jahre leidet das Volk in Albanien immer noch. All diese Probleme sollten in einer Zusammenarbeit von Religion, Staat und bürgerlicher Gesellschaft bearbeitet werden.”
Ein weiteres heikles Thema sei die Frage der Rückgabe von Eigentum, das zur Zeit des Kommunismus konfisziert wurde, so Paloka weiter. Immerhin habe die Wirtschaft in den letzten zehn Jahren langsam wieder etwas angezogen. Neben diesem so dringenden wirtschaftlichen Aufschwung wünscht sich der Albaner aber noch etwas anderes: ziviles Engagement und Selbstvertrauen der Bürger – viele Menschen hätten noch nicht verinnerlicht, dass sie selbst einen wichtigen Beitrag zum Gemeinwohl leisten können. Den Papstbesuch sieht er auch in diesem Kontext als Ermutigung:
“Papst Franziskus wird in Albanien wirklich sehr verehrt, und durch seinen Besuch werden die Menschen die Hand Gottes erfahren. Er wird viel Mut nach Albanien bringen und die Hoffnung des Volkes, der Kirche und des Staates auffrischen.”
Albanien und der Heilige Stuhl unterhalten seit 1991 diplomatische Beziehungen. Die katholische Kirche im Land gliedert sich heute in fünf (Erz-)Diözesen und eine apostolische Administration; es gibt insgesamt sieben Bischöfe. Etwa 17 Prozent der albanischen Bevölkerung sind Christen, davon sind zehn Prozent Katholiken. Die Mehrheit der Bevölkerung bildet mit etwa 60 Prozent die muslimische Glaubensgemeinschaft.
rv 15.06.2014 pr
Schreibe einen Kommentar