Wie ein Menschen-Tsunami

Zu Fronleichnam in Rom ein grosser weisser Jeep und eine Welle der Begeisterung

vatikan magazinVatikan, Samstag, 01. Juni 2013, von Natalie Nordio

Zu Fronleichnam in Rom ein grosser weisser Jeep und eine Welle der Begeisterung: Nicht wie seine Vorgänger fahrend, sondern zu Fuss machte sich Franziskus vom Lateran nach Santa Maria Maggiore auf und war auf seinem Weg alles andere als allein.

Bereits am Donnerstagvormittag warnten die Verkehrshinweisschilder die römischen Autofahrer vor den Strassensperrungen rund um die Lateranbasilika ab 17 Uhr. Grund hierfür war die Fronleichnamsprozession Papst Franziskus’ von San Giovanni in Laterano über die Via Merulana hin nach Santa Maria Maggiore. In Italien wurde Fronleichnam, das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, in den siebziger Jahren als gesetzlicher Feiertag abgeschafft und dementsprechend hoch war zur Rushhour das Verkehrsaufkommen.

Als ich gegen kurz nach halb acht Santa Maria Maggiore erreichte, war trotz angekündigter Strassensperre die Via Merulana noch fest im Griff der römischen Pkws, die sich, wie an jedem Tag, Stossstange an Stossstange durch die Stadt schoben. Keine Chance gegen den lärmenden Verkehr hatten die links und rechts entlang der Strasse aufgestellten Lautsprecher, über die auch jene der Messe folgen konnten, die es nicht bis auf den Vorplatz der Lateranbasilika geschafft hatten. Nur in den kurzen Hupkonzert-Pausen schafften es die Gesänge und die Stimme von Franziskus, sich durchzusetzen. Um kurz nach acht beendeten die Strassenpolizisten reichlich spät dieses “spettacolo” und sperrten endlich die Strasse.

Nur langsam nahmen kleinere Grüppchen hinter den Absperrungen ihren Platz ein. Angesichts der Massen, die jeden Mittwoch und Sonntag den Petersplatz bevölkern, hatte ich mit grösserem Andrang gerechnet. Meine Erklärung war das schlechte Wetter, Gewitterwolken am Himmel und ein eisiger Wind, der einem um die Ohren pfiff, waren bestimmt der Grund, dass viele es vorgezogen hatten, im Warmen zu bleiben. Dieser Eindruck sollte sich später allerdings als falsch entpuppen. Um kurz vor halb neun kam Bewegung in die Sache und die Prozession setzte sich vor der Lateranbasilika in Gang. Kardinäle, Bischöfe und Priester, Ordensgemeinschaften und katholische Bruderschaften und viele mehr zogen singend in zweier Reihen an uns Wartenden vorbei. Die meisten trugen Teelichter und Kerzen, die sie vor der steifen Brise gut beschützen mussten. Eine wunderbare festliche Stimmung und Stille, die allein durch den Gesang und einzelne Gebete unterbrochen wurde erfüllte, die Strasse. Der Zug schien kein Ende zu nehmen, bis in der Ferne schliesslich ein grosser weisser Jeep zu erkennen war, der sich im Schritttempo langsam nährte. Zwei junge Priester begleiteten in diesem Jahr vor der Monstranz betend das Allerheiligste auf seiner Fahrt nach Santa Maria Maggiore, während Franziskus einige Meter hinter dem Jeep her ging. Nach Johannes Paul II. und Benedikt XVI., die beide auf dem Jeep kniend die Prozession begangen hatten, ging Franziskus leicht humpelnd die etwa einen Kilometer lange Strecke zu Fuss. Gesäumt von Bischöfen und Kirchenmännern schritt er stumm und mit ernstem Blick hinter dem Wagen her.

Kaum war Franziskus an den Wartenden vorbeigezogen, brachen diese hastig auf und folgten auf den viel zu engen Bürgersteigen der Prozession. Die Menschen-Welle, die schliesslich Santa Maria Maggiore entgegen rollte, zeigte mir, wie falsch ich mit meiner anfänglichen Annahme der geringen Besucherzahl doch gelegen hatte. Einem Tsunami gleich, der unaufhaltsam alles mit sich reisst, wurde ich von dem Menschenstrom mitgezogen. Die besinnliche Stimmung war nun erst mal dahin. Kurz vor Santa Maria Maggiore gab ich mich den Massen geschlagen und entwischte in eine der kleinen Seitenstrassen, um meinen von unzähligen Tritten schmerzenden Füssen eine Ruhepause zu gönnen. Auf der Piazza vor Santa Maria Maggiore kehrte nach der Ankunft Franziskus’ allmählich wieder Ruhe ein. Aus sicherer Entfernung verfolgte ich das Ende der Prozession. Und obwohl meine Füsse auch noch einen Tag später etwas leiden und meinen linken Fuss ein kreisförmiger blauer Fleck ziert, so war die Fronleichnamsprozession für mich einer der bisher stimmungsvollsten und bewegendsten Augenblicke in Rom. Im nächsten Jahr bin ich bestimmt wieder dabei, dann aber mit Bergsteigerstiefeln, meinen Füssen zu Liebe.

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