Leiten soll derjenige, der liebt
Impuls zum 7. Sonntag im Jahreskreis
Münster, 21. Februar 2014, zenit.org, Msgr. Dr. Peter von Steinitz
Im Evangelium des 7. Sonntags im Jahreskreis setzt Jesus seine so typischen Sentenzen fort, die jeweils mit den Worten beginnen: “Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist,…” und die dann fortfahren: “Ich aber sage euch,…”
Zunächst eine sehr eingängige Art und Weise, die Tradition in der Lehre und in der Moral zu bestätigen, gleichzeitig aber auch zum Ausdruck zu bringen, dass er, Christus, dem bisher Gesagten etwas hinzuzufügen hat. Wobei er bezeichnenderweise nicht abschwächt, sondern steigert. Im Ton ist die Autorität Jesu erkennbar, die in diesen Dingen nicht etwas zur Diskussion stellt, sondern sagt: so ist es!
Gerade das wird leicht übersehen: Jesus ist “sanftmütig und demütig von Herzen”, gleich-zeitig aber ist er der Herr der Herren, dem wir Menschen Gehorsam schulden.
Die Überhöhung, die Jesus hinzufügt, gibt dem bisher Gewohnten einen Anstrich von Reife und Verinnerlichung, ist aber auch immer so geartet, dass jeder Mensch mit einem geraden Herzen sie leicht annehmen kann.
Bisher galt “Auge um Auge, Zahn um Zahn”, jetzt aber soll der wahre Gläubige nicht einmal auf seinem Recht bestehen, sondern es sogar dulden, dass sein Gegner ihm etwas Böses antut, ja hinnehmen, dass der andere ihm noch mehr Schlimmes antut (“dann halt ihm auch die andere Wange hin”).
Und wenn der andere nicht zwingt oder fordert, sondern nur bittet, dann erst recht soll man auf ihn eingehen.
Im Folgenden zitiert Jesus eine frühe Stelle aus der Thora “Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen” (Mt 5,42) und daraufhin: “Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen!” (Mt 5,43) Auch das geht weit über das dem gläubigen Juden Geläufige hinaus. Selbst wenn man die Goldene Regel des Shema Israel (Höre Israel: Du sollst Deinen Gott lieben…mit aller Kraft…, und deinen Nächsten wie dich selbst”) berücksichtigt, ist das, was Jesus fordert noch erheblich mehr. Nicht nur den Nächsten, sondern sogar seine Feinde lieben und für sie beten.
Später wird er noch eine weitere Steigerung in der selbstvergessenen Liebe vorstellen: “Liebt einander, wie ich euch geliebt habe” (Joh 15,12) Das ist in der Tat das Höchste, und wer vermag es? Ohne die Hilfe von oben wird es uns kaum gelingen, die Menschen so zu lieben, wie Christus sie liebt.
Der Herr ist ein wunderbarer Pädagoge, er führt die Menschen nach und nach, in mehreren Schritten zu dem, was das eigentliche Ziel des Menschen ist, zur Heiligkeit. Und die Heiligkeit erweist sich in den Tugenden, besonders aber in der Tugend der Liebe. Der emeritierte Papst Benedikt XVI. hat in seiner Enzyklika “Deus Caritas est” diesen Aufstieg des Menschen beschrieben, der erkannt hat, dass er in der Liebe emporsteigen muss. Von einer zunächst noch sehr Ich-bezogenen Liebe erhebt sich die Seele nach und nach zu einer immer grösseren Selbstvergessenheit. Sie sucht gar nicht mehr das Ihre und stellt dabei erstaunt fest, dass sie gerade dadurch selber das Glück findet.
Ende und Höhepunkt der Perikope ist Jesu Aufforderung: “Ihr sollt also vollkommen sein, wie es auch euer himmlischer Vater ist” (Mt 5,48).
Da ist er wieder dieser hohe Anspruch des Herrn, der uns manchmal den Atem nimmt. Ich armseliger Wicht, ein Heiliger?
Aber ja, wenn der Herr dazu auffordert, meint er alle. Wir haben es gerade vernommen, er spricht nicht zu irgendeiner Elite von besonders Prädestinierten, sondern er richtet sich an seine Jünger, die allesamt durchschnittliche Menschen sind. Selbst seine Apostel sind keine Überflieger oder Hochbegabte. Sogar der hl. Petrus, der später sozusagen der erste Papst sein wird, hat erkennbare Mängel und Schwächen. Was den Herrn nicht daran hindert, ihm das höchste Amt auf Erden anzuvertrauen.
An diesem Samstag haben wir das uralte Fest Kathedra Petri gefeiert, das uns daran erinnert, dass Jesus dem Fischer den Auftrag gegeben hat, “seine Schafe und Lämmer zu weiden” (vgl. Joh 21,17). Nicht eine herausragende Intelligenz noch ein besonders standfester Charakter sind die Grundlage für diese “Ernennung”, sondern das deutliche Bekenntnis, dass Petrus ihn liebt. Jesus fragt ihn dreimal “Liebst du mich?” Und Petrus wird traurig, weil er meint, der Herr wolle ihn an sein dreimaliges Verleugnen im Hof des Hohenpriesters erinnern.
Seine Liebe ist tatsächlich das, was ihn befähigen wird, die Herde Christi zu leiten.
Beschliessen wir diese Gedanken mit einem nochmaligen Blick auf die Person Jesu. Er sagt: “Seid vollkommen, wie es auch euer Himmlischer Vater ist” (Mt 5,48).
Auch zu diesem Wort gibt Benedikt XVI. eine hilfreiche Erläuterung. Wenn wir denken, der Himmlische Vater selbst ist für uns in Bezug auf Heiligkeit unerreichbar, denn er ist ja nicht nur der Höchste, er ist auch etwas, was wir nicht sind, er ist Gott. Papst Benedikt sagt, dass hier aus Jesus seine grosse Demut spricht. Eigentlich sollte er sagen: seid vollkommen oder heilig, so wie ich es bin. Ihr wollt mich ja nachahmen (Nachfolge Christi ist Nachahmung Christi – Imitatio Christi). Aber wenn es um seine Person geht, liebt er das Wörtchen Ich nicht. Da jedoch Jesus wesensgleiches Abbild des Vaters ist (“Philippus, wer mich sieht, sieht den Vater”, Joh 12,45), gilt: die Vollkommenheit des Vaters nachahmen ist gleich bedeutend mit Jesus nachahmen.
Es mag manchmal schwer sein, aber möglich ist es. Da ist das Vorbild Jesu als Mensch, da sind die Tugenden, da sind die Vorbilder der Heiligen, die das schon geschafft haben, und da ist das Beispiel und die Fürsprache der Mutter des Herrn, die auch unsere Mutter ist.
Msgr. Dr. Peter von Steinitz, war bis 1980 als Architekt tätig; 1984 Priesterweihe durch den sel. Johannes Paul II.; 1987-2007 Pfarrer an St. Pantaleon, Köln; seit 2007 Seelsorger in Münster. Er ist Verfasser der katechetischen Romane: „Pantaleon der Arzt“ und „Leo – Allah mahabba“ (auch als Hörbuch erhältlich).
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