Kirche: Radikal zurückblicken
Es weihnachtet sehr
Die Tagespost, 16. Dezember 2013, von Markus Reder
Es weihnachtet sehr. Das Jahr neigt sich seinem Ende entgegen. Jetzt beginnt die Zeit der Rückblicke. Auch in der Kirche wird Bilanz gezogen. Dass der Advent die Ereignisse eines für die katholische Kirche hoch turbulenten Jahres in etwas milderes Licht taucht, ist wohl normal. Wenig hilfreich ist es allerdings, wenn dabei der Ernst der Lage allzu weichgezeichnet wird. Das wäre zudem reichlich unadventlich. Denn entgegen der säkularen Gefühlsduselei ist der Advent eine radikale Zeit. Eine Zeit der Umkehr und Erneuerung eben. Voraussetzung dafür ist der ungeschönte Blick auf die Realität – gerade dann, wenn es weh tut. Das gilt für jeden Einzelnen wie für die Kirche insgesamt.
Richtig ist, Papst Franziskus begeistert auch Kreise, die bisher vor allem durch Papstkritik aufgefallen sind. Darin liegt eine Chance. Zur ganzen Wahrheit gehört leider auch: Franziskus wird gerade in der Kirche deutscher Zunge höchst selektiv wahrgenommen. Jeder pickt sich raus, was ihm passt. Bestes Beispiel: Evangelii gaudium. Würde dieser donnernde missionarische Weckruf auch nur halbwegs ernst genommen, die Kirche in Deutschland stünde vor dem grössten Umbau seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Ihre Themenagenda und ihre Strukturen würden gründlich überprüft, ob sie in der vom Papst geforderten Weise der Evangelisation dienen. Die Bilanz einer solchen Prüfung wäre ernüchternd. Doch solche Selbstkritik wäre Bedingung für die Wiedergewinnung einer missionarischen Dynamik. Stattdessen: Beifall für Franziskus, Selbstzufriedenheit in deutschen Ordinariaten und der Ruf nach Reformen im Vatikan.
In einem Interview (siehe Seite 4) hat Papst Franziskus jetzt klargestellt, dass seine Äusserungen zur Sakramentenspendung in Evangelii gaudium nicht auf die Diskussion um wiederverheiratete Geschiedenen bezogen waren. Gerade in Deutschland sollte man da gut hinhören. Während die Weltkirche eine Synode zum Thema vorbereitet, masst sich hier ein Bistum an, in Lehre und Praxis einen eigenen Weg zu gehen. Der Präfekt der Glaubenskongregation, der dies klar benannt und Korrektur gefordert hat, wird dafür von Mitbrüdern öffentlich kritisiert. Und beim ZdK wird beklatscht, dass die beanstandete “Freiburger Handreichung” in die Beratungen der Bischöfe eingeht. Die Art und Weise, wie hier ein menschlich wie theologisch sensibles Thema zum Politikum gemacht wird, muss erschrecken. Abseits der Weltkirche eigene Wege gehen und in Eigenregie Fakten schaffen, das ist kein Dienst an der Einheit, sondern ein Schritt in Richtung eines deutschen Sonderweges. Im Bistum Limburg ist man auf solchen Wegen schon seit Jahrzehnten unterwegs. Das muss man sehen, wenn man die Hintergründe der totalen Eskalation in der Auseinandersetzung um Bischof Tebartz-van Elst verstehen will. Limburg bedeutet nicht nur die Frage nach Kostenexplosionen bei einem kirchlichen Bauprojekt und nach den diesbezüglichen Verantwortlichkeiten. Diese Dinge wird man bald klarer sehen, wenn der entsprechende Prüfbericht vorliegt. Hinter dem “Fall Limburg” steht die Frage, ob es überhaupt noch möglich ist, ein in Teilen bereits protestantisiertes Bistum wieder in die Einheit mit der Weltkirche zurückzuführen. Schwarzmalerei? Mitnichten. Nur eine ungeschönte Bestandsaufnahme. Radikal adventlich.
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