Spekulationen und Erwartungen

Kardinäle äussern sich über den Verlauf und die Perspektiven des bevorstehenden Konklaves

Vatikanstadt, DT/KNA, 4. März 2013

Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan (63) rechnet mit einem kurzen Konklave. Nach den vorbereitenden Beratungen der Kardinäle in dieser Woche “machen wir es schnell”, sagte Dolan der italienischen Zeitung “Corriere della Sera” (Montag). Dolan gilt selbst als ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Benedikt XVI. Er wolle mit allen Kardinälen sprechen. Von vielen kenne er bislang nur die Bücher, die sie geschrieben hätten, so der Erzbischof von New York. Vier Tage nach dem Rücktritt des Papstes kam das Kardinalskollegium unterdessen am Montag erstmals im Vatikan zu den sogenannten Generalkongregationen zusammen, um über das Konklave und über die Lage der Kirche zu beraten.

Die Wahl eines farbigen Papstes ist nach Einschätzung des sudanesischen Kardinals Gabriel Zubeir Wako (72) unwahrscheinlich. “Die Kirche ist dazu vielleicht bereit, aber die Welt?”, fragt Wako in der italienischen Tageszeitung “Il Messaggero” (Freitag). Im Übrigen dürfe die Herkunft des künftigen Kirchenoberhauptes nicht im Vordergrund stehen. Gebraucht werde vor allem ein junger, gesunder und vom Glauben erfüllter Papst. “Dies sind die drei fundamentalen Kriterien. Ob es nun ein Amerikaner oder Afrikaner wird, ist zweitrangig”, so der Erzbischof von Khartoum. Politische Motive bei der Wahl seien nicht hilfreich. Er kenne bislang nur wenige der 117 wahlberechtigten Kardinäle persönlich, fügte Wako hinzu. Die Treffen der Papstwähler vor dem Konklave dienten daher vor allem dazu, “zu verstehen und nachzudenken”. Wako bemängelte, dass die Kardinäle häufig nur die Probleme in ihrem Weltteil im Blick hätten. Er wolle bei den Zusammenkünften besonders auf die schwierige Lage und die Hoffnungen der sudanesischen Katholiken aufmerksam machen.

Aus Sicht des emeritierten Kurienkardinals Paul Poupard (82) spricht vieles für einen nichteuropäischen Papst. Im Jahr 2025 würden gut 80 Prozent aller Katholiken in der südlichen Hemisphäre leben, sagte der Franzose im Interview mit der italienischen Tageszeitung “Corriere della Sera” (Montag). “Vielleicht steht uns ein Konklave der Wende bevor.” Jede Papstwahl halte Überraschungen bereit. Der kommende Papst müsse klarmachen, dass die westliche Kultur nicht mehr das Zentrum der christlichen Welt sei. Der christliche Glaube befinde sich im Westen in einer Krise, fügte Poupard hinzu. Während dort die Bedeutung der Sakramente wie Ehe und Taufe immer weiter zurückgehe, wachse der Einfluss des katholischen Christentums in Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas. Der frühere Präsident der Päpstlichen Räte für Kultur und für den interreligiösen Dialog verwies dabei auf die stärker internationale Zusammensetzung des Kardinalskollegiums. Bei der Wahl Pauls VI. 1963 hätten 27 nichteuropäische Kardinäle 55 Europäern gegenübergestanden, davon 29 Italiener. Nun seien es 60 Europäer und 55 Nichteuropäer. “Das spiegelt die Geografie des Glaubens wieder”, so der Kardinal.

Der deutsche emeritierte Kurienkardinal Paul Josef Cordes (78) spricht sich für eine stärkere Internationalisierung im Vatikan aus. Die Weltkirche müsse wieder stärker in den Blick kommen und andere Kulturen müssten einfliessen, sagte er am Montag im Interview mit dem katholischen Internetportal katholisch.de in Bonn. “Die normale Problematik der Struktur, die mehr nach innen als nach aussen denkt, sollte aufgebrochen werden.” Cordes leitete bis 2010 das päpstliche Hilfswerk “Cor Unum”. Er nimmt als einer von sechs Deutschen am Konklave teil. Die Frage, ob die Kurie in Zukunft internationaler werde, hänge nicht davon ab, ob der künftige Papst ein Nicht-Italiener sei, sagte Cordes. “Ich sehe auch italienische Kandidaten, die dieses Bedürfnis haben und die in dieser Weise sicher tätig werden.” Weder Johannes Paul II. noch Benedikt XVI. hätten “viel verändert in der Kurie”, jedoch brauche so eine Institution “immer neue Impulse”. Cordes zeigte sich überzeugt, dass der emeritierte Papst Benedikt XVI. beim Konklave “indirekten Einfluss” auf seinen Nachfolger„ haben werde. Sein Geist werde bei der Papstwahl sicher zu spüren sein. “Ich bin nicht der einzige, der begeistert ist von ihm, den er mit seiner Auffassung, seiner Theologie, mit seinem Engagement geprägt hat”, so Cordes. Benedikt XVI. werde sich aber in Zukunft “sehr zurücknehmen”, sagte der Kardinal. “Ich sehe überhaupt keine Gefahr, dass er jetzt aus dem Hintergrund in irgendeiner Weise Einfluss nehmen wird.” Er persönlich hoffe jedoch, mit dem emeritierten Papst in Kontakt zu bleiben. Dieser habe ihm beim Abschied an seinem letzten Arbeitstag gesagt, dass er sich sehen lassen solle. Vom nächsten Papst erhofft sich Cordes, dass dieser “Gott in die Gesellschaft, in die Kirche, zu uns allen trägt”. Er wünsche sich einen Nachfolger, der “kein Manager” sei, sondern jemand “mit der intellektuellen Qualität” von Joseph Ratzinger, aber auch mit der Authentizität, die dieser mit seinem Rücktritt bewiesen habe.

Der emeritierte ägyptische Patriarch Antonios Naguib (77) will trotz angeschlagenen Gesundheitszustands zum Konklave nach Rom reisen. Seine ursprüngliche Absicht einer Absage habe er verworfen; es sei die “erste Pflicht eines Kardinals, an der Wahl des Petrusnachfolgers teilzunehmen”, sagte der frühere Patriarch der koptisch-katholischen Christen dem vatikanischen Pressedienst Fides (Freitag). Naguib war nach einem am 31. Dezember erlittenen Schlaganfall von der Kirchenleitung zurückgetreten. Wegen seiner Beeinträchtigung lässt sich Naguib nach eigenen Angaben von einem Assistenten zu dem streng abgeschirmten Konklave begleiten. Dieser solle ihm helfen, den täglichen Weg vom vatikanischen Gästehaus Santa Marta zur Sixtinischen Kapelle zurückzulegen, wo die Wahlgänge stattfinden. Seit März 2006 stand er an der Spitze der kleinen koptisch-katholischen Kirche in Ägypten. Benedikt XVI. berief ihn im November 2010 ins Kardinalskollegium. Neben Naguib nehmen als weitere Oberhäupter katholischer Ostkirchen der amtierende maronitische Patriarch Bechara Rai (72) aus dem Libanon sowie der syro-malabarische Grosserzbischof George Alencherry (67) und der syro-malankarische Grosserzbischof Baselios Cleemis Thottunkal (53) aus Indien teil.

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