Die Eskalation ist nur vertagt

Internationalisierung des Krieges um Syrien nicht abgesagt, lediglich vertagt

Die Tagespost, 11. September 2013, von Stephan Baier

Die Internationalisierung des Krieges um Syrien ist auch nach Obamas Rede nicht abgesagt, sondern lediglich vertagt. Dem US-Präsidenten und Friedensnobelpreisträger war wichtig, dem Assad-Regime und dem Rest der Welt diese Botschaft zu senden. Die Diplomatie soll eine letzte Chance haben, die Eskalation zu verhindern und den Konflikt dort zu lassen, wo er seit März 2011 tobt – in der Region.

Allein die Frage, wer nun sein Gesicht gewahrt oder verloren hat, zeigt jedoch die globale Dimension dieses Krieges: Der US-Präsident, der den Einsatz von Chemiewaffen einst zur “roten Linie” erklärte und zum Militärschlag gegen Damaskus rief, konnte sich in zwei gewagten Schritten hinter die selbst proklamierten Linien zurückziehen. Er erspart sich mehrere drohende Blamagen: dass noch mehr Verbündete von der Fahne gehen könnten, dass Assad auch nach einem US-Militärschlag nicht besiegt sein könnte, dass der Kongress dem Präsidenten durch Vorgaben das Heft aus der Hand nehmen könnte. Die in Syrien wütenden “Rebellen”, die von einem amerikanischen Militärschlag jene Schwächung Assads erwarteten, die den Krieg zu ihren Gunsten wenden könnte, sind nun offen enttäuscht – aber solche Frustrationen hat Washington stets in Kauf genommen. Zurück im globalen Spiel ist jetzt aber Russland: Indem der russische Aussenminister Sergej Lawrow beherzt die Initiative ergriff und Baschar al-Assad zu – vorerst rhetorischen – Zugeständnissen bewegte, ist Russland nicht mehr in der Rolle des bösen Blockierers und Regime-Verteidigers, sondern des Türöffners und Vermittlers.

Während Britanniens Parlament seinem Premier die Waffen aus der Hand geschlagen hat, während der US-Präsident an der Heimatfront wie auf dem internationalen Parkett nun danach trachten muss, weder als fantasieloser Kriegstreiber noch als mutloser Maulheld zu erscheinen, kann Moskau einen politischen Erfolg verbuchen. Russlands intakter Draht zu Assad hat der Diplomatie ein Zeitfenster geöffnet, um eine gefährliche Eskalation zu vermeiden. Unterdessen geht aber der regionale Krieg um Syrien weiter – und auch das Sterben der Syrer.

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