Mit weltweitem Fasten und Beten den Krieg stoppen
Internationale Gemeinschaft uneins
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Krieg und Frieden
Obama treibt Angriffspläne voran – Internationale Gemeinschaft uneins – Vatikan erläutert Haltung des Papstes – Gebetswache in Rom
Rom/St. Petersburg, DT/gho/dpa/KNA, 6. September 2013
US-Präsident Barack Obama treibt seine Angriffspläne gegen Syrien voran. Nach einem Bericht der “New York Times” sollen mehr Ziele in Syrien ins Visier genommen werden. Obama reagiere auf Geheimdienstberichte, wonach das syrische Militär Waffen in Erwartung eines Angriffs verlegt hätte, berichtete die Zeitung am Freitag.
Der G20-Gipfel in St. Petersburg blieb gespalten, ob eine Strafaktion gegen das Regime von Präsident Baschar al-Assad zu rechtfertigen ist. Aus russischer Sicht hätten die Gespräche beim Treffen der führenden Volkswirtschaften (G20) gezeigt, dass die Meinungen auseinandergingen, sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Kremlchef Wladimir Putin, am Schlusstag des Gipfels.
Obama, der innenpolitischen Rückhalt für einen Angriff bekommt, wies dem Bericht zufolge die Militärs an, die Trägersysteme für Chemiewaffen so gut wie möglich zu zerstören. Die Planer im Verteidigungsministerium hätten bereits mehr als 50 Ziele im Visier. Ausdrücklich hiess es, nicht die Giftgas-Arsenale direkt seien das Ziel, da das zu gefährlich sei. Zudem gebe es Überlegungen, französische und US-Kampfflugzeuge einzusetzen. Bisher ging es vornehmlich um Marschflugkörper und Raketen, die von Schiffen aus abgefeuert werden.
Den rauen Ton im russisch-amerikanischen Verhältnis machte sich in New York auch die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, zu eigen. In aussergewöhnlicher Schärfe wies sie Russland die Schuld an der Syrien-Blockade im Sicherheitsrat zu. “Russland hält diesen Rat weiter als Geisel”, sagte Power. “Es gibt in der Zusammenarbeit mit unseren russischen Kollegen nichts, was uns irgendeinen Anlass geben würde, optimistisch zu sein.”
Die verhärteten Fronten wurden auch beim Abendessen am Donnerstag deutlich, als Gastgeber Putin das Thema Syrien zur Sprache brachte. Der italienische Regierungschef Enrico Letta schrieb auf Twitter, bei der Abendsitzung habe sich die Spaltung über Syrien bestätigt. Nach russischen Angaben sprach Putin mit dem britischen Premier David Cameron über Syrien. Mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping traf Obama einen entschiedenen Gegner eines Militärschlags. Bei dem Gespräch sollte es nach chinesischen Angaben auch um wirtschaftliche Kooperation gehen. China hat wie Russland im UN-Sicherheitsrat bislang alle Versuche blockiert, mehr Druck auf das syrische Regime auszuüben.
Die Europäische Union und die Vereinten Nationen fordern mehr humanitäre Hilfe für die Bürgerkriegsopfer in Syrien. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte: “Die humanitäre Lage in Syrien ist schlimm und wird schlimmer.” Für Hilfsprogramme sei dringend mehr Geld nötig. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso ergänzte: “Wir rufen unsere Partner von den G20 und die übrige internationale Gemeinschaft auf, humanitäre Unterstützung auf den Weg zu bringen und die internationalen Hilfsorganisationen zu unterstützen.”
Papst Franziskus hat an die Teilnehmer des G-20-Gipfels in Sankt Petersburg appelliert, ein weiteres Massaker in Syrien zu verhindern. Jeder “nichtige Plan einer militärischen Lösung” müsse beiseitegelegt werden, heisst es in einem Schreiben an den Gastgeber des Gipfels, Russlands Präsident Wladimir Putin. Die Staaten dürften nicht untätig bleiben angesichts des Dramas, das die syrische Bevölkerung schon allzu lange durchlebe. Der Brief wurde am Donnerstag vom Vatikan veröffentlicht. Es brauche einen entschlossenen neuen Anlauf für eine friedliche Lösung durch Dialog und Verhandlungen, unterstrich Franziskus. (Voller Wortlaut des Papstschreibens siehe Seite 6). Der Leiter der für die Beziehungen zu den Staaten zuständigen Sektion des vatikanischen Staatssekretariats, Erzbischof Dominique Mamberti, informierte am Donnerstag auswärtige Diplomaten über die Haltung des Papstes und des Heiligen Stuhls zum Syrien-Konflikt. 71 beim Vatikan akkreditierte Botschafter nahmen an dem Treffen teil. Mamberti wies auf die hohe Bedeutung hin, die Papst Franziskus dem heutigen Tag des Friedens und des Fastens für den Frieden beimisst. Der Kurienerzbischof nannte drei Prinzipien, die die Suche nach einer gerechten Lösung der gewaltsamen Auseinandersetzungen in Syrien leiten müssten:
Vor allem die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen den Konfliktparteien und die Wiederversöhnung des syrischen Volkes.
Sodann müsse die kulturelle Einheit des Landes bewahrt werden, die dortige Gesellschaft dürfe nicht in verschiedene Gruppen auseinanderfallen.
Und drittens müsse auch die territoriale Einheit des Landes bewahrt werden.
Mamberti führte den Diplomaten auch die Zahlen des Syrien-Konflikts vor Augen: Der Krieg habe bisher mehr als 110 000 Tote gefordert, unzählige Verletzte und mehr als zwei Millionen in die benachbarten Länder geflohene Menschen. Die Gewalt müsse deshalb sofort enden, sie säe nur Tod und Leid, erklärte der von den Medien oft als vatikanischer “Aussenminister” bezeichnete Erzbischof.
Wie Vatikansprecher Federico Lombardi nach dem Treffen vor Journalisten sagte, habe Mamberti die Opposition in Syrien aufgefordert, den Einfluss von Extremisten und Terroristen in ihren Reihen einzuschränken. Auch sollte die ökumenische Zusammenarbeit unter den Christen angesichts der Bedrohung von aussen intensiviert werden. Lombardi bezeichnete den heutigen Gebetstag als das Herzstück des Eintretens von Papst Franziskus für den Frieden – durch das Gebet und das Fasten. Die Meditation des Papstes werde einer der Höhepunkte der Gebetswache am heutigen Abend sein. 50 Priester würden während der ganzen Gebetswache Beichte hören. Der Tag des Gebets und des Fastens sei auch eine Möglichkeit, Busse zu tun und umzukehren.
“Es war dem Papst wichtig”, so Lombardi, “dass man an diesem Tag auch das Sakrament der Beichte empfangen kann.” Die Gebetswache für Syrien auf dem Petersplatz dürfte mit vier Stunden Dauer die bislang längste Papstzeremonie überhaupt sein. Sie beginnt um 19 Uhr mit der Anrufung des Heiligen Geistes und einem Rosenkranzgebet. Dazu wird die verehrte Ikone der “Salus Populi Romani” (Beschützerin des Römischen Volkes) in Prozession von vier Schweizergardisten vom Obelisken des Petersplatzes zum Altar getragen. Jedes Rosenkranzgebet schliesst mit dem marianischen Appell „Königin des Friedens, bitte für uns”. Es folgt die Friedensmeditation des Papstes; daran schliesst sich der eucharistische Teil der Gebetswache an. Dazu wird das Allerheiligste in der Monstranz auf dem Altar ausgesetzt.
Die folgenden fünf Gebetsteile umfassen biblische Texte zum Thema Frieden, Friedensgebete früherer Päpste, Friedensbitten in Antwortversen, Gesänge und Weihrauchopfer sowie Momente der Stille zum persönlichen Gebet.
Am Ende jedes Gebetsteils legen Menschen aus Syrien, Ägypten, dem Heiligen Land, den USA und Russland Weihrauch auf eine Rauchpfanne. An eine Reihe von Lesungen schliesst sich eine längere Stillephase an.
Die Gebetswache endet mit dem eucharistischen Segen durch den Papst mit der Monstranz gegen 23 Uhr. Weltweit ist die Resonanz auf die Gebetsinitiative des Papstes gross. Auch in Deutschland und Österreich laden viele katholische Gemeinden am Wochenende zum Friedensgebet für Syrien ein. Nahezu alle Bischöfe haben sich dem Aufruf von Papst Franziskus zu einem Gebets- und Fastentag angeschlossen und an die Gemeinden appelliert, in den Sonntagsgottesdiensten für ein Ende des Konflikts im Nahen Osten zu beten. Einige von ihnen wollen selbst einen solchen Gottesdienst leiten. Die deutsche Bischofskonferenzen und das internationale katholische Missionswerk missio bieten Gestaltungs- und Gebetsvorschläge an. Wie der Papst laden die Bischöfe ausdrücklich auch nichtreligiöse Menschen oder Angehörige anderer Religionen zum Gebetstag für Syrien ein. Auch in Österreich folgt die Kirche dem Aufruf des Papstes zum Fast- und Gebetstag für den Frieden in Syrien.
Der Gnadenort Mariazell wird sich dabei auf besondere Weise beteiligen. Am Vorabend des Festes Mariä Geburt, das am 8. September gefeiert wird, wird ab 20 Uhr die über 850 Jahre alte Gnadenstatue während des abendlichen und nächtlichen Friedensgebetes durch die Strassen des Ortes getragen. Nur in zwei besonderen Krisenzeiten der Geschichte wurde eine ähnliche Prozession durchgeführt: Im letzten Kriegsjahr, um für das Ende des Zweiten Weltkriegs zu beten, und beim grossen Mariazeller Brand von 1827, bei dem auch die Basilika und der ganze Ort in grosse Mitleidenschaft gezogen wurden. Für das Friedensgebet und die Prozession haben sich zahlreiche Pilgergruppen aus Österreich, Deutschland, Ungarn und Kroatien angesagt. (Siehe Blickpunkt Seite 2)
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