Im Blickpunkt: Das Kernanliegen zweier Päpste

“Pentekostalisierung” des Christentums

BonaventuraPentekostalisierung des Christentums
Hl.Bonaventura

Die Tagespost, 12. April 2013, von Guido Horst

Man könnte Bonaventura als das theologische Scharnier zwischen Papst Benedikt und seinem Nachfolger Franziskus bezeichnen. Der grosse Lehrmeister Joseph Ratzingers war der siebte Generalminister des Franziskanerordens und hat Franz von Assisi umfassend ausgedeutet – nicht nur bei der Leitung seines Ordens. Der Neuaufbau der Kirche, ausgehend von der Botschaft des Evangeliums, war das Kernanliegen Benedikts XVI. Papst Franziskus setzt es fort, das zeigen schon seine ersten beiden Katechesen während der Generalaudienz. Aber natürlich haben beide einen unterschiedlichen Hintergrund.

Die grosse Zukunftsaufgabe der katholischen Kirche, die Auseinandersetzung mit den stärker werdenden evangelikalen und charismatischen Strömungen im Christentum, war auch Benedikt XVI. bewusst. Aber eben mehr vom Hören und Sagen. So klingt es aufschlussreich, dass er 2011 vor Vertretern der evangelischen Kirche in Erfurt dieses “weltweite Phänomen” treffend darstellte, “von dem ich von Bischöfen aus aller Welt immer wieder höre” (Seite 4). Aber den Europäern ist die “Pentekostalisierung2 des Christentums, wie sie Kardinal Koch nennt, eher noch fremd. Papst Franziskus nicht. Er kennt sie aus eigener Erfahrung und antwortet darauf mit schlichten, aber eingängigen Gesten. Der Erfolg der Evangelikalen und Charismatiker liegt auch daran, dass sie den Glauben ursprünglicher leben und erfahrbarer machen.

Schon der US-amerikanische Vatikan-Korrespondent John L. Allen hat in seinem auf Deutsch 2010 erschienenen Buch “Das neue Gesicht der Kirche” eindrucksvoll dargestellt, dass die Zukunft des Christentums anders aussehen wird, als man sich das gerade vielleicht in Deutschland vorstellt. Es soll nördlich der Alpen Menschen gegeben haben, die sich nach dem Konklave damit beschäftigten, dass der Papst schwarze Schuhe, aber keine Mozetta trägt oder die Abendmahlsmesse in einem Gefängnis feiert und auch jungen Frauen die Füsse wäscht. Das zeigt, wie alt und krank die Kirche hier geworden ist, unfähig, den Kern und das Wesentliche der christlichen Verkündigung zu sehen. Ein Kongress in Rom, vorbereitet von der Deutschen Bischofskonferenz, hat sich nun mit dieser Zukunftsaufgabe der Kirche beschäftigt, – zufällig – passend zum Beginn eines Pontifikats, dessen Inhaber von seinem Ursprung her ganz unter dem Eindruck steht, dass die Kirche wieder lernen muss, die Menschen anzusprechen. Die katholische Kirche in Europa muss noch ihre Hausaufgaben machen. Franziskus wird ihr dabei helfen.

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