Welt ging verloren, Christ ist geboren

Freue dich, du Christenheit!

Quelle
KathTube: Predigt

Kardinal Joachim Meisner bei Christmette im Kölner Dom: Und diese Wirklichkeit vom Königtum Christi ist eigentlich die Frohe Botschaft des Weihnachtsfestes VIDEO

Köln, kath.net, 25. Dezember 2013

Kath.net dokumentiert die Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zur Christmette 2013 im Hohen Dom zu Köln am 24. Dezember 2013:

Liebe Schwestern, liebe Brüder!

1. Das Weihnachtsfest weckt die schönsten Erfahrungen unseres Lebens auf, wo wir am glücklichsten waren und die lange wie ein verlorenes Paradies hinter uns liegen. Weihnachten lässt die Sehnsucht nach dem verlorenen Paradies des Lebens in Kindheit und Jugend wieder wach werden. Die Liturgie des Weihnachts-festes lenkt aber den Blick in Bewunderung von uns Menschen weg und hin auf die Größe und Macht Gottes. Im Eingangslied der Weihnachtsmesse zur Heiligen Nacht heißt es im Introitus wie eine gewaltige Stimme aus der Ewigkeit: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (Ps 2,7). Und wie ein tiefes Echo klingt es aus der Welt Gottes im mitternächtlichen Gottesdienst weiter: „Warum toben die Völker, warum machen die Nationen vergebliche Pläne?“ (Ps 2,1). Das ist die Sprache des Weltherrschers.

Noch gewaltiger kommt diese Wirklichkeit zum Ausdruck im Zwischengesang der Weihnachtsmesse. Man vergisst fast, das es ein kleines Kind ist, das in der Krippe liegt, zu dem die Worte gesprochen werden: „Setze dich mir zur Rechten, und ich lege dir deine Feinde als Schemel unter die Füße“ (Ps 110,1). So spricht ein König zum anderen. Und diese Wirklichkeit vom Königtum Christi ist eigentlich die Frohe Botschaft des Weihnachtsfestes, die uns wirklich die Freude schenkt, nach der wir uns alle sehnen und die wir so notwendig brauchen.

2. Wir Menschen brauchen diese Erfahrung des großen Gottes, der sich Weihnachten klein gemacht hat, aber groß geblieben ist. Wir Menschen heute sind weithin innerlich, d.h. seelisch-psychisch, schwach und anfechtbar geworden. Es bleibt ein eigenartiger Kontrast in uns. Im Äußeren suchen wir immer das Unerhörte, das noch nie Dagewesene, den Weltrekord. Und dabei werden wir innerlich immer schwächer, seelisch blasser und haltloser. Es ist, als ob alle unsere menschlich-geistigen Kräfte durch die äußeren Leistungen und Anforderungen verzehrt würden, als ob wir nach innen zu ausgehöhlt und ausgeleert würden. Und wir wol-len uns das aber nicht eingestehen. Das gilt nicht nur von den Rekordmenschen draußen, sondern wir alle haben etwas davon in uns. Danach bewegt sich unser Dasein. Nicht wir gestalten weithin das Leben, sondern wir werden gestaltet durch äußere und innere Einflüsse. Nicht wir formen unser Dasein, sondern wir werden von außen geformt und leider dabei auch verformt.

3. In diese Welt des Menschen, die ihn so sehr in Beschlag nimmt, kommt Christus. Die Menschen zählen von seiner Geburt an mit Recht eine neue Zeitrechnung. Das muss so sein! Denn etwas ganz Neues hat uns Christus gebracht: einen ganz neuen Weg, einen ganz neuen Schwung und einen ganz neuen Menschen. Weil beim Menschen normalerweise die Ich-Sucht, also der Egoismus, überwiegt, darum kann man oft schon im Voraus schließen, wie er in Zukunft handeln wird. Bei Christus versagen aber alle menschlichen Vorausberechnungen. In seinem Leben hat sich alles von Grund auf anders gestaltet, als die Menschen es vorausgedacht hatten. Sie erwarteten einen König, und es kommt ein armes Kind. Sie erwarteten einen Fürsten im Besitz aller irdischen Macht und finden ein armes, weinendes Menschenwesen in der Krippe. So unerwartet und unerhört erschien das Bild Christi, dass fast das ganze Volk ihn ablehnte: So kann doch der Messias nicht sein!

4. Man war gewöhnt, mit dem Schwert zu siegen, und Christus kommt, die Welt zu überwinden, mit gebundenen Händen, mit einem Kinderweinen und mit der Einsamkeit der Heiligen Nacht. Ein ganz neues Königtum bringt er auf die Erde. All unsere Begriffe von Macht, Kraft und Stärke müssen wir reformieren, umwerfen und umstürzen. Was wir schwach zu nennen pflegen, das ist Kraft, und was wir töricht nennen, das ist weise. Wir beantworten Schärfe mit Schärfe und Wider-stand mit Widerstand. Wie antwortet Gott? –

Das Kind in der Krippe zeigt es uns. Der Mensch glaubte dem Wort der Schlange im Paradies: „Ihr werdet sein wie Gott“ (Gen 3,5). Und Gott antwortet: Darum will ich sein wie der Mensch. Das ist Weih-nachten! Das Geschöpf griff nach der Frucht, die Gott sich vorbehalten hatte, und der Mensch sagt: „Was dein ist, o Gott, das ist jetzt mein“. Und Gott sagt: „Darum will ich dir geben, was mein ist. Was mein ist, soll dein sein!“ – Und so gab er uns seinen eingeborenen Sohn in dieser Heiligen Nacht. Der Mensch sagt: „Ich will nicht dienen!“ – Und Gott antwortet: „Darum will ich euer Diener sein“.

So antwortet Gott! Dem Hochmut des Menschen setzt er das Wort gegenüber: „Er entäußerte sich und wurde wie ein Sklave und den Menschen gleich“ (Phil 2,7). Das ist Weihnachten! Das kann einem den Atem verschlagen. Dem Eingriff in seine Rechte stellt Gott das Wort gegenüber: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab“ (Joh 3,16), dem Trotz des Menschen das Wort: „Und er war gehorsam bis zum Tod, bis zum Tod am Kreuz“ (Phil 2,8). So antwortet Gott.

5. Wir wollen uns über dieses Weihnachtsereignis freuen. Es gibt so viel Müdigkeit der Herzen, so wenig frisches und frohes Wandern auf Gott zu. Ja freilich, wir haben alle unsere Lasten. Aber das ist doch unsere Freude, dass Gott nicht wie die Menschen ist, obwohl er Mensch geworden ist. Ja, dadurch, dass er Mensch geworden ist, zeigt er, dass er nicht hart und gefühllos ist, wie wir Menschen es oft sind. Er beantwortet das Versagen mit Erbarmen, unsere Fehltritte mit verzeihender Liebe. Und darum dürfen nicht nur die Heiligen und Frommen singen: „Welt ging verloren, Christ ist geboren. Freue dich, du Christenheit!“. Das ist eigentlich die Botschaft der Heiligen Nacht an uns alle. Darum dürfen auch wir singen: „Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich du Christenheit“.

Gott ist Weihnachten Mensch geworden, damit wir Menschen ein wenig wie Gott werden können. Der hl. Petrus schreibt: „Ihr seid also jetzt nicht mehr Fremde ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes“ (Eph 2,19). Seit Gott Mensch geworden ist, trägt der Mensch ein göttliches Erbe mit sich. Wir dürfen nicht unter diesem Niveau leben. Hieraus resultieren auch die so genannten Menschenrechte.

Und dann dürfen wir etwas von dieser umstürzenden Kraft Christi mit nach Hause nehmen.
Jetzt wird wieder draußen in der Natur die Sonne gegen das Dunkel kämpfen und Tag für Tag Minuten der Nacht abringen. Die Kraft Christi möchte sich seit Weihnachten durchringen auch in uns, in unserem Denken und Wollen und in unserem Fühlen und Handeln. Und wenn es nur ein-, zwei- oder dreimal in diesen Tagen der Heiligen Weihnacht wäre, auf ein scharfes Wort mit einer gütigen Antwort zu reagieren, auf eine Rücksichtslosigkeit mit einem stillen Gebet, ein Unrecht mit der Vergebung zu beantworten, dann wüchse aus dieser Weihe-Nacht ein Weihe-Tag, und daraus kann dann ein ganzes Weihe-Leben werden. Egoismus und Gnade, sie stehen wie Dunkel und Licht in der Natur gegeneinander auch in jedem Menschen. Werden wir zu Menschen der Gnade mit einem ganz neuen Denken und Wollen! Christus ist geboren! Glaubt ihr, dass es die Welt weiß, trotz der 2000 Jahre, die seitdem vergangen sind? – Nichts oder fast nichts weiß sie von dem Kinde in Bethlehem und seiner neuen Welt! Aus heiliger, verschwiegener Nacht wollen wir diese Botschaft hinaustragen als Boten und Zeugen Christi: Christi Gnade vermag wirklich unser Leben zu erneuern! Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln

 

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