Begrenzte Möglichkeiten

Wunder darf man nicht erwarten

Schutzherrin der BarmherzigkeitDie Tagespost, 22. November 2013, von Oliver Maksan

Nein, Wunder darf man vom zu Ende gegangenen Treffen der katholischen Kirchenführer mit dem Papst in Rom nicht erwarten.

Dazu sind die Probleme der Christen in der arabischen Welt zu gross und grundlegend. Vor allem steht ihre Lösung nur sehr begrenzt in der Macht der Kirchen und ihrer Gläubigen selbst. Aber die in den Vatikan gereisten Patriarchen und Erzbischöfe konnten sich davon überzeugen, dass auch der neue Vater der katholischen Christenheit den Nahen Osten nicht nur nicht vergessen hat, sondern ihn zu seinem Herzensanliegen macht.

Viel ist in den letzten Jahren innerkirchlich sowohl in der Region als auch auf weltkirchlicher Ebene an Bewusstseinsbildung geschehen. Schon unter dem seligen Johannes Paul II., besonders aber mit der Bischofssynode für den Nahen Osten unter Benedikt XVI. ist die Lage der orientalischen Christen zur weltkirchlichen Priorität geworden. Durch das Ostkirchendekret des Zweiten Vatikanums ist in den vergangenen 50 Jahren zudem der Respekt vor der Würde der Kirchen des Nahen Ostens gewachsen. Jahrhunderte dekretierter Latinisierung der unierten Kirchen sind vorüber. Dem ökumenischen Ziel der Einheit unter dem Stuhl Petri vermag dies nur zu dienen. Auch in der Region selbst hat sich vieles geändert: Die neue Patriarchen- und Bischofsgeneration etwa im Libanon, im Irak und in Ägypten vermag die Zeichen der Zeit zu lesen. Kirchturmdenken und patriarchale Klüngelwirtschaft, die häufig den Führungsstil ihrer Vorgänger prägten, gehören hoffentlich der Vergangenheit an. Doch sind die Herausforderungen gewaltig. Das andauernde Chaos im Irak und in Syrien bedroht ernsthaft den Fortbestand der christlichen Gemeinschaften. Im Irak mit seiner auf apostolische Zeiten zurückgehenden Christentumsgeschichte etwa ist längst eine kritische Marke erreicht. Jedes ausgewanderte Familienmitglied in Kanada, Australien oder Schweden zieht fast zwangsläufig andere nach. Dabei ist das nahöstliche Emigrationsproblem nicht neu. Das ganze 20. Jahrhundert hindurch gab es eine meist ökonomisch motivierte arabische Abwanderung aus dem Nahen Osten – sowohl von Christen als auch von Muslimen. Die libanesisch-palästinensische Diaspora in Lateinamerika zeugt davon. Zusammen mit der vom westlichen Lebensstil inspirierten niedrigen Geburtenrate sind die Christen der arabischen Welt in Relation zur Mehrheitsgesellschaft deshalb so marginal wie nie. Etwa 15 Millionen leben unter weit über 300 Millionen Muslimen. Die Hälfte davon verteilt sich zudem allein auf Ägypten. Der sich in den letzten Jahrzehnten unter vielen Muslimen ausbreitende Fanatismus tut schliesslich das Seine, die Lage der Christen zu erschweren.

Immer wieder ist die Rede davon, dass die arabischen Christen ihre Präsenz als Berufung verstehen müssen, die vom Evangelium auch zum Wohle der muslimischen Mehrheitsgesellschaft Zeugnis gibt. Doch sind ihre Möglichkeiten begrenzt. Es liegt an den gemässigten Muslimen, sich für Verhältnisse einzusetzen, die nicht nur die traditionelle Pluralität bewahren, sondern von echter Gleichberechtigung vor dem Gesetz geprägt sind. Die Zukunft der orientalischen Christen hängt im Wesentlichen davon ab, wer sich im Ringen um die Zukunft der arabischen Welt durchsetzt – und wie schnell und gewaltfrei dies geschieht.

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