Scola: Europa muss sich radikal überdenken, sonst droht Untergang

Mailänder Kardinal erhofft vom neuen Papst Impulse für kirchlichen und gesellschaftlichen Neuanfang

Cardinal Angelo ScolaRom, kath.net/KAP, 17. Juni 2013

Europa geht nach Ansicht des Mailänder Kardinals Angelo Scola seinem Untergang entgegen. Die Zivilgesellschaft wie die Kirche würden alt und müde, sie müssten sich “in radikaler Weise neu überdenken”, betonte er in einem Zeitungsinterview am Sonntag. Die jüngsten Vorgänge in der Türkei sowie in Syrien wertete der Kardinal als deutliches Signal an Europa. Als Zeichen der Vorsehung bezeichnete Scola die Wahl des neuen Papstes. Franziskus versuche eine Rückbesinnung auf grundlegende gemeinsame Erfahrungen anzuregen. Unter seiner Leitung müssten die europäischen Kirchen den Mut zu einem Neuanfang haben, sagte Scola.

Der Kardinal äusserte sich in dem Interview mit der Zeitung “La Stampa” beeindruckt von der Kraft, dem Zeugnis, dem Lebensstil und den kommunikativen Fähigkeiten des neuen Papstes. Franziskus sei sich bewusst, dass er Entscheidungen treffen müsse, und sei auch in der Lage, diese durchzusetzen, betonte Scola. Er hatte vor dem Konklave selbst als aussichtsreicher Kandidat für das Papstamt gegolten.

Die Proteste in der Türkei richten sich nach Ansicht von Scola auch “gegen einen Versuch der Islamisierung, verbunden mit einem Abdriften zu autoritären Formen”. Dieses Signal sollten die Europäer sehr ernst nehmen, betonte der Kardinal. Zur Bewertung der Situation in Syrien sollte die Kirche auch auf die Christenführer der Region hören. Diese warnten vor einer militärischen Intervention, da sich unter die “Rebellen” viele islamische Fundamentalisten gemischt hätten. Als illusorisch und unrealistisch bezeichnete Scola Vorstellungen westlicher Politiker, man könne in diese Länder die “Demokratie exportieren”.

Das Verhältnis von Kirche und Staat sollte nach Worten Scolas von einer positiven Überparteilichkeit bestimmt sein. Die Kirche verlange keine Privilegien. Aber das bedeute nicht, dass der Staat die Religionen neutralisieren und in ein Niemandsland abschieben dürfe. “Sie müssen im Staat den Raum haben, sich zu äussern und sich mit anderen Vorstellungen auseinanderzusetzen.” So dürfe man den Christen nicht die Möglichkeit nehmen, ihre Vorstellungen von Ehe und Familie in die Gesellschaft einzubringen. Mit Blick auf die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebensgemeinschaften sagte Scola: “Eine Sache ist es, allen ihre individuellen Rechte zu sichern, eine andere ist es, direkt oder indirekt der Familie zu schaden”.

Zur vom Papst eingesetzten und aus acht Kardinälen bestehenden Beratergruppe führte Scola aus, diese solle den Papst in der Kirchenleitung unterstützen, ohne dass damit der Primat des Papstes berührt würde. Scola: “In der prophetischen Rücktrittsgeste von Benedikt XVI. war implizit auch ein Schrei enthalten: Man kann die Wahrnehmung dieser so schweren Aufgabe nicht auf den Schultern eines einzelnen lassen”. Im Vorkonklave sei daher vorgeschlagen worden, der neue Papst sollte “neue Formen zur Leitung der Kirche finden”.

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