Zeugnis geben auf den Strassen
Nicht nur Wut- und Mutbürger gehen auf die Strasse, sondern auch Betbürger
Fronleichnam
Festjahr: Fronleichnam
“Demo” des Glaubens und typisch katholisch
Eucharistischer Kongress, Köln
Die Tagespost, 27. Mai 2013, von Markus Reder
Es gibt viele Gründe, die Katholiken heute auf die Strasse treiben: Solidaritätskundgebungen für verfolgte Christen, Protestmärsche gegen eine um sich greifende Kultur des Todes, Demonstrationen gegen gesellschaftspolitischen Giftmüll, der die Ökologie des Menschen bedrohen. All das sind nur ein paar Beispiele. Öffentlich die Stimme erheben, wo Menschenrechte und -würde verletzt, wo der Glaube bedroht oder die Axt an die Wurzeln unserer Kultur gelegt wird, das ist richtig und wichtig – auch um das Feld nicht lautstarken Minderheiten zu überlassen. Und doch:
Die wichtigste aller katholische Demonstrationen findet am kommenden Donnerstag statt, wenn die Kirche das Hochfest des Leibes und Blutes Christi feiert.
Fronleichnam zeigt: Nicht nur Wut- und Mutbürger gehen auf die Strasse, sondern auch Betbürger. Wobei das öffentliche Bekenntnis zum Glauben der Kirche ohnehin zunehmend Mut voraussetzt. In der Hochzeit der Volkskirche waren Fronleichnams-Prozessionen sinnenfrohe Demonstrationen des Katholischen. Noch heute schwärmen viele davon und blicken wehmütig auf die “gute alte Zeit”. Doch die Zeiten haben sich gewaltig geändert. Gewiss, in katholisch geprägten Regionen gibt es noch prachtvolle Prozessionen, in denen sich tiefer Glaube, Brauchtum und Volksfrömmigkeit berühren. Aber auch das wird weniger. In vielen Gemeinden, in denen die Prozession einst zu den Höhepunkten des Jahres zählte, wird das Häuflein der Gläubigen immer kleiner – trotz der Zusammenlegung von Pfarreien. Fronleichnamsprozessionen sind längst keine katholischen “Triumphzüge” mehr. Nach dem Ende der Volkskirche werden sie mehr und mehr zu Bekenntnismärschen. Und das gilt längst nicht nur mit Blick auf das Zeugnis gegenüber der säkularen Öffentlichkeit, die mal staunend, mal peinlich berührt am Strassenrand stehen bleibt oder rasch die Fenster schliesst, wenn die Monstranz am Haus vorbeigetragen wird.
Inmitten der Kirche ist der Glaube an das, was an Fronleichnam gefeiert wird, auf dramatische Weise weggebrochen. Das ist weit schlimmer als die Ahnungslosigkeit der Atheisten. Je grösser dieser Glaubensverlust innerhalb der Kirche ist, um so wichtiger ist heute Fronleichnam als Bekenntnisfest mit doppeltem Zeugnischarakter: in die Kirche und in die Welt. Es reicht freilich nicht, andächtig hinter der Monstranz herzuziehen. Die Begegnung mit Christus in der Eucharistie muss ihren Widerhall im Leben finden. Dass Christen anders leben und handeln, hat in der frühen Kirche die heidnische und jüdische Umwelt neugierig auf deren Glauben gemacht. Wo der Glaube an die eucharistische Gegenwart des Herrn das Leben der Gläubigen positiv und spürbar verwandelt, da wächst auch heute das Interesse daran, was Katholiken denn eigentlich glauben.
Am 5. Juni beginnt in Köln der Nationale Eucharistische Kongress. Auch der Letzte sollte begriffen haben, dass dieses Treffen – trotz der Bezeichnung “Kongress” – keine Veranstaltung des Sitzungskatholizismus ist, sondern ein grosses Fest des Glaubens sein will. Fronleichnam wie dieser Kongress können helfen, Glaube und Kirche wieder von der Mitte her zu verstehen. Das geht nicht ohne freudiges Bekenntnis – in die Kirche und in die Welt, auf geschmückten Prozessionswegen wie auf den staubigen Strassen des Lebens.
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