“Der Staat geht stärker auf die Kopten zu”

Unions-Fraktionschef Volker Kauder spürt in Ägypten eine neue Zuversicht bei den Christen

Union-Fraktionschef Kauder (CDU, links) traf in Kairo ausser mit dem ägyptischen Oberkommandierenden Al-Sisi (rechts) auch mit Papst Tawadros II. zusammen. Foto: dpaVon Markus Reder und Stephan Baier

Die Tagespost, 28. Februar 2014

Haben Sie nach Ihren Gesprächen in Ägypten den Eindruck, dass die innenpolitische Lage sich nun wieder stabilisiert und Ägypten in naher Zukunft politisch zur Ruhe kommt?

Kein Land der Welt hat in den vergangenen Jahren solche Umbrüche erlebt wie Ägypten. Daher sind Prognosen für Ägypten besonders schwierig. Ich habe aber nach meinen jüngsten Gesprächen den Eindruck, dass die Chancen für eine Stabilisierung recht gut sind.

Die grosse Mehrheit der Bevölkerung scheint sich nach Ruhe und Frieden zu sehnen. Das ist eine Basis für eine mittelfristige Stabilisierung. Dauerhaft wird diese aber nur sein, wenn Ägypten wieder wirtschaftlich auf die Beine kommt. Ich plädiere dafür, dass Deutschland und Europa den Ägyptern helfen müssen, in eine neue Zeit aufzubrechen. Wir können nicht zusehen, dass Ägypten als Nachbar Europas im Süden dem Westen verloren geht.

Ist Al-Sisi dabei, sich zum neuen “Pharao” – wie man Hosni Mubarak lange nannte – zu entwickeln, also eine Art Militärdiktatur einzurichten? Oder gibt es im Vergleich zur Mubarak-Zeit einen demokratiepolitischen Fortschritt?

Mit dem Feldmarschall habe ich ein langes Gespräch geführt. Ich habe nicht den Eindruck, dass er aus Ägypten wieder eine Militärdiktatur machen will. Er weiss, dass man die Revolution nicht rückgängig machen und einfach an die Mubarak-Zeit anknüpfen kann. Er will nach seinen Worten Ägypten in eine bessere Zukunft führen.

Sie sprachen mit dem neuen koptischen Papst Tawadros II. Was erwartet er sich von Deutschland, von der Europäischen Union und vom Westen?

Wie alle Ägypter wünscht sich auch der Papst, dass Europa und Deutschland den Wandel in Ägypten positiv begleiten. Denn je besser es Ägypten geht, desto besser geht es auch den Kopten, die ja seit Jahrtausenden Teil der ägyptischen Gesellschaft sind.

In der Mursi-Zeit haben sehr viele Kopten das Land verlassen, andere waren in grosser Angst und Bedrängnis. Wie ist die Stimmung unter den Christen Ägyptens heute?

Ich habe einen sehr zuversichtlichen Papst Tawadros II. erlebt. Er sieht wirklich eine Änderung zum Besseren. Seine Stimmung ist heute eine ganz andere als vor einem Jahr, als die Muslimbrüder an der Macht waren. Damals fühlten sich die Kopten mehr und mehr an den Rand gedrängt. Jetzt ist das anders. Ich hoffe, dass seine Zuversicht Bestand hat. Wir werden mit den Kopten weiter in Kontakt bleiben.

Ist Al-Sisi für die Christen in Ägypten nur das kleinere Übel im Vergleich mit Mursi und den Muslimbrüdern? Oder gibt es eine berechtigte Hoffnung, dass es jetzt zu mehr Schutz, mehr Gleichberechtigung und mehr Religionsfreiheit kommt?

Nicht nur die Kopten, auch die katholische und die evangelische Gemeinde in Kairo atmen auf. Die neue Verfassung garantiert die Religionsfreiheit und hebt auch die christlichen Kirchen hervor. Ägypten ist nach dieser Verfassung, anders als unter den Muslimbrüdern, nicht mehr auf dem Weg zu einem Gottesstaat. Der Staat geht offenbar stärker auf die Kopten zu, wie uns berichtet wurde. Aber dass wir uns nicht missverstehen: Die Anhänger der Muslimbrüder müssen in die Gesellschaft integriert werden. Das wird aber dauern. Die Gräben sind noch tief. Eine geeinte Gesellschaft wäre aber nicht zuletzt für die Kopten ein enormer Gewinn.

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