Willkommen im Vier-Päpste-Jahr

Erst das Schweigen, dann der Schock, jetzt ein Vier-Päpste-Jahr

Papst Johannes XXIII.Die Tagespost, 08.07.2013, von Markus Reder

Erst das Schweigen, dann der Schock, jetzt ein Vier-Päpste-Jahr. Als Benedikt XVI. das “Jahr des Glaubens” ausrief, waren jene Reaktionsmuster zu erkennen, die man leider typisch nennen muss. Während die Initiative vielerorts dankbar aufgegriffen wurde, fiel die Antwort im Mutterland des Protestantismus – von lobenswerten Ausnahmen abgesehen – insgesamt ziemlich piano aus. Lass’ den Papst in Rom einen guten Mann sein, wir kochen unser eigenes Süppchen. So lässt sich die Schweige-Strategie beschreiben, mit der man auch diesmal die grosse Chance eines deutschen Pontifikates ziemlich klein gehalten hatte. Das “Jahr des Glaubens” tröpfelte vor sich hin.

Dann kam der Donnerschlag: Benedikt XVI. trat zurück. Franziskus übernahm das Petrusamt. Mit den historischen Ereignissen in Rom erhielt das “Jahr des Glaubens” plötzlich eine unerwartete Eigendynamik. Ein Papst im Amt, ein Papa emerito, der im vatikanischen Kloster betet: Hier ereigneten sich nicht nur kirchengeschichtliche Einschnitte. Es vollzog sich Neues. Die wenigen Bilder der Begegnungen zwischen Franziskus und Benedikt XVI. drückten das zeichenhaft aus. Am Freitag haben sich die beiden erneut im Vatikan getroffen. Und diese Begegnung ging in ihrer symbolischen Strahlkraft noch über die vorhergehenden hinaus.

Papst unum sintEs war der Tag, an dem die erste Enzyklika von Papst Franziskus veröffentlicht wurde. Den Text von Lumen fidei hat Franziskus weitgehend von Benedikt übernommen. So unterstreicht dieses Lehrschreiben einmal mehr die grosse inhaltliche Kontinuität zwischen Franziskus und Benedikt XVI. Doch damit nicht genug. Jenes Papst-Treffen fand am gleichen Tag statt, an dem der Vatikan die bevorstehende Heiligsprechung von Johannes Paul II. und Johannes XXIII. bekannt gab. Das ist nun wirklich nicht mehr zu überbieten: Ein Papst trifft seinen Vorgänger, mit dem er eben eine gemeinsam verfasste Enzyklika veröffentlicht hat. Und am gleichen Tag wird die Heiligsprechung zweier ihrer Vorgänger öffentlich. Was für ein Moment der Kirchengeschichte. Zwei Päpste hier unten, zwei neue heilige Päpste im Himmel: Da deutet sich eine geistliche Formation an, die dem Ausmass der Krise der Kirche und der Sünde in ihrem Inneren etwas Wirksames entgegensetzt.

So albern es ist, das Charisma des einen Papstes gegen das der anderen auszuspielen, so blind wäre es, die grosse verbindende Linie nicht sehen zu wollen: Das Zweite Vatikanum. Das Christus-Bekenntnis der Apostel und den Glauben der Kirche unentstellt in die Welt von heute zu tragen, ist das grosse einigende Band zwischen diesen so unterschiedlichen Pontifikaten. Es verbindet den “Papa buono” Johannes XXIII., der das Konzil einberief, mit dem oft verkannten, modernen Konzilspapst Paul VI. Es eint in besonderer Weise das Jahrtausend-Pontifikat des Mauerbrechers Johannes Paul II. mit dem Pontifikat der theologischen Konzentration und Durchdringung Benedikts XVI. Darauf folgt nun Franziskus – in inhaltlicher Kontinuität und seinem ganz eigenen Stil.

Sich an den Päpsten zu orientieren, ist kein pathologischer Ultramontanismus, auch wenn das oft bewusst so missdeutet wird. Es sind ganz offensichtlich die Päpste, die im Chaos theologischer Verwirrung und inmitten der tiefen Krise der Kirche geistlich, theologisch und als leuchtende Vorbilder gelebten Glaubens Klarheit und Orientierung bieten. Viele Jugendliche haben das längst begriffen. Der Weltjugendtag in Brasilien wird das in Kürze wieder zeigen. Eigentlich kein Wunder: Jugendliche haben ein besonders feines Gespür für Authentizität und Wahrhaftigkeit. Sie spüren schneller, wer wirklich Wege zum Leben weist.

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