Die wahre Kurien-Reform *UPDATE

Man muss ihn sehen. Wie er spricht. Welche Sätze er wiederholt

Guido Horst DTVatikan: Ansprache an die Römische Kurie
Weihnachtsansprache von Papst Benedikt XVI., 2005

Die Tagespost, 23. Dezember 2013, von Guido Horst

Italienische Fernsehzuschauer hatten am Samstag die Gelegenheit, Papst Franziskus bei seiner Ansprache vor den Kardinälen, Bischöfen und Prälaten der römischen Kurie zu sehen. (Wortlaut siehe Seite 5, Printpaper) Der entscheidende Abschnitt seiner Rede lief auf allen Kanälen. Das ist etwas Besonderes bei Franziskus. Man muss ihn sehen. Wie er spricht. Welche Sätze er wiederholt. Mit welchem Blick er dann in die Runde schaut. Und man muss schon sagen, da hat er – man verzeihe den Ausdruck – ordentlich hingelangt. Den Bischöfen und Purpurträgern schien das Lächeln im Gesicht zu erstarren.

Die erste Weihnachtsansprache von Benedikt XVI. 2005 ist berühmt geworden. Da hatte er, der grosse Theologe, so ungefähr ab der Hälfte seines Redemanuskripts das Zweite Vatikanum thematisiert und seine immer wieder zitierte Unterscheidung zwischen der Hermeneutik des Bruchs und der Hermeneutik der Reform formuliert. Papst Bergoglio ist kein Theologieprofessor, seine erste Weihnachtsansprache vor der Kurie war viel kürzer. Aber wieder etwa ab der Hälfte sprach er über die herausragenden Prinzipien, die die Mitarbeiter des Vatikans leiten müssen. Und er nennt nicht nur die Professionalität und den Dienst als Merkmal, sondern auch die Heiligkeit des Lebens, die unbescholtene und vorbildhafte Lebensführung. Man muss wissen, wer da spricht. Im Vorkonklave hatte Kardinal Jorge Mario Bergoglio sehr viel Schlimmes über den Vatikan gehört. Der Auftrag der Papstwähler an den neuen Papst lautete unter anderem, die römische Kurie zu reformieren. Franziskus hat den abschliessenden Bericht der drei Detektiv-Kardinäle gelesen, die Benedikt XVI. mit der Untersuchung der Hintergründe des Skandals “Vatileaks” beauftragt hatte. Beide Päpste haben darüber auch gesprochen. Der emeritierte Papst hat seinem Nachfolger entsprechende Aufzeichnungen überlassen. Und dann hat sich Franziskus in seiner Zeit in Rom selber ein Bild machen können, gestützt auf viele Gespräche und Berichte. Nicht die Strukturen sind das Problem im Vatikan, sondern ein Mangel an Heiligkeit des dort tätigen Bodenpersonals, das eigentlich die Aufgabe hätte, dem Papst bei der Leitung der Weltkirche uneigennützig zu helfen.

Franziskus hat auch ein Laster genannt, das in der Kurie verbreitet ist – wenn es das nicht wäre, hätte er nicht davon gesprochen: die “chiacchiere”, was man mit Tratsch und Gerede übersetzen kann. Und er verpflichtete die Kurialen im Gewissen, diese Krankheit zu meiden, sie schädige die Person und sie schädige die Arbeit. Bei einer seiner Predigten während der Frühmesse hatte er sogar gesagt, dass die “chiacchie-re” Personen töten könnten, vor allem im kirchlichen Bereich. Heute, wo man weiss, dass Franziskus nicht nur den Apostolischen Palast als Wohnung gemieden hat und ganz aus der traditionellen Umgebung der Papst “ausgezogen” ist, sondern sich dann im Gästehaus des Vatikans auch eine parallele kleine Kurie aufgebaut hat, mit der er seit Monaten arbeitet, kann man ahnen, wie sehr Franziskus jenen engeren Zirkel des Vatikans meidet, der seinen Vorgänger blockiert und aus dem Sumpf von Tratsch und Gerede jene giftige Pflanze “Vatileaks” hervorgebracht hat. Es riecht in Rom nach Neuanfang.

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